Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf F***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1) und des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 207 Abs 1, 15 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er in G*****
(1) am 7. Juni 2009 Elke R***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er sie zu Boden stieß, etwa fünf Mal mit dem Fuß in Richtung ihres Gesichts trat und ihr schließlich mit der Faust ins Gesicht schlug, wodurch sie Hämatome und Schwellungen im Augenbereich erlitt;
(2) in der Nacht vom 20. auf den 21. August 2009 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen und vorzunehmen versucht, indem er die Brüste und Oberschenkel der am 9. Dezember 1995 geborenen Ines R***** streichelte und massierte und versuchte, sie im Genitalbereich zu betasten.
Rechtliche Beurteilung
Die ausschließlich gegen den Schuldspruch 2 gerichtete, aus den Gründen der Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der - eine Verletzung des § 250 Abs 1 zweiter Satz StPO behauptenden - Verfahrensrüge (Z 3) wurde dem Angeklagten die Aussage der in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugin Elke R***** nach dem ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokoll nicht nur unmittelbar nach seiner Wiedereinführung in den Verhandlungssaal durch zusammengefassten Vorhalt, sondern auch eingangs der am 18. Juni 2010 fortgesetzten Hauptverhandlung durch zusammenfassende Darstellung der bisherigen Verfahrensergebnisse zur Kentnis gebracht (ON 24 S 12, ON 28 S 2). Welche Information dabei unterblieben sei, ist der Rüge, die sich in dem Einwand erschöpft, die Mitteilung sei „nicht bzw nur mangelhaft“ sowie „nicht ausreichend“ erfolgt, nicht zu entnehmen, womit sie den gesetzlichen Anfechtungserfordernissen des § 285a Z 2 StPO nicht entspricht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 249; RIS-Justiz RS0110266).
Mit dem pauschalen Einwand unzureichender Begründung der Urteilsannahmen, „zumal den verschiedenen Zeugenaussagen nicht die gleiche Bedeutung geschenkt wurde“, wird ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 nicht deutlich und bestimmt dargelegt, weil daraus weder hervorgeht, welche konkrete Feststellungen entscheidender Tatsachen kritisiert werden, noch worin der Mangel bestehen soll.
Nominell aus Z 5, der Sache nach aus Z 9 lit a moniert die Beschwerde unterlassene Konstatierung des genauen Zeitpunkts des sexuellen Missbrauchs, lässt dabei aber offen, warum über die hiezu getroffenen Feststellungen (in der Nacht vom 20. auf den 21. August 2009 [US 2, 4 f]) hinaus eine nähere Konkretisierung des - im Regelfall keine entscheidende Tatsache betreffenden (RIS-Justiz RS0098557) - Tatzeitpunkts hier für die Lösung der Schuldfrage oder die Subsumtion einer begangenen Tat unter den angewendeten Strafsatz erforderlich gewesen wäre. Mangelnde Individualisierung (Z 3) wird - zu Recht - nicht gerügt.
Die Divergenzen in den Aussagen der Belastungszeugin Ines R***** blieben - der Beschwerdeauffassung zuwider - nicht unberücksichtigt. Die Tatrichter haben vielmehr ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie dennoch von deren Glaubwürdigkeit ausgingen (US 8 f), und waren dabei - dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten, sich mit sämtlichen - im Übrigen keine entscheidenden Tatsachen betreffenden - Aussagedetails (wie etwa der Frage, ob der Angeklagte ihr die Boxershorts zur Gänze auszog oder versuchte, sie darunter im Genitalbereich zu betasten sowie ihrem Eingeständnis, dass sie alle neuen Freunde ihrer Mutter „nicht möge“) auseinanderzusetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).
Mit dem Hinweis auf - zudem isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen zitierte - Passagen der Angaben der Kindesmutter Elke R***** gegenüber der jugendpsychologischen Sachverständigen Mag. Dr. E***** (wonach der Beschwerdeführer keinerlei pädophile Neigungen zeigte und sich nicht für jüngere, sehr schlanke Mädchen interessierte) und des Zeugen Alex H***** (wonach ihm Ines R***** zwar unmittelbar nach dem Vorfall davon erzählte, dabei aber nicht explizit angab, dass der Angeklagte sie „betatscht oder so habe“) zeigt die Rüge keine die Glaubwürdigkeit der Zeugin ernsthaft in Frage stellenden und solcherart erörterungsbedürftigen Umstände auf, weshalb der Vorwurf unvollständiger Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall) auch insoweit versagt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erlaubt eine Bekämpfung der Beweiswürdigung nur insoweit, als sie völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen) aufzuzeigen in der Lage ist (RIS-Justiz RS0118780). Zudem bedarf es zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung des in Rede stehenden Nichtigkeitsgrundes der genauen Angabe der Fundstelle der nach Ansicht des Beschwerdeführers erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen auslösenden Verfahrensergebnisse (RIS-Justiz RS0124172).
Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Rüge, indem sie - überwiegend ohne Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487) und weitgehend ohne Nennung der Fundstelle in den Akten - die Beweiswürdigung des Erstgerichts unter Hinweis auf die nach dem Beschwerdestandpunkt glaubwürdige und nachvollziehbare, nach der Überzeugung der Tatrichter aber widerlegte (US 8) Aussage des Angeklagten als „nicht überzeugend“ erachtet, die Annahme, er habe die ihm vorgeworfene Tat trotz unversperrter Wohnungstüre und drohender Rückkehr der Kindesmutter begangen, ebenso als „außerhalb jeder Lebenserfahrung“ liegend bezeichnet wie das Verhalten der Ines R*****, welche nach dem Vorfall nicht ihre Mutter, sondern ihren Freund Alex H***** und danach sogar Rudolf F***** anrief. Gleiches gilt für das weitere Vorbringen, mit dem der Beschwerdeführer aus den schon in der Mängelrüge angesprochenen angeblichen Widersprüchen in den Aussagen des Tatopfers, aus dessen Schwierigkeiten, den sexuellen Übergriff zeitlich einzuordnen, sowie aus den bereits im Rahmen der auf Z 5 gestützten Ausführungen hervorgehobenen - keine erheblichen Tatsachen betreffenden - Passagen der Angaben der Zeugen Elke R***** und Alex H***** andere - für ihn günstigere - Schlüsse zieht als das erkennende Gericht. Insgesamt stellt die Beschwerde nämlich den umfassenden tatrichterlichen Erwägungen zu sämtlichen erheblichen Verfahrensergebnissen (US 7 ff) bloß eigene Hypothesen entgegen und bekämpft damit unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Indem die Rüge die - wie erwähnt - von den Tatrichtern bejahte Glaubwürdigkeit der Zeugin Ines R***** (US 8 f) mit spekulativen Vermutungen über deren Aussagemotiv (Abneigung gegen sämtliche Lebensgefährten ihrer Mutter, Verachtung deren häufiger Alkoholisierung während der Beziehung zum Angeklagten, Neid- und Hassgefühle gegen den jüngeren Bruder und das Bestreben, durch die Behauptung sexuellen Missbrauchs die Aufmerksamkeit der Kindesmutter zu erlangen und im Mittelpunkt zu stehen) in Zweifel zu ziehen trachtet, verkennt sie, dass diese einer Anfechtung aus dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649).
Soweit sie - neuerlich ohne Angabe der Fundstelle in den Akten - auf Basis eigener Beweiswürdigung der Aussagen der Zeugin Ines R***** (ON 2 S 21 ff, aber auch ON 10 S 8) und der Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung deren Mobiltelefons (ON 11) die These aufstellt, der sexuelle Missbrauch habe etwa dreißig bis vierzig Minuten gedauert und das Tatopfer habe während des in Frage kommenden Tatzeitraums „durchgehend Telefongespräche geführt“, und daraus ableitet, es ergäbe sich „einfach keine Zeitspanne …, in der das Verbrechen ausgeführt hätte werden können“, orientiert sich die Tatsachenrüge ein weiteres Mal nicht an den dargestellten Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) schließlich wird ein aus Z 5a beachtlicher Fehler nicht behauptet (RIS-Justiz RS0102162).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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