OGH 12Os196/10f

OGH12Os196/10f8.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sefa A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 6. Oktober 2010, GZ 142 Hv 97/10s-21, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss über die Anordnung der Bewährungshilfe und die Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zur Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch B./ und demzufolge im Strafausspruch, demzufolge auch der Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die teilkassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über seine Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthält und mit dessen Ausfertigung das Erstgericht - formell verfehlt - die eines Beschlusses über die Anordnung der Bewährungshilfe und die Erteilung einer Weisung verbunden hat (vgl Schroll in WK2 § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50), wurde Sefa A***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B./)schuldig erkannt.

Danach hat er am 31. März 2010 in Wien

A./ Jasmin P***** mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie zum Oralverkehr aufforderte und ihr, als sie dies zunächst verweigerte, gegen den gesamten Körper vom Bereich des Kopfes bis zu den Oberschenkeln Schläge sowie Tritte versetzte und zu ihr sagte: „Wenn du mir keinen bläst, bekommst du weiter Watschen“, woraufhin Jasmin P*****, eingeschüchtert durch das gewalttätige Verhalten des Sefa A*****, seiner Forderung nachkam;

B./ Jasmin P***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von der Anzeigeerstattung, zu nötigen versucht, indem er zu ihr unter dem Eindruck des zu A./ dargestellten Verhaltens sinngemäß sagte: „Wenn du jemandem etwas sagst, dann bring ich dich um“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der zum Teil Berechtigung zukommt.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb dieser Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit dem Hinweis darauf, die Zeugin Jasmin P***** sei schließlich freiwillig (vgl ohnedies die Urteilsannahmen S 11 in ON 21) mit dem Angeklagten zu einem einsehbaren Spielplatz hinter dem Jugendzentrum gegangen, habe auch in der Folge, als ein Spaziergänger vorbeigekommen sei, nicht um Hilfe gerufen und sei während des anschließenden Gesprächs auch aufgestanden, sowie der nicht auf Aktenbasis entwickelten Behauptung, das Tatopfer habe mit Sefa A***** über eine Stunde freiwillig diskutiert, gelingt es der Tatsachenrüge nicht, erhebliche Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen betreffend Tathergang und innere Tatseite des Angeklagten zu erwecken.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch A./ mangelnde Feststellungen zum Vorliegen eines zumindest bedingten Vorsatzes behauptet, orientiert sie sich nicht an der den Bezugspunkt für die Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes bildenden Gesamtheit der Urteilsfeststellungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584), haben die Tatrichter doch als erwiesen angenommen, der Angeklagte habe angesichts der Erfolglosigkeit seiner verbalen Aufforderung durch Schläge physische Gewalt gegen Jasmin P***** geübt und sie durch Drohung mit weiteren Schlägen bewusst in Furcht und Unruhe versetzt, um sie so für sein Vorgehen gefügig zu machen, und dabei „wissend in Kauf“ genommen, dass er sie „zu diesem Zweck demütigte und ihren klar geäußerten Willen unterdrückte“ (S 13 in ON 21).

Die von der weiteren Beschwerde (Z 9 lit a) geäußerte Kritik, das Urteil enthalte keinerlei Feststellungen zur Verwirklichung der subjektiven Tatseite des § 105 Abs 1 StGB, trifft jedoch zu, weil die Entscheidungsgründe keine Ausführungen dazu enthalten, das angestrebte Nötigungsziel und die zum Einsatz gebrachten Nötigungsmittel seien von einem zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen (vgl RIS-Justiz RS0093760; Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 88).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, daher in seinem Schuldspruch B./ und demzufolge im Strafausspruch, nicht jedoch in dem zweifelsfrei auf dem Schuldspruch wegen Vergewaltigung fußenden Adhäsionserkenntnis (vgl S 21 in ON 21), sowie demzufolge der Beschluss über die Anordnung der Bewährungshilfe und die Erteilung einer Weisung aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe und mit seiner (implizierten) Beschwerde war der Angeklagte auf diese teilkassatorische Entscheidung zu verweisen.

Über seine Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche hat das Oberlandesgericht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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