OGH 3Ob248/10g

OGH3Ob248/10g23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 3. November 2010, GZ 1 R 244/10i-34, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 9. Juni 2010, GZ 5 C 315/09y-28, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der nunmehrige Oppositionsbeklagte C***** hatte im Jahr 2005 bei der nunmehrigen Oppositionsklägerin, der A***** GmbH, einen gebrauchten Pkw Porsche Carrera 4 gekauft. Mit rechtskräftigem Urteil vom 10. Mai 2007, AZ 19 Cg 136/06a, hat das Landesgericht Leoben infolge erfolgreicher Irrtumsanfechtung (im Hinblick auf die fehlende Vorschadensfreiheit des Fahrzeugs) die nunmehrige Oppositionsklägerin schuldig erkannt, an C***** Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw einen Betrag von 71.320 EUR sA zu bezahlen.

Mit Beschluss vom 14. 8. 2008 wurde C***** als betreibendem Gläubiger gegen die nunmehrige Oppositionsklägerin zur Hereinbringung der Forderung von 71.320 EUR die Fahrnisexekution bewilligt und mit Beschluss vom 12. Juni 2009 die Forderungsexekution.

Am 28. April 2009 stellte C***** den Pkw an die klagende Partei zurück.

Mit der am 20. Juli 2009 eingebrachten Oppositionsklage begehrt die Oppositionsklägerin den Ausspruch, dass der Anspruch des Oppositionsbeklagten aus dem Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. Mai 2007, AZ 19 Cg 136/06a, hinsichtlich eines Betrags von 46.720 EUR erloschen sei. Der Zustand des zurückzustellenden Fahrzeugs habe sich nach Schluss der Verhandlung im Titelverfahren (12. März 2007) derart verschlechtert, dass sich der Fahrzeugwert von 71.320 EUR auf 24.600 EUR reduziert habe. Die Oppositionsklägerin habe demnach einen Wertersatzanspruch gegen den Oppositionsbeklagten von 46.720 EUR.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Anspruch des Beklagten aus dem Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. Mai 2007 hinsichtlich eines Teilbetrags von 27.399 EUR erloschen sei und wies das Mehrbegehren ab. Es traf unter anderem folgende Feststellungen:

Aufgrund diverser Schäden und Mängel, die das Fahrzeug bei der Übergabe noch nicht gehabt hatte, betrug der Fahrzeugwert bei der Rückgabe am 28. April 2009 nur mehr 43.921 EUR. C***** hatte vor dem 28. April 2009 nicht versucht, den Pkw zurückzugeben.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht zugrunde, dass der Oppositionsbeklagte ab Einbringung der Klage zu AZ 19 Cg 136/06a des Landesgerichts Leoben damit rechnen habe müssen, dass er den Pkw zurückstellen müsse. Da das Fahrzeug bei der Rückgabe nur mehr einen Wert von 43.921 EUR gehabt habe, sei auszusprechen gewesen, dass der Anspruch des Oppositionsbeklagten aus dem Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. Mai 2007 hinsichtlich eines Teilbetrags von 27.399 EUR (71.320 EUR abzüglich 43.921 EUR) erloschen sei.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das gesamte Klagebegehren abwies. Die Oppositionsklägerin habe in einem im erstinstanzlichen Verfahren am 27. April 2010 eingebrachten Schriftsatz (Seite 3 in ON 22) vorgebracht, dass sie die Rücknahme des Pkw bisher berechtigt verweigert habe, weil ihr der Beklagte aufgrund einer Leasingfinanzierung kein Eigentum am Fahrzeug verschaffen habe können. Dieses Geständnis wäre vom Erstgericht ungeprüft zu übernehmen gewesen. Da die klagende Partei kein Vorbringen dahingehend erstattet habe, dass die Mitwirkung der finanzierenden Bank endgültig verweigert werde, habe sie kein Recht, die Rücknahme abzulehnen und könne auch die Fälligkeit ihrer eigenen Verpflichtung aus dem Titel nicht hinausschieben, weshalb sie selbst unredlich sei. Damit sei aber ihrem auf Wertersatz gerichteten Begehren der Boden entzogen und es sei nicht mehr maßgeblich, ob der Beklagte redlich oder unredlich sei. Der Rechtsansicht der Oppositionsklägerin sei entgegenzuhalten, dass sie mit der Verweigerung der Rücknahme in Annahmeverzug geraten sei; damit würden die widrigen Folgen auf sie fallen und ein auf § 335 ABGB gestützter Anspruch gegen den Beklagten, der sich eben nicht als Eigentümer gebärdet habe, bestehe nicht mehr. Auch ein Schadenersatzanspruch der Oppositionsklägerin scheide aus, weil ein solcher Anspruch zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Oppositionsbeklagten verlange, das aber nicht einmal behauptet worden sei.

Auf die in den Berufungen enthaltenen Mängel- und Tatsachenrügen ging das Berufungsgericht zwar ein; zusammenfassend wies es aber darauf hin, dass es darauf im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung nicht ankomme.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine erheblichen Rechtsfragen (§ 502 Abs 1 ZPO) zu lösen seien.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im gänzlich klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, (sinngemäß) die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht darauf, dass die klagende Partei im erstinstanzlichen Verfahren zugestanden hat, die Rücknahme des Fahrzeugs verweigert zu haben. Das Erstgericht hat zwar nicht explizit eine gegenteilige Feststellung getroffen; es geht aber in seiner Entscheidung erkennbar davon aus, dass es eine solche Weigerung der klagenden Partei nicht gegeben hat, hat doch der Beklagte nach den Feststellungen nie versucht, den Pkw zurückzustellen.

2. Den Umstand, dass das Erstgericht ein (mögliches) Tatsachengeständnis der klagenden Partei in Bezug auf die Verweigerung der Rücknahme des Fahrzeugs zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, hat der Beklagte in seiner Berufung nicht gerügt; er hat im Gegenteil seinen Standpunkt aufrecht erhalten, nicht zur Vorleistung durch Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet gewesen zu sein. Ob in einem Abweichen des Erstgerichts in seinen Feststellungen von einem Tatsachengeständnis, ein relevanter Verfahrensmangel zu erblicken ist (verneinend: RIS-Justiz RS0039949) kann dahingestellt bleiben. Einen allfälligen Verstoß gegen § 266 Abs 1 ZPO durfte das Berufungsgericht jedenfalls nur im Fall einer ausdrücklichen Rüge in der Berufung aufgreifen (RIS-Justiz RS0040118). Fehlt es - wie hier - an einer solchen Rüge, muss das Berufungsgericht bei der materiellrechtlichen Beurteilung der Sache von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts ausgehen, und zwar auch insoweit, als ihnen von einer Partei zugestandene Tatsachen entgegenstehen (5 Ob 683/82, MietSlg 34.759; 8 ObA 353/97p, MietSlg 50.738 mwN).

3. Da das Berufungsgericht diesem Gesichtspunkt nicht Rechnung getragen hat, sondern ohne Beweiswiederholung oder -ergänzung ergänzende Feststellungen getroffen hat, ist das Berufungsurteil als mangelhaft aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen, bei der es das (mögliche) Tatsachengeständnis nicht zu berücksichtigen und deshalb inhaltlich auf das Berufungsvorbringen einzugehen hat.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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