Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus G***** ‑ nach Wiederaufnahme des Verfahrens ‑ des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I./) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er
1./ „am 10. April 2009 in D***** mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben Doris V*****, einer Verfügungsberechtigten der Raiffeisenbank N***** regGenmbH, eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil die Filiale ausnahmsweise (Karfreitag) schon um 11:30 Uhr geschlossen wurde und deshalb Markus G***** zur Tatzeit um 11:43 Uhr vor der verschlossenen Zwischentüre zum Kassenraum der Bank stand;
2./ am 6. Oktober 2010 in K***** die Polizeibeamten BezInsp. Gr***** und ChefInsp. B***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie durch seine Verantwortung vor dem Landesgericht Korneuburg im Verfahren AZ 602 Hv 10/09t, nämlich BezInsp. Gr***** hätte ihm fälschlich vorgehalten, es sei ein Schuhabdruck der Schuhe des Angeklagten am Tatort in der R***** sichergestellt worden und ChefInsp. B***** hätte ihm zugesagt, für den Fall eines Geständnisses hätte der Angeklagte entweder mit überhaupt keiner Verurteilung oder aber mit einer solchen zu nur einigen Monaten Freiheitsstrafe bedingt zu rechnen, wenn er ein inhaltlich unrichtiges Geständnis ablege, sohin von Amts wegen zu verfolgender, mit Strafe bedrohter Handlungen, nämlich BezInsp. Gr***** des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB und des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB und in Ansehung von ChefInsp. B***** des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB, sohin die Genannten mit mehr als einjähriger Strafe bedrohter Handlungen wissentlich falsch verdächtigt.“
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der eine offenbar unzureichende Begründung behauptenden Mängelrüge (Z 5) kommt der problematisierten Frage, ob die Tür zum Kassenraum im Tatzeitpunkt nur ausnahmsweise am Karfreitag schon seit 11:30 Uhr geschlossen war oder ob es sich dabei um das für Freitag übliche Ende der vormittäglichen Öffnungszeiten handelte, unter dem Gesichtspunkt der Tauglichkeit des Versuchs keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil es nicht geradezu denkunmöglich ist (§ 15 Abs 3 StGB; Fabrizy, StGB10 § 15 Rz 20), an einem Werktag um 11:43 Uhr einen Raub zum Nachteil der in Rede stehenden Bankfiliale zu verwirklichen. Die diesbezüglichen Erörterungen des Beschwerdeführers gehen daher ins Leere.
An sich zutreffend verweist der Beschwerdeführer darauf, dass das „Geständnis des Angeklagten im Vorprozess bzw vor der Polizei“ im Rahmen des Beweisverfahrens „weder verlesen noch vom Vorsitzenden vorgetragen wurde“. Das Vorbringen, die Verantwortung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren sowie in den Hauptverhandlungen vom 3. und 13. August 2009 hätte daher im wiederaufgenommenen Verfahren nicht zur Begründung herangezogen werden dürfen, übersieht aber, dass die Tatrichter dem Angeklagten in der Hauptverhandlung im Rahmen seiner Vernehmung ‑ zulässigerweise (§ 245 Abs 1 vierter Satz StPO) ‑ seine frühere, abweichende Verantwortung vorgehalten haben.
Wenn dem Angeklagten im Zuge seiner Vernehmung seine früheren Aussagen gemäß § 245 Abs 1 vierter Satz StPO vorgehalten worden sind, sind diese solcherart in der Hauptverhandlung gesetzmäßig vorgekommen und demnach bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 459; ders, Zweifelsfragen beim [eingeschränkten] Verlesungsverbot nach § 252 StPO, ÖJZ 2000, 551).
In diesem Sinn in der Hauptverhandlung vorgekommen ist, dass der Beschwerdeführer am Tattag vor der Polizei ein Geständnis abgelegt hat, den ihm angelasteten (unbewaffneten) Banküberfall zur Bekämpfung seiner finanziellen Schwierigkeiten (ON 40 S 8) versucht, diesen jedoch freiwillig aufgegeben zu haben, indem er sich bei der Banktür umdrehte (ON 40 S 3, 8). Ferner habe er sein Auto in der Nähe der Bank geparkt gehabt und sich der beim versuchten Überfall getragenen Jacke und Haube entledigt, indem er sie beim Fahren aus dem Fenster warf (ON 40 S 13 f).
Schließlich wurde in der Hauptverhandlung auch erörtert, dass er diese Verantwortung in der (ersten) Hauptverhandlung vom 3. und 13. August 2009 aufrecht erhalten (ON 40 S 2 f) und nach mündlicher Verkündung des Schuldspruchs sowie nach Rechtsmittelbelehrung durch den Vorsitzenden am 13. August 2009 einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hatte (ON 40 S 4). Diese in der Hauptverhandlung am 6. Oktober 2010 vorgekommenen Umstände wurden daher jedenfalls zulässig verwertet.
Verfehlt ist der Vorwurf, es gebe keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnisse zur ‑ für die Schuld- und Subsumtionsfrage im Übrigen nicht relevanten ‑ finanziellen Notlage des Beschwerdeführers (Z 5 vierter Fall). Die Feststellungen zu den schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten sowie zu dessen Schulden wurden von den Tatrichtern nämlich ‑ logisch und empirisch einwandfrei ‑ auf seine Angaben in der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2010 und die Aussage seiner als Zeugin vernommenen Mutter Anna G***** (ON 40 S 49) gestützt.
Ob der Angeklagte beim Versuch, die Bank zu betreten eine mit Schreckschuss- und Gaspatronen geladene Pistole mit sich führte und diese vorzuzeigen beabsichtigte (US 5, 7), betrifft ebenfalls keine entscheidende Tatsache, weil der Schuldspruch zu Punkt I./ lediglich wegen (versuchten) Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und nicht wegen eines durch die Verwendung einer Waffe qualifizierten, schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB erfolgt ist.
Das weitere, auf aus dem Zusammenhang gerissene Aussagepassagen der Vernehmung des Angeklagten und des Zeugen (richtig:) Helmut B***** gestützte, von eigenen beweiswürdigenden und teilweise spekulativen Erwägungen getragene Vorbringen der Mängelrüge zum Zustandekommen des Geständnisses vor der Polizei bekämpft bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne einen Begründungsmangel aufzeigen zu können.
Gleiches gilt für die eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen des Beschwerdeführers zur Erkennbarkeit der auf Fotos der Überwachungskamera abgebildeten Schuhe des Täters und zum Vergleich mit den vom Angeklagten anlässlich seiner Anhaltung getragenen Schuhen. Im Übrigen wurde diesen Schuhen seitens der Tatrichter mangels eindeutiger Erkennbarkeit auf den Fotos und in Ansehung der sonstigen Beweislage keine Bedeutung beigemessen (US 23).
Keine Aktenwidrigkeit vermag der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Abschlussbericht des Landeskriminalamts Niederösterreich vom 9. Juni 2009 (ON 4 S 3) aufzuzeigen, gibt die ins Treffen geführte Aktenpassage doch bloß die ‑ von den Tatrichtern als unglaubwürdig abgelehnte ‑ Verantwortung des Angeklagten zusammengefasst wieder. Die dazu gegenteiligen Feststellungen der Tatrichter vermögen keine Nichtigkeit in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO zu begründen, läge eine solche doch bloß in einem unrichtigen Referat der Aussage.
Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter die Angaben der Zeugen Richard Z***** und Hermann W***** im Wiederaufnahmeverfahren nicht übergangen, sondern aufgrund ihrer Depositionen in der Hauptverhandlung als nicht überzeugend erachtet (US 25 f).
Aus welchen Motiven sich die genannten Zeugen zu ihren Angaben im Wiederaufnahmeverfahren entschlossen, im Besonderen, ob dies aus Gefälligkeit erfolgte und warum diesen Zeugen in der Hauptverhandlung eine genaue Erinnerung an die zeitlichen Abläufe ihres Gasthausbesuchs am Tattag fehlte, ist nicht entscheidungswesentlich.
Unter dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5a) vermag das undifferenziert zur Mängelrüge erstattete Vorbringen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Die einen freiwilligen Rücktritt vom Versuch behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus, wonach sich die Schiebetür zum Kassenraum vor dem sich mit Raubvorsatz nähernden Angeklagten entgegen dessen Erwartung nicht öffnete, er mehrere Sekunden verdutzt vor der verschlossenen Tür verharrte, ehe er von seinem Vorhaben wegen faktischer Undurchführbarkeit abließ (US 7).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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