OGH 15Os25/11g

OGH15Os25/11g4.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin K***** und Ingrid Z***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Ingrid Z***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Martin K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 14. Dezember 2010, GZ 38 Hv 61/10z-116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zur Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Ingrid Z***** betreffenden Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Landesgerichts Wiener Neustadt verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Ingrid Z***** auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.

Vorerst werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Martin K***** zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des Mitangeklagten Martin K***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB (A./I./1./) und weiterer strafbarer Handlungen (A./I./2./ und A./II./) enthält, wurde - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung - Ingrid Z***** des Vergehens der Untreue als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat sie zur Ausführung der strafbaren Handlung des Martin K***** (A./II./) beigetragen, welcher in der Zeit zwischen November 2008 und Ende Mai 2010 in oftmals wiederholten Angriffen seine ihm durch Rechtsgeschäft seitens der C***** GmbH eingeräumte Befugnis, dieses Unternehmen als Lagerleiter bei Verträgen mit Dritten zu verpflichten, wissentlich missbrauchte und dadurch dem Unternehmen einen Vermögensnachteil zufügte, indem er Verfügungsberechtigte der E***** GesmbH veranlasste, für die Entsorgung von 8.010 Kilogramm Elektroschrott 0,40 Euro pro Kilogramm statt 0,20 Euro, für die Entsorgung von 3.518 Kilogramm Toner anstelle des bisher verrechneten Betrags von 0,32 Euro pro Kilogramm nunmehr 0,46 Euro pro Kilogramm, sohin einen Mehrbetrag von 492,52 Euro, und für die Entsorgung von 72 Stück Bildschirmen anstelle des bisher verrechneten Betrags von 7 Euro einen Betrag von 15 Euro pro Bildschirm, sohin einen überhöhten Betrag von 576 Euro, zu verrechnen und ihm 10 % der Nettogesamtvertragssummen als „Provision“ auszuzahlen, wobei er durch die Tat einen 2.670 Euro betragenden, also 3.000 Euro nicht übersteigenden Schaden herbeiführte, indem sie im gemeinsamen Einvernehmen mit Martin K***** seinen Vorschlägen nachkam.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil aus dem Grund der Z 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Z***** ist verspätet:

Nachdem die Beschwerdeführerin rechtzeitig - jedoch ohne Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen bzw Tatumstände anzuführen, die einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen - Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet hatte (ON 120), wurde die Urteilsausfertigung ihrem Verteidiger am 12. Jänner 2011 zugestellt (S 50 in ON 1), womit die vierwöchige (§ 285 Abs 1 StPO) Rechtsmittelfrist am 13. Jänner 2011 zu laufen begann (§ 84 Abs 1 Z 3 StPO). Der letzte Tag der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde war somit der 9. Februar 2011.

Vorliegend wurde die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Z***** erst am 10. Februar 2011 per Telefax bei Gericht eingebracht (ON 125).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem Schuldspruch der Angeklagten Z***** der - auch im Falle der Zurückweisung einer Nichtigkeitsbeschwerde als verspätet (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 14a, 18; Fabrizy StPO10 Rz 5 zu § 290) - im Rahmen des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet:

Der extrane Beitragstäter zum unrechtsbezogenen Sonderdelikt der Untreue (wie im konkreten Fall die Zweitangeklagte) muss, um strafrechtlich zu haften, es nicht nur für gewiss halten, dass der unmittelbare Täter objektiv die durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis missbraucht, sondern gleichermaßen auch, dass der Intraneus dies (zumindest bedingt) vorsätzlich tut (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 44; Leukauf/Steininger, StGB3 § 153 Rz 48; RIS-Justiz RS0103984).

Fallaktuell legte das Erstgericht dem Schuldspruch der Angeklagten Z***** die Feststellungen zu Grunde (US 7 f), dass sie mit dem Angeklagten K***** vereinbarte, künftig für die Entsorgung von Elektroschrott höhere Preise zu verrechnen und ihm als Abgeltung seines Befugnismissbrauchs 10 % als „Provision“ auszuzahlen. Sie schloss als Bevollmächtigte der E***** GmbH mit der C***** GmbH die entsprechenden Verträge und veranlasste die Verrechnung und Gewährung der Provision an den Erstangeklagten, wobei sie es für gewiss hielt, dass der Erstangeklagte durch dieses Vorgehen die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der C***** GmbH zu verfügen und diese zu verpflichten, missbrauchte und diesem Unternehmen einen Vermögensnachteil zufügte, sowie, dass sie durch ihre Mitwirkung die Tatausführung durch den Erstangeklagten ermöglichte (US 8).

Daraus erhellt, dass dem Erstgericht ein Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite insofern unterlaufen ist, als es rechtsirrig keine Konstatierung darüber getroffen hat, ob die als Beitragstäterin zur Untreue Angeklagte auch einen (zumindest bedingten) Vorsatz des Angeklagten K***** betreffend seinen Befugnismissbrauch für gewiss hielt. Das im Urteil festgestellte Wissen der Angeklagten Z*****, „dass der Erstangeklagte seine Befugnis, über das Vermögen der C***** GmbH zu verfügen und diese zu verpflichten, missbrauchte und diesem Unternehmen einen Vermögensnachteil zufügte“ (US 8), genügt hiefür nicht (RIS-Justiz RS0103984).

Das Fehlen dieser Feststellung macht - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführt - in Ansehung der Angeklagten Z***** eine Kassation des Schuld- und demzufolge auch des Strafausspruchs sowie die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung vor dem nunmehr zuständigen Einzelrichter unvermeidlich (§ 285e StPO).

Im zweiten Rechtsgang wird jedoch auch (erneut) zu prüfen sein, ob bei der Zweitangeklagten die Diversionsvoraussetzungen nach §§ 198 ff StPO vorliegen. Mit dem bloßen Hinweis auf einen langen Tatzeitraum vermögen die vorliegenden Urteilserwägungen die Nichtanwendung der Bestimmungen über die Diversion allein nicht zu rechtfertigen.

In Ansehung des Schuldspruchs des Angeklagten K***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB (A./I./1./) bleibt (unter dem Blickwinkel des § 290 Abs 1 StPO) anzumerken, dass die in den Entscheidungsgründen offen gebliebene Frage, inwieweit die unmittelbaren Täter - unter dessen Förderung - die Qualifikation des § 129 Z 1 StGB durch „Einbruch in ein Gebäude“ verwirklicht haben (vgl US 6 und 7), die Subsumtionseinheit nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB nicht tangiert, weil auch eine - vom Vorsatz des Erstangeklagten mitumfasste - Tatbegehung mittels widerrechtlich erlangtem Schlüssel (§ 129 Z 1 StGB) konstatiert wurde (US 6).

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte Z***** auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung des Angeklagten K***** wird hingegen das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

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