OGH 3Nc32/10a

OGH3Nc32/10a17.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D***** Versicherung AG *****, und 2. H***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 899,45 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Parteien den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache wird anstelle des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien das Bezirksgericht Feldkirchen bestimmt.

Text

Begründung

Mit der beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebrachten Klage begehrt die in Wien ansässige Aktiengesellschaft von den beklagten Parteien Schadenersatz in Höhe von 899,45 EUR sA. Ein Mitarbeiter der (im Sprengel des Bezirksgerichts Feldkirchen ansässigen) zweitbeklagten Partei habe als Lenker eines bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten Lkw eine im Eigentum der klagenden Partei stehende Oberleitungsanlage im Bereich des Bahnhofs Feldkirchen beschädigt; ein Mitarbeiter der klagenden Partei, „Herr K*****“, habe den Vorfall beobachtet und Fotos angefertigt. Der Gerichtsstand richte sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand der erstbeklagten Versicherungsgesellschaft, die ihren Firmensitz in Wien 1 habe. Zum Beweis für ihr Vorbringen stützte sich die klagende Partei - neben Urkunden - auf folgende sechs Zeugen: „W***** K*****, p.A. klagende Partei; F***** E*****, p.A. der klagenden Partei; M***** J*****, p.A. der klagenden Partei; E***** F*****, Fahrdienstleiter, p.A. der klagenden Partei; F***** K*****, Verschubleiter, p.A. der klagenden Partei; M***** P*****, p.A. ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG, 9500 Villach“.

In ihrem Einspruch gegen den Zahlungsbefehl vom 28. September 2010 regten die beklagten Parteien eine Delegierung an das Bezirksgericht Feldkirchen an. Es sei ein Ortsaugenschein unter Beiziehung eines Sachverständigen am Bahnhof Feldkirchen durchzuführen; außerdem sei davon auszugehen, dass die in der Klage geführten Zeugen ihre ladungsfähige Anschrift im Sprengel des Landesgerichts Klagenfurt hätten. Zum Beweis für ihr Bestreitungsvorbringen beriefen sich die beklagten Parteien auf die „zeugenschaftliche Vernehmung des Lenkers, dessen ladungsfähige Adresse noch bekannt gegeben“ werde.

Die klagende Partei sprach sich gegen eine Delegierung aus. Für ein allfälliges Sachverständigengutachten sei eine Besichtigung vor Ort nicht zwingend erforderlich, falls die beklagten Parteien ihre „nicht nachvollziehbare Bestreitung des Vorfalls und des Schadens nicht aufrechterhalten“. Bei den beantragten Zeugen handle es sich überwiegend um mobiles Reparaturpersonal, das den Wohnsitz nicht zwingend in Kärnten haben müsse. Dies gelte auch für den Fahrdienstleiter und den Verschubleiter.

Die beklagten Parteien formulierten in der Folge ihre Delegierungsanregung in einen Delegierungsantrag um.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte den Akt gemäß § 31 JN dem Obersten Gerichtshof vor und sprach sich gegen eine Delegierung aus. Zwar habe sich der Unfall im Sprengel des Bezirksgerichts Feldkirchen ereignet, doch sei die Ladung aller sechs beantragten Zeugen per Anschrift der klagenden Partei möglich. Vom einzigen von den beklagten Parteien beantragten Zeugen sei nicht einmal eine ladefähige Anschrift bekannt gegeben worden. Außerdem hätten die beklagten Parteien bisher noch keinen Lokalaugenschein beantragt. Für eine Durchführung der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Feldkirchen spreche allein der Umstand, dass sich der Unfall im Sprengel dieses Gerichts ereignet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

Eine Delegierung nach § 31 JN kommt nur in Betracht, wenn klare und überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe dafür sprechen (Ballon in Fasching² I § 31 JN Rz 6). Kann die Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zu Gunsten aller Parteien beantwortet werden und widerspricht eine der Parteien der Delegierung, so ist der widersprechenden Partei in der Regel der Vorzug zu geben. Eine Delegierung an ein anderes Gericht soll nämlich grundsätzlich die Ausnahme bilden. Eine großzügige Anwendung der Delegierungsbestimmungen würde sonst im Ergebnis zu einer unvertretbaren Lockerung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS-Justiz RS0046324; RS0046441; RS0046589). Die Zweckmäßigkeit ist nach den Gesichtspunkten der Verfahrensbeschleunigung, Kostenverringerung und Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu beurteilen (RIS-Justiz RS0046333).

Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung der Rechtssache beitragen kann (RIS-Justiz RS0053169 [T1]). Sie soll zwar - wie bereits ausgeführt - nur den Ausnahmefall darstellen. Hier erscheint eine Delegierung an das Bezirksgericht Feldkirchen aber schon in Anbetracht des Umstands sinnvoll, dass voraussichtlich von Amts wegen ein Ortsaugenschein, zweckmäßigerweise in Anwesenheit von zumindest einigen der beantragten sieben Zeugen, anzuberaumen sein wird. Der Sitz der erstbeklagten Versicherungsgesellschaft in Wien ist im Übrigen kein Anknüpfungspunkt, dem in Bezug auf die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung im konkreten Fall ein besonders hoher Wert zukommt.

Dem Delegierungsantrag ist daher trotz des Widerspruchs der klagenden Partei stattzugeben.

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