OGH 14Os155/10s

OGH14Os155/10s28.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer in der Strafsache gegen Bathir J***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 erster, dritter und vierter Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 27. August 2010, GZ 39 Hv 40/10v-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I/A/4/b und III, weiters in der zu I gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 „erster“, dritter und vierter Fall, 15 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der A***** aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bathir J***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 „erster“, dritter und vierter Fall, 15 StGB (I) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er im einverständlichen Zusammenwirken mit unbekannt gebliebenen Mittätern

(I) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, anderen Wertgegenstände und Bargeld in teilweise jeweils 3.000 Euro übersteigendem Wert von insgesamt rund 50.535 Euro durch Einbruch in Gebäude und sonstige abgeschlossene Räume, durch Aufbrechen von Behältnissen und Öffnen von Behältnissen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel

A) weggenommen, und zwar

1) am 26. Oktober 2008 in T***** Verfügungsberechtigten des R***** 61 Motorsägen, 5 Motorsensen, einen Laptop und diverses Zubehör im Wert von etwa 42.000 Euro,

...

3) am 30. Dezember 2008 in S***** dem Albert R***** Schmuck, Bargeld, einen Fotoapparat, einen Laptop, einen MP3-Player und eine Herrenarmbanduhr im Gesamtwert von etwa 7.500 Euro,

4) in Mistelbach

a) am 29. März 2009 Verfügungsberechtigten der N***** AG 255,69 Euro Bargeld und

b) zwischen 30. und 31. Juli 2009 Verfügungsberechtigten der A***** (aa) und des Ö***** (bb) Bargeld, Briefmarken und diverses Büromaterial im Gesamtwert von etwa 780 Euro,

B) wegzunehmen versucht, und zwar am 19. April 2009 in Mistelbach Verfügungsberechtigten des Unternehmens H***** Bargeld und Wertgegenstände;

(III) zwischen 30. und 31. Juli 2009 in Mistelbach eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich ein durch Losungswort gesichertes Sparbuch des Ö*****, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass dieses im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Da das Erstgericht die insoweit leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers zu den Schuldsprüchen I/A/3, I/A/4/a und I/B - mängelfrei begründet (US 12) - insgesamt als unglaubwürdig verworfen hat, war es unter dem Aspekt der geltend gemachten Unvollständigkeit (nominell Z 5 und 5a, der Sache nach nur Z 5 zweiter Fall) nicht verhalten, sich mit - in der Beschwerde ohne Angabe der Fundstelle in den Akten zitierten (vgl RIS-Justiz RS0124172) - Details seiner Aussage beweiswürdigend auseinanderzusetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Dass am Tatort zum Schuldspruch I/B neben dem dem Angeklagten zugeordneten ein weiterer von einer anderen Person stammender Fingerabdruck sichergestellt wurde, wurde ohnehin berücksichtigt (US 11). Indem die Rüge - gestützt auf Z 5 und Z 5a - aus den im Urteil vollständig gewürdigten Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Zudem bedarf es zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5a (ebenso wie bei der Mängelrüge) der - hier nicht vorliegenden - genauen Angabe der Fundstelle der nach Ansicht des Beschwerdeführers erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen auslösenden Verfahrensergebnisse (vgl erneut RIS-Justiz RS0124172 [dort vor allem T3]).

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zutreffend zeigt jedoch die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zum Schuldspruch I/A/4/b (Einbruch zum Nachteil des Ö***** und der A*****) auf. Die diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter erschöpfen sich nämlich zum objektiven Sachverhalt im Hinweis auf die für glaubwürdig erachtete Aussage der Zeugin P*****, die jedoch keinerlei Wahrnehmungen zum eigentlichen Tatgeschehen machen, sondern bloß über eine - nicht am Tattag stattgefundene - Begegnung mit dem Angeklagten „im Juli 2009“ (US 8; vgl auch ON 23 S 5: „am 28. Juli 2009“ sowie ON 41aa S 16: „in der Woche davor“) berichten konnte, als dieser sich „auf für sie verdächtige Weise“ zu den Geschäftszeiten in den Geschäftsräumlichkeiten der Geschädigten aufhielt, sowie in Erwägungen dazu, dass die Verantwortung des Beschwerdeführers (wonach er sich an einen Besuch der A***** nicht erinnere, die Zeugin P***** aber jedenfalls nicht kenne), schon deshalb unglaubwürdig sei, weil dieser als in Österreich mehrfach vorbestrafter, in Tschechien wohnhafter und nach eigenen Angaben der deutschen Sprache nicht mächtiger serbischer Staatsangehöriger „kaum einen nachvollziehbaren Grund haben wird, sich in Mistelbach vom Ö***** oder der A***** in arbeitsrechtlichen oder sonstigen Fragen beraten zu lassen“ (US 11 f). Ungeachtet des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) ist jedoch allein aus diesen Verfahrensergebnissen die Ableitung der Täterschaft des Angeklagten nicht vertretbar und somit unzureichend begründet im Sinn der Z 5 vierter Fall.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass war daher das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, bei nichtöffentlicher Beratung im Schuldspruch zu I/A/4/b, sowie - wegen des engen beweismäßigen Zusammenhangs zwischen dem diesem Schuldspruch zugrunde liegenden Einbruch und der in Tateinheit begangenen Urkundenunterdrückung - auch im Schuldspruch III (§ 289 StPO; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 3; RIS-Justiz RS0100072), weiters in der zu I gebildeten Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) und demnach auch im Strafausspruch und im Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der A***** aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Wiener Neustadt zu verweisen (§ 285e StPO).

Die nach § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit wird im zweiten Rechtsgang - bei mängelfreier Begründung der Feststellungen zu dem zwischen 30. und 31. Juli 2009 begangenen Einbruch zum Nachteil der A***** und des Ö***** auch unter Einbeziehung der bisher im Schuldspruch I/A/4/b inkriminierten Taten - wieder herzustellen sein. Dabei wird zu beachten sein, dass die Unterstellung der dem Angeklagten bisher zur Last gelegten fünf Einbruchsdiebstähle auch unter § 130 erster Fall StGB jedenfalls verfehlt war, weil insoweit Spezialität zu den ideal konkurrierend angenommenen Qualifikationen nach § 130 dritter und vierter Fall StGB vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0113904; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 652).

Das weitere gegen die von der Aufhebung umfassten Schuldsprüche gerichtete Vorbringen bedurfte keiner Erörterung.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Die - die amtswegige Maßnahme nicht erfassende (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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