OGH 3Ob143/10s

OGH3Ob143/10s1.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 19. September 2009 verstorbenen Herbert S*****, zuletzt wohnhaft in *****, über den „Rekurs“ der gesetzlichen Erbin Perdita R*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. April 2010, GZ 1 R 77/10h-14, womit der Rekurs der Erbin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 28. Dezember 2009, GZ 3 A 246/09v-6, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht sprach in Beschlussform aus, dass die Abhandlung gemäß § 153 AußStrG unterbleibe, weil die Aktiven der Verlassenschaft den Wert von 4.000 EUR nicht überstiegen. Unter einem wurde die Tochter Petra S***** nach § 153 Abs 2 AußStrG ermächtigt, das Verlassenschaftsvermögen (ein Guthaben auf dem Pensionskonto in Höhe von 762,25 EUR sowie Gebrauchsgegenstände) zur Gänze zu übernehmen und hierüber zu verfügen.

Die zweite Tochter des Verstorbenen erhob Rekurs mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und den Akt dem Erstgericht zur Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens „unter Beiziehung der Rekurswerberin als weiterer erblicher Tochter“ rückzuübermitteln. Auch sie hätte als Tochter und Pflichtteilsberechtigte am Verlassenschaftsverfahren beteiligt werden müssen; ihr stehe ein Schenkungspflichtteil zu.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht diesen Rekurs zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Überstiegen die Aktiva der Verlassenschaft nicht den Wert von 4.000 EUR und seien auch keine Eintragungen in die öffentlichen Bücher erforderlich, unterbleibe die Abhandlung, wenn kein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt werde. Einer Verständigung bedürfe es nicht (§ 153 Abs 1 AußStrG). Es genüge die Beurkundung mit einem Aktenvermerk. Der dennoch vom Erstgericht gefasste „Beschluss“ sei in diesem Sinn zu deuten, nicht aber als hoheitliche Willenserklärung. Der Rekurswerberin stehe es frei, jederzeit einen nicht fristgebundenen Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens zu stellen. Die der Tochter Petra S***** erteilte Ermächtigung, über die Nachlassaktiva zu verfügen, sei im Rekurs unbekämpft geblieben.

Die Rekurswerberin bekämpfte diese Entscheidung mit einem als „Rekurs an den Obersten Gerichtshofs“ bezeichneten Rechtsmittel, in dem sie die Rechtsansicht vertritt, es liege kein Fall des § 62 AußStrG vor. Der Rekurs sei analog zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ungeachtet der Entscheidung über den Wert des Streitgegenstands sowie des Ausspruchs über die Nichtzulassung des Revisionsrekurses zulässig, weil eine Sachentscheidung aus rein formellen Gründen nicht erfolgt sei.

Das Erstgericht legte dieses Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof unter Hinweis auf einen von der Rechtspflegerin erstellten Aktenvermerk vom 15. Juli 2010 vor, nach dem „der Rekurswerber offenbar keine Vorgangsweise nach § 62 bzw § 63 AußStrG wünsche“.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage.

Ein Revisionsrekurs iSd § 62 AußStrG ist jeder Rekurs gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht, unabhängig davon ob es sich um eine Sachentscheidung oder um die Zurückweisung eines Rechtsmittels gegen eine erstgerichtliche Entscheidung handelt. Eine § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbare Bestimmung fehlt im Außerstreitgesetz, sodass auch Beschlüsse, die einen Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückweisen, nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar sind (RIS-Justiz RS0120974 [T9]). Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts kann daher nur dann angefochten werden, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG abhängt. Der Revisionsrekurs ist aber jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht iSd § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und Abs 2 AußStrG einen Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

Der Umstand, dass der Rekurswerber der Ansicht ist, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei uneingeschränkt zulässig, hat nicht zur Folge, dass eine Änderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das hiefür allein zuständige Rekursgericht von vornherein ausscheidet. Vielmehr gilt auch hier, dass der Mangel des Fehlens einer Zulassungsvorstellung verbesserungsfähig ist (RIS-Justiz RS0109620 [T14]).

Steht dem Rechtsmittelwerber nur der Rechtsbehelf der Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG zur Verfügung, ist das Rechtsmittel nicht dem Obersten Gerichtshof, sondern dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (§ 69 Abs 3 AußStrG). Eine funktionelle Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs, über das Rechtsmittel zu entscheiden, ist derzeit nicht gegeben. Dieser darf über das Rechtsmittel nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109620).

Die Beurteilung der Notwendigkeit eines Verbesserungsverfahrens bleibt den Vorinstanzen vorbehalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte