OGH 12Os181/10z

OGH12Os181/10z14.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schilhan als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin H***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 20. September 2010, GZ 24 Hv 38/10t-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten enthält, wurde Martin H***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 14. August 2009 in O***** mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er seinen Finger in die Scheide der am 16. März 2004 geborenen Sarah E***** einführte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumstionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Die Tatrichter haben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aus einer vernetzten Betrachtung der als glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin Rita E***** über den Zustand ihrer Tochter und deren Schilderung des Geschehens unmittelbar nach dem Vorfall und des als schlüssig und nachvollziehbar beurteilten Gutachtens des gynäkologischen Sachverständigen Prof. Dr. Walter R*****, wonach das beim Tatopfer festgestellte Verletzungsbild aus forensischer Sicht typisch für eine Penetration sei, abgeleitet und dabei - dem Beschwerdevorbringen zuwider - gar wohl in ihre Überlegungen einbezogen, dass das Tatopfer Sarah E***** im Zuge des Verfahrens keine Angaben machte und Rita E***** mangels eigener Wahrnehmungen zu dem sexuellen Missbrauch bloß als Zeugin vom Hören-Sagen anzusehen war (US 11 ff). Weshalb deren Depositionen zu nicht von der Anklage umfassten weiteren Tathandlungen des Angeklagten einer Erörterung bedurft hätten (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) ist nicht nachvollziehbar.

Indem die Rüge - unter Außerachtlassung vom Erstgericht hervorgehobener Belastungsmomente und dessen Erwägungen zur Unglaubwürdikeit der Verantwortung des Beschwerdeführers (US 11 ff) - auf dessen Einlassung verweist, einzelne Ergebnisse des Beweisverfahrens (wie eine - die vom Angeklagten geschilderte Verletzungsursache als „durchaus wahrscheinlich und nachvollziehbar“ beurteilende - Passage aus der Aussage des Hausarztes Dr. Armin L*****, der im unmittelbaren Anschluss daran aber deutlich machte, diese Frage nicht beantworten zu können [ON 36 S 20], oder die Ausführungen des Sachverständigen Dr. R*****, wonach es „denkbar“ sei, dass „man sich eine derartige Verletzung auch selbst zufügt“ [ON 52 S 3]) isoliert herausgreift und auf dieser Basis den erstgerichtlichen Überlegungen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse entgegenstellt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Mit dem Hinweis auf die - nach dem Beschwerdestandpunkt im Widerspruch zum Gutachten Dr. R***** stehende - Beschreibung der Verletzung des Tatopfers durch den Zeugen Dr. Armin L***** werden schließlich keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.

Da sich der Sachverständige ohnehin im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung in der Hauptverhandlung ausführlich mit den diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers auseinandersetzte (ON 52 S 3), konnte das Erstgericht das Gutachten seinen Feststellungen im Übrigen zu Grunde legen, ohne die Einwendungen und die mit diesen in Zusammenhang stehenden Beweismittel - unter dem Aspekt mängelfreier Begründung (Z 5 zweiter Fall) - in den Entscheidungsgründen nochmals erörtern zu müssen (vgl dazu 13 Os 67/09s).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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