OGH 6Ob257/10b

OGH6Ob257/10b28.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GesmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in Altenmarkt, gegen die beklagte Partei O***** H*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Utho Hosp und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 5.248,30 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. November 2008, GZ 53 R 340/08v-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 14. Juli 2008, GZ 5 C 445/08m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt das Hotel A***** in A***** in Österreich. Sie hat dafür im Internet eine Homepage unter der Adresse „http://www.a *****.net“ eingerichtet, die auch in Deutschland abrufbar ist. Dort werden Informationen über das Angebot der Klägerin zur Verfügung gestellt, zu denen auch eine Beschreibung der verschiedenen Zimmerkategorien samt Preisen gehört. Der Beklagte, dessen Verbrauchereigenschaft unstrittig ist und der in Deutschland lebt, nahm im Hotel A***** eine Zimmerreservierung für mehrere Personen für die Zeit vom 29. 12. 2007 bis 5. 1. 2008 vor. Die Zimmeranfrage durch den Beklagten, das Anbot durch die Klägerin und dessen Annahme durch den Beklagten durch Retournierung der unterfertigten Reservierungsbestätigung erfolgten per E-Mail, wobei zwischen den Parteien nicht strittig ist, dass auf der Homepage der Klägerin auch die E-Mail-Adresse angegeben war.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung von 5.248,30 EUR für in Anspruch genommene Hotelleistungen. Der Beklagte habe diese bemängelt und sei trotz eines angebotenen Nachlasses abgereist; eine Anzahlung von 900 EUR sei berücksichtigt worden. Die Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichts St. Johann im Pongau begründet die Klägerin mit Art 5 Nr 1 EuGVVO.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage mangels internationaler Zuständigkeit übereinstimmend zurück. Unter dem Begriff der „Ausrichtung“ der Tätigkeit des Unternehmers in Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO werde nicht nur das Betreiben einer (auch) im Wohnsitzstaat des Verbrauchers zugänglichen „aktiven“ Website verstanden, über welche Bestellungen auf elektronischem (interaktivem) Weg vorgenommen werden können. Auch eine Werbung im Internet erfülle aufgrund ihrer grenzüberschreitenden Ausrichtung diese Voraussetzungen; diese Ausrichtung könne nur durch eine ausdrückliche Erklärung in Bezug auf einen geschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern aus einem bestimmten Staat ausgeschlossen werden. Ebenso sei eine „Ausrichtung“ in diesem Sinne gegeben, wenn der Verbraucher auf den Unternehmer über eine Website aufmerksam wird und der Buchungsvorgang sodann über die dort genannte E-Mail-Adresse erfolgt. Eine Differenzierung dahin, ob die Buchung unmittelbar über eine „aktive“ Website erfolgt oder im Weg einer dort bekanntgegebenen E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, erscheine nicht geboten, wäre sie doch mit dem Zweck des Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO nicht vereinbar. Der Beklagte habe die Reservierung unter Verwendung jener E-Mail-Adresse vorgenommen, die auf der Homepage der Klägerin genannt worden sei. Da er Verbraucher sei, könne er nur an seinem Wohnsitz in Deutschland geklagt werden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Anwendbarkeit des Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO bei einer (nur) „passiven" Website und einer nachfolgenden Buchungsabwicklung durch einen Verbraucher.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof legte mit Beschluss vom 26. 3. 2009 (6 Ob 24/09m) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: Reicht für das „Ausrichten“ der Tätigkeit im Sinne von Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO (VO 44/2001 - „Brüssel I“) aus, dass eine Website des Vertragspartners des Verbrauchers im Internet abrufbar ist?

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 7. 12. 2010, C-585/08 , die vom Obersten Gerichtshof gestellte Frage wie folgt beantwortet:

„Für die Feststellung, ob ein Gewerbetreibender, dessen Tätigkeit auf seiner Website oder der eines Vermittlers präsentiert wird, als ein Gewerbetreibender angesehen werden kann, der seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, im Sinne von Art 15 Abs 1 Buchstabe c der Verordnung Nr 44/2001 „ausrichtet“, ist zu prüfen, ob vor einem möglichen Vertragsschluss mit dem Verbraucher aus diesen Websites und der gesamten Tätigkeit des Gewerbetreibenden hervorgeht, dass dieser mit Verbrauchern, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten, darunter dem Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers, wohnhaft sind, in dem Sinne Geschäfte zu tätigen beabsichtigte, dass er zu einem Vertragsschluss mit ihnen bereit war.

Die folgenden Gesichtspunkte, deren Aufzählung nicht erschöpfend ist, sind geeignet, Anhaltspunkte zu bilden, die die Feststellung erlauben, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist, nämlich der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern und internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domänenamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt. Es ist Sache des nationalen Richters zu prüfen, ob diese Anhaltspunkte vorliegen.

Hingegen ist die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, nicht ausreichend. Das Gleiche gilt für die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache und/oder Währung sind.“

2. Da den Parteien und den Vorinstanzen diese maßgebliche, auf konkrete Sachverhaltselemente abstellende Auslegung des Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO nicht bekannt sein konnte, erweisen sich die bislang getroffenen Feststellungen als nicht ausreichend, um die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts einer endgültigen Beurteilung unterziehen zu können. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und sodann im Rahmen deren Vorbringens Feststellungen zu den vom Europäischen Gerichtshof aufgezeigten „Gesichtspunkten“ zu treffen haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Stichworte