OGH 9ObA124/10s

OGH9ObA124/10s28.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Keppert und Mag. Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. C***** K*****, Chefärztin, *****, vertreten durch die Forcher-Mayr, Kantner & Ruetz Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung (Streitwert 21.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 2008, GZ 15 Ra 51/08z-17, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. März 2008, GZ 43 Cga 145/07p-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.065,26 EUR (darin enthalten 1.344,21 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im Februar 1948 geborene Klägerin war beim beklagten Sozialversicherungsträger als leitende Ärztin angestellt. Sie wollte nicht mit Erreichung des 60. Lebensjahrs, des Anfallsalters für den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Alterspension, in Pension gehen. Sie wurde daraufhin von der Beklagten am 6. 12. 2007 zum 1. 7. 2008 „in den Ruhestand versetzt". Die Beklagte hatte den Beschluss gefasst, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die die Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand (Pension) nach dem einschlägigen Kollektivvertrag erfüllen, zu kündigen.

Die Klägerin stützt ihre mit der vorliegenden, am 12. 12. 2007 überreichten Klage geltend gemachte Anfechtung der Kündigung auf einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und macht eine geschlechtsbezogene Diskriminierung iSd GlBG geltend. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung für die erfolgte Kündigung. Die Klägerin ficht die Kündigung auch als sozialwidrig und wegen des Vorliegens eines verpönten Motivs nach § 105 ArbVG an.

Die Beklagte wendet zusammengefasst ein, auf die Altersgrenzen nach dem ASVG abzustellen. Eine allfällige mittelbare Diskriminierung der Klägerin sei durch das Erfordernis, jungen Menschen einen Arbeitsplatz zu verschaffen und deren Beschäftigung zu fördern, gerechtfertigt. Die Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stelle auch einen Ausgleich für die davor vom Kollektivvertrag eingeräumte Unkündbarkeit dar. Sie hänge mit dem nach Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG zulässigerweise unterschiedlichen Pensionsalter zusammen. Eine Beschäftigung über den Anfall der Pension hinaus würde bedeuten, dass die Klägerin sowohl den vollen Aktivbezug als auch die volle ASVG-Pension beziehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei nicht gerechtfertigt, dass die Klägerin neben ihrer Pension auch noch das volle Aktivgehalt beziehe. Dies sei auch einem Mann verwehrt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil im klagestattgebenden Sinn ab, indem es die Kündigung (Versetzung in den Ruhestand) vom 6. 12. 2007 zum 1. 7. 2008 für rechtsunwirksam erklärte. Es ging zusammengefasst davon aus, dass die verfassungsgesetzlich vorgesehene Aufrechterhaltung des unterschiedlichen Pensionsalters für Männer und Frauen, die erst ab dem Jahr 2024 bis zum Jahr 2033 schrittweise aufgehoben werde, gleichheitswidrig sei. In der Entscheidung der Beklagten, die Klägerin mit Erreichen des Pensionsalters zu kündigen, liege eine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung bei der Möglichkeit des Dienstgebers, das Dienstverhältnis zu beenden, sei nicht gerechtfertigt. Der Klägerin könne der Vorteil durch die ASVG-Pension nicht entgegengehalten werden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob eine Versetzung in den Ruhestand bei Frauen bei Erreichen des Regelpensionsalters einen Verstoß gegen § 3 Z 7 GlBG darstelle.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO); sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagte macht primär geltend, dass bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht an eine geschlechtsspezifische Altersgrenze angeknüpft worden sei, sodass hier keine unmittelbare Diskriminierung vorliege. Das Abstellen auf ein geschlechtsneutrales Merkmal, nämlich das Vorliegen eines Anspruchs auf eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, könne allenfalls eine mittelbare Diskriminierung begründen. Diese sei jedoch nicht schlechthin unzulässig, sondern einer sachlichen Rechtfertigung zugänglich. Von einer solchen sei hier auszugehen. Die Versetzung in den Ruhestand bei Erreichen des Regelpensionsalters verfolge nämlich insbesondere den Zweck, jungen Menschen, deren Existenz anderweitig noch nicht gesichert sei, Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise werde besonders dadurch deutlich, dass statistisch gesehen weit mehr weibliche Ärzte eine Arbeitsstelle suchen als dies bei männlichen Ärzten der Fall sei. Hinzukomme, dass es nicht Sinn und Zweck sein könne, einer Ungleichbehandlung damit entgegenzuwirken, dass daraus eine Ungleichbehandlung zum Nachteil des anderen Geschlechts resultiere. Es sei nicht das Ziel des Gesetzes, einen Zustand zu verwirklichen, der dazu führe, dass weibliche Beschäftigte eines Sozialversicherungsträgers einen Doppelbezug von Aktivgehalt und ASVG-Pension lukrieren können, während dies männlichen Beschäftigten desselben Sozialversicherungsträgers verwehrt bleibe. Aus diesem Grund sei die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand nicht nur durch sachliche Gründe gerechtfertigt, sondern sogar geboten gewesen.

Aufgrund dieser Einwendungen der Beklagten hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 4. 8. 2009 zu 9 ObA 163/08y (Laimer/Behrus, Wegfall des besonderen kollektivvertraglichen Kündigungsschutzes bei Anspruch auf Alterspension diskriminierend? RdW 2009, 857; Wachter, Altersdiskriminierung - Jahrbuch 2010, 89 ff ua) dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Ist Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG in der Fassung der Richtlinie 2002/73/EG dahin auszulegen, dass er - im Rahmen eines Arbeitsrechtssystems, das beim allgemeinen Kündigungsschutz der Arbeitnehmer auf deren soziale (finanzielle) Angewiesenheit auf den Arbeitsplatz abstellt - der Bestimmung eines Kollektivvertrags entgegensteht, die einen über den gesetzlichen allgemeinen Kündigungsschutz hinausgehenden besonderen Kündigungsschutz nur bis zu jenem Zeitpunkt vorsieht, in dem typischerweise eine soziale (finanzielle) Absicherung durch die Leistung einer Alterspension gegeben ist, wenn diese Alterspension für Männer und Frauen zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfällt?

2. Steht Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG in der Fassung der Richtlinie 2002/73/EG im Rahmen des dargestellten Arbeitsrechtssystems der Entscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers entgegen, der eine Arbeitnehmerin wenige Monate nach dem Zeitpunkt kündigt, in dem sie eine Absicherung durch eine Alterspension hat, um neue am Arbeitsmarkt bereits andrängende Arbeitnehmer einzustellen?“

Dieses Ersuchen um Vorabentscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof wie folgt begründet:

„A. Zur innerstaatlichen Rechtslage

a) Die Fragen der sozialversicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension und der arbeitsrechtlichen Bestandskraft des Arbeitsverhältnisses bzw dessen Beendigung sind grundsätzlich zu trennen. Die gesetzliche Alterspension kann aus Gründen des weiter aufrechten Bestands eines Arbeitsverhältnisses nicht gekürzt werden (zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben siehe die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs VfSlg 12.592).

b) Das Anfallsalter für den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Alterspension hat der Verfassungsgesetzgeber bis zum Jahr 2024 für Männer und Frauen unterschiedlich, nämlich mit 60 bzw 65 Jahren, festgeschrieben; in weiterer Folge wird das Anfallsalter für Frauen bis zum Jahr 2033 dem der Männer angeglichen. Diese lange Übergangsfrist wurde mit der gesellschaftlichen, familiären und ökonomischen Benachteiligung der Frauen und deren Vertrauen in die bisherige Rechtslage begründet (RV 737 der BlgNR 18. GP).

c) Arbeitsrechtlich besteht grundsätzlich Kündigungsfreiheit: Es bedarf im Allgemeinen keines Grundes für eine Kündigung, jedoch sind bei der Kündigung zum Schutz der Arbeitnehmer oft längere Fristen und auch Termine einzuhalten. Die Arbeitnehmer haben ab einer Beschäftigungsdauer von drei Jahren bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber Anspruch auf eine besondere Entgeltleistung (Abfertigung), die sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses bemisst und bis zu einem Jahresbezug betragen kann. In größeren Betrieben (ab fünf Arbeitnehmern) kann eine Kündigung aber im Rahmen der Mitwirkungsrechte der Belegschaft nach § 105 ArbVG unter anderem als sozialwidrig angefochten werden, wenn durch diese Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden und der Arbeitgeber keine zur Rechtfertigung der Kündigung ausreichenden betrieblichen Gründe oder Gründe in der Person des Arbeitnehmers nachweisen kann („allgemeiner Kündigungsschutz“). Im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob die Kündigung wesentliche Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beeinträchtigt, wird auch berücksichtigt, inwieweit diese Arbeitnehmer bereits eine soziale Absicherung durch eine Alterspension haben. Das Erreichen des Regelpensionsalters schließt die Möglichkeit der Anfechtung einer Kündigung nicht zur Gänze aus, jedoch wird regelmäßig die Interessenbeeinträchtigung verneint, wenn eine ausreichende Absicherung des Lebensunterhalts, wie sie die Arbeitnehmer erwarten konnten, durch die Alterspension gegeben ist (OGH 8 ObA 53/04h; OGH 9 ObA 156/07t).

d) Im hier anzuwendenden Kollektivvertrag (Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs - „DO.B“) wurde abweichend vom unter c) dargestellten System der grundsätzlich freien Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers die Kündbarkeit des Arbeitnehmers massiv eingeschränkt. Die Arbeitnehmer können nach 10 Jahren Betriebszugehörigkeit nur aus bestimmten Gründen durch den Arbeitgeber gekündigt („in den Ruhestand versetzt“) werden (OGH 8 ObA 50/05v mwN). Einen dieser Gründe stellt das Erreichen der Voraussetzungen für die Erlangung der Alterspension dar (§ 134 Abs 4 Z 1 iVm § 134 Abs 2 Z 2 DO.B). Der Kollektivvertrag verpflichtet insoweit den Arbeitgeber nicht zur Kündigung, ermöglicht diese aber. Die Möglichkeit der Anfechtung nach § 105 ArbVG bleibt allerdings unter den dort genannten Voraussetzungen - die hier noch nicht zu prüfen sind - bestehen.

B. Zum Gemeinschaftsrecht

a) Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ist die Richtlinie 2002/73/EG dem beklagten Sozialversicherungsträger gegenüber unmittelbar anwendbar, da dieser eine staatliche Einrichtung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist (vgl zur Richtlinie 76/207/EWG etwa EuGH 26. 2. 1986, 152/84, Marshall, Slg 1986, 723; EuGH 12. 7. 1990, C-188/89 , Foster, Slg 1990, I-3313; zur Richtlinie 79/7/EWG : EuGH 23. 5. 2000, C-104/98 , Buchner, Slg 2000, I-3625).

b) Das Vorliegen einer Diskriminierung ist jeweils bezogen auf die konkreten Entscheidungsträger zu beurteilen (EuGH 13. 1. 2004, Rs C-256/01 , Allonby Rz 45 ua), hier also einerseits bezogen auf die Kollektivvertragsparteien, andererseits auf die Beklagte, die die Kündigung ausgesprochen hat.

c) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat sich bereits mehrmals mit der Auslegung der früheren Bestimmung des Art 5 der Richtlinie 76/207/EWG betreffend die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bei den „Entlassungsbedingungen“ befasst und diese im Wesentlichen auf alle Formen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber erstreckt. Der OGH geht davon aus, dass auch auf den vorliegenden Sachverhalt die Bestimmungen der Richtlinie - hier Art 3 Abs 1 lit c der RL 2002/73/EG - zur Anwendung gelangen (zur Abgrenzung der Fragen der Ruhestandsversetzung und der Altersdiskriminierung zuletzt etwa EuGH 5. 3. 2009, C-388/07, Incorporated Trustees).

d) Fälle, in denen das gesetzliche Pensionsalter für Männer und Frauen unterschiedlich war und Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen bei Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters gekündigt bzw entlassen haben, waren bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften:

In der Rechtssache Marshall (EuGH 26. 2. 1986, C-152/84 , Slg 1986, 723) waren ausschließlich Geschlecht und Alter der betroffenen Dienstnehmerin Grund für ihre Entlassung. Mit ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess war - anders als im hier zu beurteilenden Fall - für die Dienstnehmerin eine massive Entgeltverschlechterung verbunden. In dieser Entscheidung und in der Entscheidung in der Rs Beets-Proper (EuGH 26. 2. 1986, Rs 62/84 , Slg 1986 I-773) finden sich keine näheren Ausführungen zu den Gründen für die Kündigungsmöglichkeit mit dem Erreichen der Alterspension. In beiden Entscheidungen wurde weder die Struktur des Beendigungssystems des jeweiligen Mitgliedstaats noch die soziale Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer bzw die Fragen der „Vergleichbarkeit“ oder der Integration junger Arbeitnehmer als Motiv für Beendigungsbestimmungen erörtert.

e) In der Rs Burton (EuGH 16. 2. 1982, Rs 19/81 , Slg 1982, I-00554) verneinte der EuGH bei an das unterschiedliche Pensionsanfallsalter anknüpfenden unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Arbeitgeberzusatzleistung das Vorliegen einer Diskriminierung. In der in jüngerer Zeit ergangenen Entscheidung in der Rs Hlocek (EuGH 9. 12. 2004, C-19/02 ) ging der EuGH davon aus, dass die Situation von Männern und Frauen nicht nach deren Alter, sondern nach deren sozialer Lage zu vergleichen sei und insoweit auch nach Lebensjahren für Männer und Frauen unterschiedliche Zugänge zu Leistungen gerechtfertigt werden können.

f) Damit stellt sich die Frage, wie bei der Beurteilung, ob eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegt, die „Vergleichspersonen“ zu definieren sind (etwa EuGH 9. 12. 2004, C-19/02 , Hlocek, Rz 46 ff; ähnlich EuGH 14. 9. 1999, C-249/97 , Gruber, Slg 1999, I/5295, oder EuGH 8. 6. 2004, C-220/02 , Österreichischer Gewerkschaftsbund). In den den Rs Marshall und Beets-Proper zugrunde liegenden Sachverhaltssubstraten wurde diese Frage noch nicht thematisiert. Diese älteren Entscheidungen unterscheiden sich zumindest nach den aus ihrem Wortlaut ersichtlichen Sachverhalten auch insoweit substantiell vom hier zu beurteilenden Fall, als es hier bei der Beurteilung der in Rede stehenden Kollektivvertragsbestimmung bloß um eine Aufhebung des vom Kollektivvertrag gewährten besonderen Kündigungsschutzes nach genau jenen Kriterien geht, die auch sonst im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes maßgeblich sind - nämlich der sozialen Absicherung der Arbeitnehmer (Alterspension). Auch geht es hier nicht darum, Arbeitnehmer absolut vom Arbeitsmarkt auszuschließen oder ihnen den Kündigungsschutz zur Gänze zu nehmen (der allgemeine Kündigungsschutz nach dem ArbVG bleibt erhalten), sondern nur darum, dass in einem bestimmten Arbeitsverhältnis der sehr weitgehende Kündigungsschutz des Arbeitnehmers eingeschränkt und dadurch die Möglichkeit der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer geboten wird. Die Möglichkeiten der Klägerin, am allgemeinen Arbeitsmarkt weiter selbständig oder unselbständig tätig zu sein und daneben trotzdem die sozialversicherungsrechtliche Pensionsleistung zu beziehen, werden nicht beeinträchtigt. Nur der konkrete Arbeitsplatz wird am Arbeitsmarkt zur Disposition gestellt.

g) Allgemein stellt sich die Frage, welche Kriterien für die „Vergleichbarkeit“ heranzuziehen und wie diese zu bewerten sind. Dabei sprechen wesentliche Argumente dafür, in den Bereichen, in denen keine unmittelbare Bewertung durch das Gemeinschaftsrecht erfolgt (vgl zum Subsidiaritätsprinzip Art 5 des EG-Vertrags), auf das jeweilige Arbeitsrechtssystem des Mitgliedstaats zurückzugreifen und nicht die Auswahl und die Bewertung nach zufälligen Vorlieben (zB „wohlverdienter Ruhestand“ oder „erfülltes Arbeitsleben“) der jeweiligen Arbeitnehmer vorzunehmen. Nur wenn den Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen verbliebenen Kompetenzen im demokratischen Gesetzgebungsprozess bzw den Sozialpartnern bei der ihnen zukommenden Normsetzung auch die Abwägung und Bewertung der Interessen zukommt und ihnen damit auch die Möglichkeit der (für beide Geschlechter einheitlichen) Zurückstellung bestimmter Interessen (Freude an der Arbeit) gegenüber anderen (Existenzsicherung, Integration junger Arbeitnehmer) offensteht, können sie auch ihre Verantwortung, etwa für die Integration junger Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt, effektiv wahrnehmen.

Im Ergebnis ist hier zu beurteilen, ob sich die Vergleichbarkeit allein nach dem Alter oder nach der sozialen Situation richtet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das österreichische Beendigungsrecht gerade auf die soziale Situation abstellt, was dafür spricht, eben diese soziale Situation zu vergleichen und damit jene Arbeitnehmer, die unter anderem auch durch eine ausreichende Alterspension abgesichert sind. Insoweit sind aber Männer und Frauen gleichgestellt, indem sie bei sozialer Absicherung infolge Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlangung der Alterspension den besonderen Kündigungsschutz des Kollektivvertrags verlieren.

h) Gerade im Hinblick auf die Bedeutung des Spielraums der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung der beschäftigungspolitischen Maßnahmen - auch insoweit hat sich das Gemeinschaftsrecht gegenüber der Situation zum Zeitpunkt der Erlassung der Vorentscheidungen verändert - können die hier aufgeworfenen Fragen noch nicht als ausreichend durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt angesehen werden. Der Oberste Gerichtshof ist daher verpflichtet, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.“

Mit seinem Urteil vom 18. 11. 2010, C-356/09 (Mazal, Kündigung von Frauen zum gesetzlichen Pensionsalter europarechtswidrig! ecolex 2010, 1221; Laimer/Behrus, EuGH: Wegfall des besonderen Kündigungsschutzes gemäß Kollektivvertrag bei Anspruch auf Alterspension diskriminierend, RdW 2011, 29 ua), hat der EuGH die Fragen des Obersten Gerichtshofs wie folgt beantwortet:

Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die einem Arbeitgeber erlaubt, zur Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung Arbeitnehmer zu kündigen, die einen Anspruch auf Alterspension erworben haben, eine von dieser Richtlinie verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn Frauen diesen Anspruch in einem Alter erwerben, das fünf Jahre niedriger ist als das Alter, in dem der Anspruch für Männer entsteht.“

In der Begründung dieser Entscheidung führte der EuGH aus, dass die Frage nach den Bedingungen für die Gewährung einer Alterspension und die nach den Bedingungen für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses unterschiedlich seien. Was die Bedingungen für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses betreffe, sehe Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG vor, dass die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich der Entlassungsbedingungen bedeute, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben dürfe. In diesem Zusammenhang falle eine Altersgrenze für das obligatorische Ausscheiden der Arbeitnehmer im Rahmen einer allgemeinen Pensionierungspolitik eines Arbeitgebers unter den weit auszulegenden Begriff der Entlassung in dieser Bestimmung, auch wenn dieses Ausscheiden die Gewährung einer Altersrente mit sich bringe. Daraus folge, dass das Ausgangsverfahren Entlassungsbedingungen im Sinne von Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG betreffe, da die Klägerin von ihrem Arbeitgeber entsprechend dessen Entscheidung, alle Arbeitnehmer zu kündigen, die einen Anspruch auf Alterspension erworben haben, zwangsweise in den Ruhestand versetzt worden sei. Der Gerichtshof habe bereits entschieden, dass eine allgemeine Entlassungspolitik, wonach eine Arbeitnehmerin nur aus dem Grund entlassen werde, weil sie das Alter erreicht oder überschritten habe, in dem sie Anspruch auf eine Altersrente erwerbe und das nach den nationalen Rechtsvorschriften für Männer und Frauen unterschiedlich sei, eine durch die Richtlinie 76/207/EWG verbotene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle (EuGH 26. 2. 1986, 152/84, Marshall, Slg 1986, 723, Rn 38).

Der EuGH verwies in seiner Vorabentscheidung weiters darauf, dass nach Art 2 Abs 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 76/207/EWG eine unmittelbare Diskriminierung vorliege, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahre, als eine andere Person erfahre, erfahren habe oder erfahren würde. Im vorliegenden Fall gehe aus § 134 Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 1 der DO.B hervor, dass unkündbare Ärzte gekündigt werden dürfen, wenn sie einen Anspruch auf Alterspension gemäß § 253 ASVG erworben haben. Nach § 253 Abs 1 ASVG haben Männer diesen Anspruch, wenn sie das Alter von 65 Jahren, und Frauen, wenn sie das Alter von 60 Jahren erreicht haben. Folglich dürfen nach der DO.B Arbeitnehmer weiblichen Geschlechts gekündigt werden, wenn sie das Alter von 60 Jahren erreicht haben, während Arbeitnehmer männlichen Geschlechts erst im Alter von 65 Jahren gekündigt werden dürfen. Da das von diesen Bestimmungen verwendete Kriterium vom Geschlecht der Arbeitnehmer nicht zu trennen sei, liege demnach entgegen dem Vorbringen der Beklagten eine Ungleichbehandlung vor, die unmittelbar auf das Geschlecht gestützt sei.

Der Oberste Gerichtshof habe an den EuGH die Frage gestellt, ob der Umstand, dass die Arbeitnehmer weiblichen Geschlechts im Alter von 60 bis 65 Jahren über eine soziale Absicherung in Form der gesetzlichen Alterspension verfügen, der Situation dieser Arbeitnehmer im Vergleich zu der Situation von Arbeitnehmern männlichen Geschlechts derselben Altersgruppe, die nicht über eine solche Absicherung verfügen, nicht einen besonderen Charakter verleihen könne. Die Vergleichbarkeit sei unter anderem im Hinblick auf das Ziel der Regelung zu prüfen, die die Ungleichbehandlung festsetze. Die Regelung, die im Ausgangsverfahren die streitige Ungleichbehandlung festsetze, solle die Bedingungen festlegen, unter denen die Arbeitnehmer ihre Beschäftigung verlieren können. Der Vorteil der weiblichen Arbeitnehmer, der darin bestehe, dass sie ihre Alterspension in einem Alter beanspruchen können, das fünf Jahre unter dem für männliche Arbeitnehmer festgelegten Alter liege, stehe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ziel der Regelung, die eine Ungleichbehandlung festsetze. Dieser Vorteil könne die weiblichen Arbeitnehmer nicht in eine besondere Situation im Vergleich zu den männlichen Arbeitnehmern bringen, da sich Männer und Frauen hinsichtlich der Bedingungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der gleichen Situation befinden (vgl EuGH 26. 2. 1986, 151/84, Roberts, Slg 1986, 703, Rn 36).

Die Republik Österreich wollte gemäß der in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG vorgesehenen Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung ein System einrichten, das einen Unterschied in Bezug auf das gesetzliche Pensionsalter für Männer und Frauen vorsehe, um die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung der Frauen auszugleichen. Der Gerichtshof habe aber wiederholt entschieden, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesichts der grundlegenden Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in dem Sinne eng auszulegen sei, dass sie nur für die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen der sozialen Sicherheit gelten könne. Da die im Ausgangsverfahren streitige Regelung den Bereich der Entlassung im Sinne von Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG und nicht die in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG genannten Auswirkungen betreffe, gelte die Ausnahme nicht für diese Regelung.

Der EuGH verwies weiters darauf, dass die Richtlinie 76/207/EWG eine Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sogenannten „mittelbaren“ Diskriminierung dahin treffe, dass nach ihrem Art 2 Abs 2 zweiter Gedankenstrich nur die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die eine mittelbare Diskriminierung darstellen können, der Einstufung als Diskriminierung entgehen können, wenn sie „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel … zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich [sind]“. Eine solche Möglichkeit sei hingegen für Ungleichbehandlungen, die eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art 2 Abs 2 erster Gedankenstrich dieser Richtlinie darstellen können, nicht vorgesehen. Da zum einen die Ungleichbehandlung, die durch eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige geschaffen wurde, unmittelbar auf dem Geschlecht beruhe, obwohl die Situation von Frauen und Männern im vorliegenden Fall gleich sei, und zum anderen die Richtlinie 76/207/EWG keine im vorliegenden Fall anwendbare Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung enthalte, sei diese Ungleichbehandlung unter diesen Umständen als unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts anzusehen. Der EuGH gelangte daher zu dem Ergebnis, dass die Ungleichbehandlung nicht, wie von der Beklagten geltend gemacht, durch das Ziel gerechtfertigt werden könne, die Beschäftigung jüngerer Menschen zu fördern.

Unter Berücksichtigung der Vorabentscheidung des EuGH ergeben sich somit für den vorliegenden Fall folgende rechtliche Konsequenzen:

Die bei der Beklagten im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses als Chefärztin beschäftigte Klägerin wurde am 6. 12. 2007 zum 1. 7. 2008, im 61. Lebensjahr stehend, gegen ihren erklärten Willen in den Ruhestand versetzt. Diese als Arbeitgeberkündigung zu qualifizierende Maßnahme (vgl Wachter, Altersdiskriminierung-Jahrbuch 2010, 89 [95]; 8 ObA 50/05v ua) wurde von der Beklagten auf § 134 Abs 4 Z 1 iVm § 134 Abs 2 Z 2 der Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) gestützt, weil bei der Klägerin bereits ein Anspruch auf Alterspension gemäß § 253 ASVG bestand. Die DO.B hat den Charakter eines Kollektivvertrags (vgl RIS-Justiz RS0054394 ua). Nach § 253 ASVG haben männliche Versicherte nach Vollendung des 65. Lebensjahrs, weibliche Versicherte hingegen schon nach Vollendung des 60. Lebensjahrs (Regelpensionsalter) Anspruch auf Alterspension.

Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 wurde in Österreich - soweit für den vorliegenden Fall relevant - durch das mehrfach novellierte Gleichbehandlungsgesetz, BGBl 1979/108, das ab dem 1. 7. 2004 durch das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), BGBl I 2004/66, abgelöst wurde, umgesetzt (s zur historischen Entwicklung Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG 59 ff ua).

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GlBG („Geltungsbereich“) unterliegt das auf privatrechtlichem Vertrag beruhende Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten den Bestimmungen des I. Teils des GlBG („Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt“). Gemäß § 3 Z 7 GlBG („Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“) darf aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Begriff „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ enthält weder eine Beschränkung auf eine bestimmte Art des Arbeitsverhältnisses noch auf eine bestimmte Art der Beendigung. Er ist daher nicht zuletzt auch im Hinblick auf die weite Formulierung des Diskriminierungsverbots, das sich gegen jede benachteiligende Diskriminierung aufgrund des Geschlechts richtet, weit zu verstehen (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 Rz 137 ua; s auch EuGH 16. 2. 1982, 19/81, Burton, Slg 1982, 554, Rn 9, zu einer weiten Auslegung des Begriffs „Entlassung“ in der Richtlinie 76/207/EWG) . Dass die gemäß DO.B erfolgte Versetzung der Klägerin in den Ruhestand als „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ im vorstehenden Sinn zu qualifizieren ist, ist hier nicht weiter zweifelhaft, fallen doch laut Rechtsprechung des EuGH „Altersgrenzen“ für das obligatorische Ausscheiden der Arbeitnehmer im Rahmen einer allgemeinen Pensionierungspolitik eines Arbeitgebers unter den weit auszulegenden Begriff der „Entlassung“ iSd Richtlinie 76/207/EWG , auch wenn dieses Ausscheiden des Arbeitnehmers die Gewährung einer „Altersrente“ mit sich bringt (vgl EuGH 26. 2. 1986, 152/84, Marshall, Slg 1986, 723, Rn 34; EuGH 26. 2. 1986, 262/84, Beets-Proper, Slg 1986, 773, Rn 36 ua).

Die Beklagte bestreitet allerdings, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin „aufgrund“ des Geschlechts erfolgte. Dazu hat der Oberste Gerichtshof bereits bezüglich des Merkmals der Behinderung, dessen Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt nicht im GlBG, sondern im BEinstG umgesetzt wurde (siehe die mit BGBl I 2005/82 eingeführten §§ 7a bis 7r BEinstG), klargestellt, dass das Erfordernis des „Zusammenhangs“ nicht zu eng gesehen werden darf, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen (8 ObA 8/09y = EvBl 2009/103 [Mayr] = ZAS 2010/5 [Majoros] = DRdA 2010/48 [Weiß]). Diese weite Sicht gilt auch für den hier geforderten Zusammenhang mit dem Geschlecht (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 8 bezüglich aller vom GlBG geschützten Diskriminierungsmerkmale [Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion etc] ua). Der Zusammenhang mit dem Geschlecht ist nach der Rechtsprechung des EuGH auch bei einer allgemeinen Entlassungspolitik, wonach eine Arbeitnehmerin nur aus dem Grund „entlassen“ wird, weil sie das Alter erreicht oder überschritten hat, in dem sie Anspruch auf eine Altersrente erwirbt und das nach den nationalen Rechtsvorschriften für Männer und Frauen unterschiedlich ist, anzunehmen (vgl EuGH 26. 2. 1986, 152/84, Marshall, Slg 1986, 723, Rn 38).

§ 5 GlBG („Begriffsbestimmungen“) unterscheidet in Umsetzung des Art 2 Abs 2 der Richtlinie 76/207/EWG (in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2002/73/EG) zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung. Eine „unmittelbare“ Diskriminierung liegt gemäß § 5 Abs 1 GlBG vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Demgegenüber liegt eine „mittelbare“ Diskriminierung gemäß § 5 Abs 2 GlBG dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

Die Beklagte erblickt in der gegen den Willen der Klägerin erfolgten Versetzung in den Ruhestand nur eine mittelbare Diskriminierung (die durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sein soll). Diesem Standpunkt vermochte sich der EuGH in seiner Vorabentscheidung nicht anzuschließen. Wie bereits ausgeführt, verwies der EuGH in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass aus § 134 Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 1 DO.B iVm § 253 Abs 1 ASVG resultiere, dass Arbeitnehmer weiblichen Geschlechts gekündigt werden dürfen, wenn sie das Alter von 60 Jahren erreicht haben, während Arbeitnehmer männlichen Geschlechts erst im Alter von 65 Jahren gekündigt werden dürfen. Die Regelung der DO.B bewirkt in Verbindung mit der Pensionsregelung, auf die von der DO.B verwiesen wird, dass Frauen ihren Arbeitsplatz um fünf Jahre früher verlieren können als Männer. Frauen werden damit aufgrund des Geschlechts bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „weniger günstig“ behandelt als Männer. Dass der Umstand, dass Frauen nach dem gegenständlichen Kollektivvertrag früher zwangspensioniert werden können als Männer, eine benachteiligende Diskriminierung ist, steht somit außer Zweifel (vgl Wachter, Altersdiskriminierung-Jahrbuch 2010, 89 [97, 102] ua). Da die Kriterien der Versetzung in den Ruhestand vom Geschlecht der Arbeitnehmer nicht zu trennen sind, liegt laut EuGH entgegen der Auffassung der Beklagten eine Ungleichbehandlung vor, die unmittelbar auf das Geschlecht gestützt ist (Vorabentscheidung Rn 30 f).

Der EuGH trat auch nicht den in der Vorabanfrage aufgeworfenen Bedenken bei, ob nicht allenfalls der Umstand, dass die Arbeitnehmer weiblichen Geschlechts bereits im Alter von 60 bis 65 Jahren über eine soziale Absicherung in Form der gesetzlichen Alterspension verfügen, der Situation dieser Arbeitnehmer im Vergleich zu der Situation von Arbeitnehmern männlichen Geschlechts derselben Altersgruppe, die nicht über eine solche Absicherung verfügen, einen besonderen Charakter verleihen könne, der letztlich zur Verneinung der Vergleichbarkeit der Situation führe. Der EuGH bekräftigte zunächst seine Rechtsprechung, dass die Vergleichbarkeit solcher Situationen unter anderem im Hinblick auf das Ziel der Regelung zu prüfen sei, die die Ungleichbehandlung festsetze (Vorabentscheidung Rn 34 mwN). Die hier zu beurteilende Regelung der DO.B lege die Bedingungen fest, unter denen die Arbeitnehmer ihre Beschäftigung verlieren können. Mit diesem Ziel stehe aber der Vorteil der weiblichen Arbeitnehmer, der darin bestehe, dass sie ihre Alterspension in einem Alter beanspruchen können, das fünf Jahre unter dem für männliche Arbeitnehmer festgelegten Alter liege, in keinem unmittelbaren Zusammenhang (Vorabentscheidung Rn 36 ff). Nach der Vorabentscheidung des EuGH ist daher von der Vergleichbarkeit der Situation von Frauen und Männern bei Versetzung in den Ruhestand durch die Beklagte auszugehen.

§ 3 Z 7 GlBG stellt in Umsetzung der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf die „Entlassungsbedingungen“ gemäß Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG darauf ab, ob jemand „bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ diskriminiert wird. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen den Willen eines Arbeitnehmers bzw einer Arbeitnehmerin ist bereits per se „eine weniger günstige Behandlung“ (iSd § 5 Abs 1 GlBG) als die Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses einer anderen Person. Auf Überlegungen zur Einkommenssituation der Klägerin vor und nach der Versetzung in den Ruhestand, zu ihren sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen und zum Einkommen ihres Ehegatten kommt es nicht an (vgl Wachter, Altersdiskriminierung-Jahrbuch 2010, 89 [101] ua). Der Anspruch auf bzw der Bezug von Alterspension ändert nichts an der Diskriminierung „bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ iSd § 3 Z 7 GlBG (bzw bei den „Entlassungsbedingungen“ iSd Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG ).

Aus dem Verweis der Beklagten darauf, dass die Republik Österreich gemäß der in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG (des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit) vorgesehenen Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung ein System einrichten wollte, das einen Unterschied in Bezug auf das gesetzliche Pensionsalter für Männer und Frauen vorsehe, um die gesellschaftliche, familiäre und ökonomische Benachteiligung der Frauen auszugleichen, ist im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Frage der geschlechtsdiskriminierenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nichts zu gewinnen. Der EuGH verwies in seiner Vorabentscheidung darauf, dass die in der vorgenannten Bestimmung enthaltene Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesichts der grundlegenden Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eng auszulegen sei und nur für die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Alters- oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen der sozialen Sicherheit gelten könne. Im vorliegenden Fall gehe es um eine „Entlassung“ im Sinne von Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG und nicht um die in Art 7 Abs 1 lit a der Richtlinie 79/7/EWG genannten Auswirkungen. Die Ausnahme gilt hier daher nicht (Vorabentscheidung Rn 40).

Wie Art 2 Abs 2 der Richtlinie 76/206/EWG sieht auch dessen nationale Umsetzung nur bei der mittelbaren Diskriminierung in § 5 Abs 2 GlBG vor, dass Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die eine mittelbare Diskriminierung darstellen können, der Einstufung als Diskriminierung entgehen können, wenn sie „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel … zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich [sind]“. Eine solche Möglichkeit ist hingegen für Ungleichbehandlungen, die eine unmittelbare Diskriminierung darstellen können, weder in der Richtlinie 76/207/EWG noch im GlBG vorgesehen (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 5 Rz 33 ff ua). Die - unter der unrichtigen Annahme, dass hier äußerstenfalls eine mittelbare Diskriminierung vorliegen könne, erstatteten - Ausführungen der Beklagten zur sachlichen Rechtfertigung (der mittelbaren Diskriminierung) können daher auf sich beruhen (vgl Wachter, Altersdiskriminierung-Jahrbuch 2010, 89 [101] ua). Sie ändern nichts am Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung nach § 5 Abs 1 GlBG. Die unmittelbare Diskriminierung der Klägerin bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses kann nicht durch das Ziel gerechtfertigt werden, die Beschäftigung jüngerer Menschen zu fördern (Vorabentscheidung Rn 43).

Zusammenfassend bewirkte somit die gegen den Willen der Klägerin erfolgte Versetzung in den Ruhestand eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. § 134 Abs 4 Z 1 DO.B hat daher bei der vorliegenden Konstellation unangewendet zu bleiben (vgl Wachter, Altersdiskriminierung-Jahrbuch 2010, 89 [103] ua). Was die Rechtsfolgen der gegenständlichen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis angeht, ist auf den Rechtsfolgenkatalog nach § 12 GlBG zu verweisen. Ist das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers bzw der Arbeitnehmerin gekündigt worden, dann kann die Kündigung gemäß § 12 Abs 7 GlBG bei Gericht angefochten werden. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin im vorliegenden Fall fristgerecht (§ 15 Abs 1a GlBG) Gebrauch gemacht.

Da die Klägerin bereits mit ihrer Kündigungsanfechtung wegen einer Geschlechtsdiskriminierung durchdringt, kommt es auf die subsidiären Überlegungen zu einer Anfechtung der Kündigung auch nach § 105 ArbVG wegen Sozialwidrigkeit bzw wegen des Vorliegens eines verpönten Motivs nicht an. Überlegungen, wonach die Kündigungsanfechtung allenfalls auch auf das Vorliegen einer Altersdiskriminierung gestützt werden könnte, können ebenfalls dahingestellt bleiben. Darauf wurde die Klage nicht gestützt.

Zusammenfassend ist der unbegründeten Revision der Beklagten ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens - einschließlich des als Zwischenstreit anzusehenden Verfahrens vor dem EuGH (1 Ob 332/97y; RIS-Justiz RS0109758 ua) - gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 2 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens ist gemäß Art 104 § 6 der Verfahrensordnung des EuGH Sache des nationalen Gerichts. Auch dabei sind die nationalen Kostenbestimmungen anzuwenden (17 Ob 7/10v ua). Mangels abweichender Regelung sind die Kosten der Beteiligung der Klägerin am Verfahren vor dem EuGH in Form einer schriftlichen Stellungnahme und der Intervention des Klagevertreters bei der mündlichen Verhandlung nach TP 3C RATG zu bestimmen (4 Ob 98/09d ua). Für eine Verdoppelung der Ansätze nach TP 3C RATG besteht hier allerdings keine Grundlage; im ergänzend gelegten Kostenverzeichnis wurde auch keine angeführt (1 Ob 190/97s ua). Vor dem EuGH besteht Anwaltszwang (Art 58 Verfahrensordnung des EuGH). Dass zuzüglich zur Intervention des Klagevertreters auch ein persönliches Erscheinen der Klägerin (samt den damit verbundenen Flug- und Übernachtungskosten) notwendig war, wurde im Kostenverzeichnis der Klägerin nicht dargetan (§ 42 iVm § 54 Abs 2 ZPO). Eine Beweisaufnahme durch persönliches Erscheinen der Klägerin vor dem EuGH (Art 45 § 2 lit a Verfahrensordnung des EuGH) wurde nicht geltend gemacht. Derartiges kann auch nicht den in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem EuGH angekündigten pensionsrechtlichen Erörterungen entnommen werden.

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