OGH 3Ob15/11v

OGH3Ob15/11v23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** H*****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. D***** N*****, 2. Dr. A***** N*****, 3. M***** N*****, 4. S***** N*****, sämtliche vertreten durch Nemetz & Nemetz Rechtsanwalts KEG in Wien, wegen 1.293.822,28 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2010, GZ 14 R 170/10p-17, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. Juli 2010, GZ 5 Cg 94/09v-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Auslegung von Verträgen wirft - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0044358). Dies gilt selbstverständlich auch für die Auslegung eines Erbverzichtsvertrags (8 Ob 113/07m).

Auf die Auslegung einer Erbverzichtserklärung finden die Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB Anwendung (RIS-Justiz RS0013023). Diesem Grundsatz ist das Berufungsgericht gefolgt. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung widerspricht die Auslegung des Berufungsgerichts der Regel des § 914 ABGB, wonach bei Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, nicht. Eine Vereinbarung so auszulegen, dass sie nicht von vornherein keinen Sinn macht, entspricht der Übung des redlichen Verkehrs. Wird bei Erklärung eines Erbverzichts ungeachtet des beiden Parteien bekannten Umstands, dass nach der zum Zeitpunkt der Erklärung gültigen Rechtslage kein gesetzliches Erbrecht des Verzichtenden besteht, auf ein „allenfalls zustehendes gesetzliches Erbrecht“ verzichtet, wird eindeutig auf eine mögliche künftige Änderung der Rechtslage Bezug genommen. Es bestehen daher keine Zweifel über den für die Vertragsauslegung maßgeblichen objektiven Erklärungswert, weshalb für die Anwendung der Zweifelsregel des § 915 ABGB kein Raum bleibt. Wer auf das Erbrecht Verzicht geleistet hat, hat nach § 767 Abs 1 ABGB auch keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Für die ausnahmsweise Vereinbarung des Gegenteils (vgl Welser in Rummel³, § 551 Rz 9 mwN; Apathy in KBB³, § 551 Rz 1) enthält die Verzichtsvereinbarung keinen Anhaltspunkt.

Da die Vorinstanzen die tatsächlichen Voraussetzungen für eine sittenwidrige Ausbeutung für die Klägerin nachteiliger Umstände iSd § 879 Abs 2 Z 4 ABGB (Leichtsinn, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung) nicht festzustellen vermochten, muss die Berufung auf diese Anspruchsgrundlage von vornherein scheitern.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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