OGH 15Os129/10z

OGH15Os129/10z13.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer in der Strafsache gegen Hubert H***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. Mai 2010, GZ 16 Hv 39/10y-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hubert H***** (zu 1./) des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und (zu 2./) der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

1./ zwischen September und 6. Oktober 2008 in A***** außer dem Fall des § 206 StGB zumindest eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an seiner am 6. Oktober 1994 geborenen Stieftochter Sy***** H***** vorgenommen, indem er sie an der Brust ober- und unterhalb der Kleidung berührte bzw sie minutenlang streichelte, ihre entblößte Brust ableckte und ihren Scheidenbereich unter der Kleidung intensiv betastete,

2./ beginnend mit der zu 1./ genannten Tathandlung bis Anfang Februar 2010 in A***** und anderen Orten (in mehreren Angriffen) mit seiner eben genannten minderjährigen Stieftochter, die seiner Erziehung bzw Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber durch eine Vielzahl von Tathandlungen wie zu 1./ geschildert, sowie ab 21. März 2009 überdies durch zusätzlich erfolgte vaginale Digitalpenetrationen, geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge nach Z 4 kritisiert die Abweisung des zum Beweis für die Unrichtigkeit der Angaben der Zeugin Sy***** H***** gestellten Antrags auf Einholung eines jugendpsychologischen Gutachtens betreffend die Genannte (ON 25, S 15 f). Dieses sei geboten gewesen, weil das Verhalten der Zeugin gegenüber dem Angeklagten nach den behaupteten Taten in Widerspruch zu den erhobenen Vorwürfen stehe.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist ein sogenanntes Glaubwürdigkeitsgutachten eines Sachverständigen nur dann erforderlich, wenn die Beurteilung der Verlässlichkeit einer Zeugenaussage von Fachkenntnissen abhängt, deren Vorliegen bei den Mitgliedern des Senats nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Umstände hingegen, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verlässlichkeit eines Zeugen sprechen, unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht und genügen nicht für eine Sachverständigenbestellung (Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 9). Im Übrigen bedarf die Begutachtung eines Zeugen auf seine Glaubwürdigkeit seiner Zustimmung und jener eines etwaigen gesetzlichen Vertreters (RIS-Justiz RS0118956) und es wurde im Beweisantrag nicht dargelegt, dass und warum im konkreten Fall vom Vorliegen solcher Zustimmungen auszugehen sei (RIS-Justiz RS0118956 [T3, T4 und T5]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).

Die Mängelrüge (Z 5) bezeichnet mit den Feststellungen zur Änderung der „inneren Einstellung“ des Angeklagten gegenüber seiner Stieftochter (US 4 vorletzter Absatz) keine entscheidenden Tatsachen im Sinn des reklamierten Anfechtungsgrunds.

Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467), während mit der vorliegenden Behauptung, es lägen für getroffene Feststellungen „keine hinreichenden Beweisergebnisse“ vor, weder der bezeichnete noch ein anderer Begründungsmangel iSd Z 5 dargetan wird.

Mit den Angaben der Zeugin Su***** H***** haben sich die Tatrichter - der Beschwerde zuwider - auseinandergesetzt, ihr jedoch keine Glaubwürdigkeit zuerkannt (US 10). Sie waren nicht verhalten, jedes Detail der Aussage dieser Zeugin einer Erörterung zu unterziehen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Ein „innerer Widerspruch“ wird mit dem Verweis auf konstatierte weitere Umstände, die aus Beschwerdesicht gegen die Feststellungen zum Tathergang sprechen, nicht dargetan, sondern erneut in unzulässiger Form die Beweiswürdigung kritisiert.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt mit der bloßen Behauptung, die - zutreffend zitierten - Feststellungen zur subjektiven Tatseite wären unzureichend, nicht dar, welche Konstatierungen darüber hinaus noch aus ihrer Sicht zu treffen gewesen wären. Dass für einen Schuldspruch nach § 207 Abs 1 und § 212 Abs 1 Z 1 StGB weiters auch Feststellungen erforderlich seien, wonach das Tatopfer den Angeklagten aufgefordert habe, „aufzuhören bzw weitere Handlungen zu unterlassen“, entbehrt schließlich jeglicher Ableitung aus dem Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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