OGH 17Ob18/10m

OGH17Ob18/10m16.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friederika Gaida,Wien 9, Pyrkergasse 37/34, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Mag. W***** D*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G***** GmbH (FN 251874d),Linz, Hauptstraße 55, wegen Feststellung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 18. August 2010, GZ 2 R 50/10a‑9, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. Dezember 2009, GZ 4 Cg 207/09t‑5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0170OB00018.10M.1216.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Der Beklagte ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Diese Gesellschaft hatte der Klägerin in einem am 29. Jänner 2005 schriftlich geschlossenen „Lizenzvertrag“ das Recht eingeräumt, zwei (angebliche) Gemeinschaftsmarken in drei Wiener Stadtbezirken sowie in „Klosterneuburg und Katastralgemeinden“ exklusiv zu nutzen. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 20. Februar 2005 hatten die Vertragspartner das Nutzungsrecht der Klägerin auf die drei Wiener Stadtbezirke beschränkt.

Am 15. Mai 2009 wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Der Beklagte trat am 13. Juli 2009 nach § 21 KO vom Vertrag zurück.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie berechtigt sei, die genannten Marken „exklusiv, jedoch beschränkt auf die Wiener Gemeindebezirke 19., 20., 21. und auf Klosterneuburg samt Katastralgemeinden“ zu nutzen. Der „Lizenzvertrag“ sei ohne juristische Beratung von der Geschäftsführerin der späteren Gemeinschuldnerin verfasst worden. Tatsächlich hätten die Parteien eine endgültige Übertragung der Markenrechte gewollt; zusätzlich zu den schriftlichen Verträgen habe es noch mündliche Absprachen gegeben. Die Klägerin habe den Kaufpreis für die Übertragung der Markenrechte gezahlt, die Übertragung selbst sei durch Zession erfolgt. Beide Seiten hätten den Vertrag daher bereits vor Konkurseröffnung vollständig erfüllt. Der Rücktritt des Masseverwalters sei aus diesem Grund unwirksam. Die im Vertrag vorgesehenen „Lizenzgebühren“ hätten der Abgeltung weiterer Leistungen der späteren Gemeinschuldnerin gedient.

Der Beklagte bestreitet, dass es zu einer vertraglichen Übertragung der Marken gekommen sei. Vielmehr hätten die Parteien tatsächlich nur einen Lizenzvertrag geschlossen; die Lizenzgebühr habe sich auch auf die Nutzung der Marken bezogen. Der Vertrag habe ein Dauerschuldverhältnis begründet und sei daher im Zeitpunkt der Konkurseröffnung weder von der Klägerin noch von der Gemeinschuldnerin vollständig erfüllt gewesen. Daher habe der Beklagte nach § 21 KO davon zurücktreten können.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte, teilweise durch Verweis auf Urkunden, den Inhalt der schriftlichen Vereinbarungen fest; Beweise zu einem davon abweichenden Willen der Vertragspartner oder zu mündlichen Vereinbarungen nahm es nicht auf. Rechtlich ging es vom Vorliegen eines Lizenzvertrags aus. Dabei handle es sich um ein Dauerschuldverhältnis, auf das § 21 KO anzuwenden sei. Der Rücktritt des Beklagten sei daher wirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Sowohl bei österreichischen als auch bei Gemeinschaftsmarken gelte das Registerprinzip. Zum Rechtsübergang bedürfe es daher eines in Schriftform vorliegenden Titels und der Eintragung des Erwerbers im Markenregister als Modus. Bei der Übertragung einer Liegenschaft habe der Verkäufer erst dann vollständig iSd § 21 KO erfüllt, wenn er die Liegenschaft übergeben, die zur Eigentumseinverleibung nötigen Erklärungen abgegeben und die notwendigen Urkunden ausgestellt habe. Gleiches müsse bei der Übertragung eines Markenrechts gelten. Im vorliegenden Fall sei der „Lizenzvertrag“ keine für die Eintragung des Erwerbers taugliche Urkunde. Daher habe die Gemeinschuldnerin den Vertrag selbst dann nicht vollständig erfüllt, wenn die Prozessbehauptungen der Klägerin zu einer mündlichen Übertragungsvereinbarung zuträfen. Aus diesem Grund sei der Rücktritt des Masseverwalters wirksam. Die Revision sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur vollständigen Erfüllung einer Markenrechtsübertragung nicht auffindbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin ist unzulässig.

1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer bestimmten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 47).

2. Wegen der Konkurseröffnung vor dem 1. Juli 2010 ist die Konkursordnung nach § 273 Abs 1 IO noch in der Fassung vor dem IRÄG 2010 anzuwenden. Maßgebend für die Wirksamkeit des Rücktritts ist daher § 21 KO idF IRÄG 1997. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein Lizenzvertrag als Dauerschuldverhältnis unter diese Bestimmung fällt (vgl 4 Ob 135/09w = MR 2010, 89 [Walter] ‑ Miraculum I, zum vergleichbaren Problem eines Werknutzungsrechts). Sie behauptet jedoch, dass hier in Wahrheit kein Lizenzvertrag vorliege; vielmehr hätten die Vertragspartner eine „endgültige“ Übertragung der Markenrechte gewollt.

3. Eine wirksame Übertragung der Gemeinschaftsmarken ergibt sich aber auch aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut von Art 17 Abs 3 GMV muss die rechtsgeschäftliche Übertragung von Gemeinschaftsmarken ‑ außer bei Übertragung eines gesamten Unternehmens ‑ schriftlich erfolgen; „andernfalls ist sie nichtig“. Daher kann eine bloß mündliche oder konkludente Vereinbarung den Übergang des Rechts nicht bewirken (Lange, Marken‑ und Kennzeichenrecht [2006] Rz 1387; McGuire, Die Funktion des Registers für die rechtsgeschäftliche Übertragung von Gemeinschaftsmarken, GRUR 2008, 11, 12; Schennen in Eisenführ/Schennen, GMV3 [2010] Art 17 Rz 16 ff).

Selbst wenn daher die Vertragspartner tatsächlich mündlich oder konkludent eine Verpflichtung zur Übertragung der Gemeinschaftsmarken begründet haben sollten, hatte die Gemeinschuldnerin diese Verpflichtung bei Konkurseröffnung mangels Abschlusses der dafür in Art 17 Abs 3 GMV vorgesehenen schriftlichen Vereinbarung noch nicht erfüllt. § 21 KO wäre daher auch in diesem Fall anwendbar.

Mit dem vom österreichischen Recht abweichenden Schriftformerfordernis des Art 17 Abs 3 GMV (zumindest) für das Erfüllungsgeschäft (Verfügungsgeschäft) setzt sich die Revision nicht einmal ansatzweise auseinander. Auf die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Registerprinzip, die für die Übertragung einer österreichischen Marke von Bedeutung sein könnten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

4. Nur zur Klarstellung ist festzuhalten, dass eine Gemeinschaftsmarke nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art 1 Abs 2 GMV nur für das gesamte Gebiet der Union übertragen werden kann (Grundsatz der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke). Die im vorliegenden Fall von der Klägerin behauptete „Übertragung“ nur für drei Wiener Stadtbezirke und für Klosterneuburg wäre daher auch bei Vorliegen einer schriftlichen Vereinbarung unwirksam; bei einem darauf gerichteten Verpflichtungsgeschäft läge rechtliche Unmöglichkeit vor. Eine gebietsbezogene Markenübertragung wäre auch bei einer österreichischen Marke nicht möglich (Salomonowitz in Kucsko [Hrsg], marken.recht [2006] 357; Engin-Deniz,MSchG2 [2010] 223), weil auch das MschG kein Markenrecht kennt, das auf einen Teil des Staatsgebiets beschränkt ist (OPM OM 11/89 = ÖBl 1991, 57 ‑ Radio Tirol).

5. Angesichts der eindeutigen Regelungen in Art 1 Abs 2 und Art 17 Abs 3 GMV liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Die Revisionsbeantwortung ist nicht zu honorieren, weil der Beklagte darin nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat (RIS‑Justiz RS0035979).

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