Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 410,83 EUR (darin 68,47 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Urteil des Erstgerichts, mit dem das auf Unterlassung gerichtete Klagebegehren des Klägers abgewiesen wurde, wurde dem Klagevertreter am 7. 1. 2010 zugestellt.
Gegen dieses Urteil erhob der Kläger eine mit 4. 2. 2010 datierte Berufung, die er im elektronischen Rechtsverkehr einbrachte. Diese Berufung enthält den Vermerk „Elektronisch eingebracht am 05. 02. 2010, 2 fach“.
Die Beklagten beantragten in ihrer Berufungsbeantwortung die Zurückweisung der Berufung infolge Verspätung.
Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung als verspätet zurück; letzter Tag der Berufungsfrist wäre der 4. 2. 2010 gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO); er ist auch berechtigt.
1. Der Kläger bestreitet im Hinblick auf § 464 Abs 1 ZPO nicht, dass die Berufungsfrist versäumt wäre, sollte die Berufung tatsächlich (erst) am 5. 2. 2010 als eingebracht angesehen werden.
2. Der Kläger macht jedoch geltend, der Klagevertreter habe die Berufungsschrift bereits am 4. 2. 2010 um 14:13:31 Uhr „abgesendet“. Beim „Bundesrechenzentrum“ sei sie zwar erst am 5. 2. 2010 um 13:13:40 Uhr „angekommen“, die Firma IMD habe die Sendung jedoch „wenige Minuten vor Einlangen im Bundesrechenzentrum“ weitertransportiert. Da der Klagevertreter „eine Freigabe der Berufung zur Versendung am 4. 2. 2010 um 14:13:31 Uhr“ erteilt habe, sei die Berufung als fristgerecht anzusehen.
2.1. Der Klagevertreter hat sich bei Einbringen der Berufungsschrift zulässigerweise des elektronischen Rechtsverkehrs bedient (§ 89b Abs 1 GOG iVm § 1 ERV).
2.2. Nach § 89b Abs 2 letzter Satz GOG iVm § 3 Abs 1 ERV hat sich der Einbringer einer elektronischen Eingabe einer Übermittlungsstelle zu bedienen. Die im Rekurs erwähnte „Firma IMD“ (richtig: IMD GmbH in Guntramsdorf) ist eine solche Übermittlungsstelle (vgl § 3 Abs 1 ERV; http://www.edikte.justiz.gv.at/edikte/km/kmhlp05.nsf/all/erv!OpenDocument ).
2.3. Nach § 89d Abs 1 GOG gelten elektronische Eingaben als bei Gericht angebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. Ist - wie im vorliegenden Fall - vorgesehen, dass die Eingaben über eine Übermittlungsstelle zu leiten sind, und sind sie auf diesem Weg bei der Bundesrechenzentrum GmbH tatsächlich zur Gänze eingelangt, so gelten sie als bei Gericht mit demjenigen Zeitpunkt angebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer rückgemeldet hatte, dass sie die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat. Nach § 4 Abs 1 ERV hat die Übermittlungsstelle, wenn sie die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat, dies dem Einbringer sofort mitzuteilen und den Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) dieser Rückmeldung zu protokollieren; dieses Datum ist mit den Daten der Eingabe zu übermitteln.
Nach hA (RIS-Justiz RS0124533; Konecny in Fasching/Konecny, ZPO² [2003] § 74 Rz 50 unter Hinweis auf ErläutRV WGN 1989, 888 BglNR 17. GP 25) handelt es sich bei der Bundesrechenzentrum GmbH um eine „vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts“, während die Mitteilung (Rückmeldung) der Übermittlungsstelle an den Einbringer über die Übernahme der elektronischen Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH nach deren Prüfung dem Poststempel bei Briefsendungen entspricht (Bosina/Schneider, Die elektronische Klage [1990] 36; Konecny aaO). Elektronische Eingaben gelten somit mit demjenigen Zeitpunkt als bei Gericht eingebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Absender rückmeldet, dass sie seine Daten zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat (Konecny aaO Rz 52), sofern die Eingabedaten letztlich tatsächlich bei der Bundesrechenzentrum GmbH zur Gänze einlangen (§ 89d Abs 1 GOG). Diese Rückmeldung hat sofort zu erfolgen (§ 4 Abs 1 ERV).
2.4. Nach den Behauptungen des Klägers in seinem Rekurs erfolgte die Weiterleitung des Berufungsschriftsatzes durch die Übermittlungsstelle IMD GmbH an die Bundesrechenzentrum GmbH und das Einlangen der Daten bei der Bundesrechenzentrum GmbH zwar erst am 5. 2. 2010. Dem mit dem Rekurs vorgelegten „Sendeprotokoll ERV-Einbringung“ ist jedoch zu entnehmen, dass die Freigabe des Berufungsschriftsatzes durch den Klagevertreter (14:13:31 Uhr) und die sofortige Rückmeldung gemäß § 4 Abs 1 ERV durch die Übermittlungsstelle an den Klagevertreter (14:16:38 Uhr) jeweils bereits am 4. 2. 2010 erfolgt waren.
Da es nach § 89d Abs 1 GOG, § 4 Abs 1 ERV für die Rechtzeitigkeit einer Eingabe im elektronischen Rechtsverkehr nicht auf den Zeitpunkt der Weiterleitung der Daten an die Bundesrechenzentrum GmbH durch die Übermittlungsstelle, sondern auf den Zeitpunkt deren Rückmeldung an den Absender ankommt, geht ein (längeres) Verweilen der Daten (aus welchem Grund immer) bei der Übermittlungsstelle nicht zu Lasten des Einbringers (vgl Konecny in Fasching/Konecny, ZPO² [2003] § 74 Rz 52 [„es ist gleichgültig, wann die Eingabedaten letztlich bei der Bundesrechenzentrum GmbH einlangen, weil dafür in § 89d Abs 1 GOG keine zeitliche Obergrenze festgelegt wurde“]), sofern die Daten letztlich tatsächlich bei der Bundesrechenzentrum GmbH einlangen (was im vorliegenden Fall nicht strittig ist).
2.5. Die Beklagten bestreiten in ihrer Rekursbeantwortung „aus anwaltlicher Vorsicht“ (des Beklagtenvertreters) die Echtheit des vom Kläger vorgelegten Sendeprotokolls; es sei aufklärungsbedürftig, wie ein Sendeprotokoll vom 4. 2. 2010 um 14:16:38 Uhr bereits bestätigen kann, dass die Einbringung am 5. 2. 2010 um 13:13:40 Uhr erfolgte“. Tatsächlich stammt das „Sendeprotokoll ERV-Einbringung“ aber nicht vom 4. 2. 2010 14:16:38 Uhr, sondern bestätigt für diesen Zeitpunkt die Rückmeldung nach § 4 Abs 1 ERV.
3. Die Berufung des Klägers wurde somit innerhalb der vierwöchigen Berufungsfrist des § 464 Abs 1 ZPO eingebracht; ihre Zurückweisung durch das Berufungsgericht als verspätet war verfehlt. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nunmehr die Berufung inhaltlich zu behandeln haben.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO. Die Beklagten haben mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung einen Zwischenstreit ausgelöst, in welchem sie unterlegen sind. Bei den verzeichneten Rekurskosten war allerdings zu berücksichtigen, dass nach TP 3 Anmerkung 1 GGG eine Pauschalgebühr nur für Rekurse nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu entrichten ist; der vorliegende Rekurs gründet sich jedoch auf § 519 Abs 1 Z 1 ZPO.
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