OGH 3Ob207/10b

OGH3Ob207/10b14.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Paul Vavrovsky, *****, als Masseverwalter im Konkurs der H***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Gehmacher Hüttinger Hessenberger Kommandit-Partnerschaft in Salzburg, wegen Anfechtung und Zahlung von 74.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. Juni 2010, GZ 1 R 91/09x-14, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 10. März 2009, GZ 4 Cg 34/08a-10, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.063,34 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 343,89 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das gegen die Hausbank der Gemeinschuldnerin gerichtete Anfechtungsklagebegehren des Masseverwalters nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall sowie § 30 Abs 1 Z 1 KO wegen Unschlüssigkeit ab.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. In Ansehung des Anfechtungstatbestands nach § 30 Abs 1 Z 1 KO seien noch die Voraussetzungen einer Inkongruenz der angefochtenen Deckung sowie die Errechnung des Anfechtungsanspruchs bei revolvierender Kreditausnützung zu erörtern. In Ansehung des Anfechtungstatbestands nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO sei die gebotene Erörterung unterblieben, wie die Obergrenze der Anfechtung im Fall der mehrfachen Ausnützung des Kontokorrentkredits mit dem tatsächlich erhobenen Klagebegehren in Einklang zu bringen sei. Weiters sei auch die vom Kläger ins Treffen geführte alternative Möglichkeit der Beweisführung der Nachteiligkeit durch den Beweis, dass die Gemeinschuldnerin nach dem angefochtenen Rechtsgeschäft nur mehr Verlustgeschäfte getätigt habe, zu erörtern. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehle, welches Klagebegehren bei welchem Anfechtungstatbestand gestellt werden könne und ob dem Kläger für verschiedene Anfechtungstatbestände ein gemeinsames, aber insgesamt eingeschränktes Begehren möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Behebung des Aufhebungsbeschlusses und die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Ein Klagebegehren ist schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus dem zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0116144; RS0037780).

Die Manuduktionspflicht des Gerichts hat sich im Rahmen des behaupteten Anspruchs zu bewegen. Nur in diesem Bereich ist auf die Vervollständigung des Sachvorbringens oder auch darauf zu dringen, dass das Begehren schlüssig gemacht werde (RIS-Justiz RS0108818). Die Anleitungspflicht des § 182a ZPO idF ZVN 2002 ist insofern als erweitert anzusehen, als nun auf ein verfehltes Klagebegehren, das nicht dem offenkundig verfolgten Rechtsschutzziel der Partei entspricht, aufmerksam zu machen und dem Kläger Gelegenheit zu geben ist, sein Klagebegehren auch dann zu ändern, wenn dies eine Klageänderung bilde. Eine genaue Abgrenzung der vom Gericht wahrzunehmenden Prozessleitungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Prozessleitungspflicht geht aber nicht so weit, den Kläger etwa auf Rechtsgründe, die sich nicht einmal andeutungsweise aus den vorgetragenen und allenfalls zu ergänzenden oder zu präzisierenden Tatsachen ergeben, sondern ein anderes Tatsachenvorbringen erfordern, hinweisen zu müssen (RIS-Justiz RS0120057). Der richterlichen Anleitung zu einem (ergänzenden, präzisierenden) Klagevorbringen bedarf es nicht, wenn der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RIS-Justiz RS0122365).

Eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ist im Hinblick auf die vorgenannten Grundsätze beim vorliegend zu beurteilenden Aufhebungsbeschluss nicht zu erkennen:

Das Vorbringen des Klägers zur Inkongruenz (die Beklagte habe keinen Anspruch auf Einzahlungen) ist im Hinblick auf die hiefür entwickelten Kriterien der Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0111990) zweifellos ungenügend; eine erstinstanzliche Erörterung fand aber nur insoweit statt, als eine Deckungsanfechtung unter Zitierung von „§ 31 Fall 1 KO“ und die allfällige Verfristung einer Klageänderung angesprochen wurde (Verhandlungstagsatzung vom 24. Juni 2008). Hier eine (weitere) Erörterungsbedürftigkeit in Richtung des Anfechtungstatbestands nach § 30 Abs 1 Z 1 KO anzunehmen, ist selbst vor dem Hintergrund, dass die Beklagte offenbar als einzige Bank mit der Gemeinschuldnerin in Geschäftsbeziehung stand, also wohl deren Hausbank war, zumindest vertretbar. Dies gilt auch für die berufungsgerichtliche Annahme eines Erörterungsmangels in Bezug auf das Vorbringen des Klägers zur Berechnung des Quotenschadens, aber auch zur Frage des dem Masseverwalter offen stehenden alternativen Beweises der Nachteiligkeit („nur mehr Verlustgeschäfte“; RIS-Justiz RS0111457). Der angefochtene Aufhebungsbeschluss steht im Einklang mit der Judikatur, dass die Unschlüssigkeit der Klage auch nach Ablauf der Frist des § 43 Abs 2 KO behoben werden kann (RIS-Justiz RS0064665 [T2]; Rebernig in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 43 KO Rz 8), dass im Fall des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO als unschlüssig die fehlende Behauptung der Nachteiligkeit oder des Quotenschadens gilt (Rebernig aaO § 43 Rz 9 mwN) und dass der Kläger hier für die Nachteiligkeit behauptungs- und beweispflichtig ist (Rebernig aaO § 31 Rz 65 mwN; RIS-Justiz RS0111464).

Da sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht angesprochenen, seiner Ansicht nach erheblichen Rechtsfrage gar nicht weiter befasste, ist zusammenfassend festzuhalten, dass der Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet ein Kostenersatz statt, wenn - wie hier - der Rechtsmittelgegner auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0123222, RS0035976 [T2]).

Stichworte