OGH 5Ob44/10x

OGH5Ob44/10x31.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin F***** GESELLSCHAFT M. B. H., *****, vertreten durch Dr. Wilfried Köhler, öffentlicher Notar in Wien, wegen Grundbuchshandlungen ob der Liegenschaft EZ 2693 GB *****, über den Revisionsrekurs der F***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. April 2008, AZ 46 R 49/08h, mit dem infolge der Rekurse der F***** AG und des Mag. Klaus R*****, der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 19. November 2007, TZ 5463/07, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Der Antrag der Antragstellerin, aufgrund des Kaufvertrags vom 18. 4. 2007, des Rangordungsbeschlusses vom 20. 4. 2007, TZ 1980/07, der Vollmacht vom 2. 8. 2006 und der Erklärung über die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer vom 10. 10. 2007, Erfassungsnummer 10-252.091/2007, ob den jeweils mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteilen B-LNR 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 11, 14, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 25, 26, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 36, 37, 38, 40, 41, 43, 47, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 60, 62, 64, 65 und 66 je der Liegenschaft EZ 2693 GB *****

1. die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin im Rang TZ 1980/2007 und

2. gemäß § 57 GBG die Löschung:

a) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 13a, TZ 3213/2007;

b) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 14a, TZ 3968/2007;

c) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 15a, TZ 4393/2007, gleichzeitig mit 4394/2007 gleichzeitig mit 4395/2007 gleichzeitig mit 4396/2007;

d) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 16a, TZ 4394/2007, gleichzeitig mit 4393/2007 gleichzeitig mit 4395/2007 gleichzeitig mit 4396/2007;

e) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 17a, TZ 4395/2007, gleichzeitig mit 4393/2007 gleichzeitig mit 4394/2007 gleichzeitig mit 4396/2007;

f) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 18a, TZ 4396/2007, gleichzeitig mit 4393/2007 gleichzeitig mit 4394/2007 gleichzeitig mit 4395/2007;

g) des vollstreckbaren Pfandrechts für die Republik Österreich, C-LNR 19a, TZ 4572/2007, sowie die Löschung der Anmerkung der Simultanhaftung mit HE EZ 1989 GB ***** (BG *****), C-LNR 19b, TZ 4572/2007;

h) der Einleitung des Versteigerungsverfahrens C-LNR 20a, TZ 4631/2007;

zu bewilligen,

wird abgewiesen.“

Text

Begründung

Grundbücherliche Eigentümerin der im Spruch bezeichneten Liegenschaftsanteile der EZ 2693 GB ***** ist die V***** Ges.m.b.H. (FN *****), die diese Liegenschaftsanteile mit Kaufvertrag vom 18. 4. 2007 an die Antragstellerin verkaufte.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags und der Entscheidung des Erstgerichts waren an der Antragstellerin (Käuferin) die F***** AG (Rekurswerberin) und eine weitere Aktiengesellschaft, beide mit Sitz in der Schweiz, beteiligt. Nach dem aktuellen Firmenbuchstand ist noch immer überwiegend (zu mehr als 50 %) eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz beteiligt.

Unter Punkt VII. (Inländereigenschaft) des Kaufvertrags gab der Repräsentant der Antragstellerin (Käuferin) folgende Erklärung ab:

„Der Repräsentant der kaufenden Partei erklärt an Eidesstatt, dass die F***** GESELLSCHAFT M.B.H. ihren satzungsgemäßen Sitz im Inland hat und alle Anteile an der genannten Gesellschaft ausschließlich von Schweizer Aktiengesellschaften gehalten werden.“

An derselben Vertragsstelle wird weiter ausgeführt:

„Gemäß Artikel 25 im Anhang I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit gemäß Verordnung (EG) Nr. 1606/98 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 114 vom 30. 04. 2002) bedarf daher der gegenständliche Kaufvertrag keiner Ausländergrundverkehrsgenehmigung.“

Das Erstgericht bewilligte das Grundbuchgesuch antragsgemäß.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Rekurslegitimation der F***** AG (betreibende Gläubigerin) sei zwar gegeben, doch lägen keine Abweisungsgründe vor. Art 25 Abs 1 Anh I EG-Abk Schweiz 2002 stelle eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich, an der ausschließlich Schweizer Gesellschaften beteiligt seien, einer inländischen Gesellschaft hinsichtlich des Erwerbs von Immobilien gleich. Eine Bestätigung der Grundverkehrsbehörde, dass das Rechtsgeschäft von der Genehmigungspflicht ausgenommen sei (Negativbestätigung), sei daher nicht vorzulegen. Die Vollmacht jenes Vertreters der Verkäuferin, der den Kaufvertrag unterfertigt habe, sei hiefür ausreichend gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteigt und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG zu lösen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der F***** AG (betreibende Gläubigerin) mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Grundbuchgesuchs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, weil ein von der Revisionsrekurswerberin geltend gemachter Abweisungsgrund vorliegt, zulässig und berechtigt.

1. Zunächst hat das Rekursgericht die Rechtsmittellegitimation der betreibenden Gläubigerin mit Recht bejaht (vgl dazu auch 5 Ob 163/06s = NZ 2007, 170 [Hoyer, NZ 2007, 176] = SZ 2006/145).

2. Die Revisionsrekurswerberin meint, die Antragstellerin hätte den Umstand, dass an dieser nur Schweizer Gesellschaften beteiligt (gewesen) seien, durch unbedenkliche Urkunden nachweisen müssen. Diese Ansicht ist unzutreffend:

Gemäß § 5 Abs 3 WrAuslGEG sind Liegenschaftserwerber verpflichtet, ihre Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Ist aber der Erwerber - wie es hier auf die Antragstellerin zutrifft - eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft mit dem satzungsgemäßen Sitz im Inland, so haben deren statutengemäß zur Vertretung nach außen berufene Organe eine verbindliche Erklärung darüber abzugeben, ob und in welchem Ausmaß Ausländer im Sinn des § 2 Z 1 oder 2 WrAuslGEG an der juristischen Person oder an der Personengesellschaft beteiligt sind. Diesem Erfordernis wird hier in Punkt VII. des Kaufvertrags entsprochen (vgl dazu auch 5 Ob 52/08w = NZ 2009, 58 [Hoyer, NZ 2009, 61]).

3. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Grundbuchsache mit Beschluss vom 4. 11. 2008 zu 5 Ob 162/08x dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.) Ist Art 25 Anhang (Anh) I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 30. 4. 2002, ABl 2002, L114, S 6 (EG-Abk Schweiz 2002) so auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien angeordnete Gleichstellung mit Inländern ausschließlich für natürliche Personen gilt, nicht aber für Gesellschaften?

2.) Bei Bejahung von Frage 1):

Sind die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes (WrAuslGEG), die bei Erwerb von Immobilien durch ausländische Gesellschaften iSd § 2 Z 3 WrAuslGEG die Vorlage einer Bestätigung über eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht fordern (§ 5 Abs 4 WrAuslGEG, § 3 Z 3 WrAuslGEG), eine nach Art 57 Abs 1 EG [nun Art 64 Abs 1 AEUV] gegenüber der Schweiz als Drittland zulässige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art 56 EG [nun des Art 63 AEUV])?

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat am 11. 2. 2010 in der Rechtssache C-541/08 mit Urteil über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden (wobl 2010/65 [Bittner]). Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 12. 11. 2009 Grimme (C-351/08 ), in welcher die grundsätzlichen Fragen der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen nach dem zitierten Abkommen behandelt wurden, hat der Gerichtshof erkannt:

„1.) Art 25 des Anhangs I des am 21. 6. 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ist dahin auszulegen, dass die für den Erwerb von Immobilien vorgeschriebene Inländergleichbehandlung nur für natürliche Personen gilt.

2.) Art 64 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Bestimmungen des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes vom 3. 3. 1998, nach denen Ausländer im Sinne dieses Gesetzes beim Erwerb von im Land Wien belegenen Immobilien eine entsprechende Genehmigung einholen oder aber eine Bestätigung vorlegen müssen, dass die in diesem Gesetz genannten Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreiheit vorliegen, eine gegenüber der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Drittland zulässige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen.“

Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich daraus, dass der von der Antragstellerin angestrebte Eigentumserwerb, wie von der Revisionsrekurswerberin im Ergebnis zutreffend geltend gemacht, der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterliegt.

Ohne die - hier unterbliebene - Vorlage eines rechtskräftigen Genehmigungsbescheids oder einer Negativbestätigung darf das Grundbuchsgericht die Eintragung eines solchen genehmigungspflichtigen Rechtserwerbs nicht bewilligen (5 Ob 90/10m; vgl Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 94 GBG Rz 134 f mwN).

Das Grundbuchgesuch war daher abzuweisen.

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