OGH 10ObS88/10d

OGH10ObS88/10d17.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johann Ellersdorfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Claudia W*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Februar 2010, GZ 23 Rs 42/09m-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Juli 2009, GZ 16 Cgs 96/08f-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 23. 4. 2008 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der am 7. 8. 1958 geborenen Klägerin vom 18. 1. 2008 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab. Der Klägerin kommt unstrittig Berufsschutz als Altenpflegerin zu.

Mit Urteil vom 16. 7. 2009 sprach das Erstgericht der Klägerin eine für den Zeitraum vom 1. 2. 2008 bis 30. 9. 2010 befristete Berufsunfähigkeitspension zu.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist die Klägerin aus psychiatrischer Sicht derzeit nicht in der Lage, eine Arbeit zu verrichten; es sind auch mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßige Krankenstände von sieben oder mehr Wochen pro Jahr zu erwarten. Bei Durchführung einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen eines stationären Settings und einer daran anschließenden ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Weiterbetreuung sowie einer Psychopharmakatherapie ist nach einem Behandlungszeitraum von zwölf Monaten davon auszugehen, dass der Klägerin dann zumindest mittelschwere geistige Arbeiten mit zumindest zeitweise besonderem oder überdurchschnittlichem Zeitdruck möglich sind und das Ausmaß der regelmäßigen Krankenstände pro Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr sieben Wochen erreichen wird. Nicht festgestellt werden kann, dass nach Durchführung der genannten psychiatrischen Therapien und Maßnahmen Einschränkungen betreffend körperliche Arbeiten, Körperhaltungen, Arbeiten im Freien und in geschlossenen Räumen sowie den Anmarschweg zur Arbeitsstätte gegeben sein werden.

Mit diesem Leistungskalkül könnte die Klägerin in der Organisation von Pflegediensten tätig werden. Für diese Tätigkeiten sind EDV-Grundkenntnisse für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Internet und E-Mail notwendig, die - betriebsextern - in einem Zeitraum von einem Monat bis zu drei Monaten erworben werden können. Die Klägerin hatte bisher nie etwas mit EDV zu tun.

In seiner rechtlichen Beurteilung begründete das Erstgericht die Befristung der Berufsunfähigkeitspension damit, dass keine dauernde Berufsunfähigkeit vorliege, weil die Klägerin bei Durchführung der festgestellten Therapien und Maßnahmen innerhalb von zwölf Monaten körperlich und geistig wieder in der Lage sein werde, prinzipiell einer Tätigkeit in der Organisation von Pflegediensten nachzugehen. Dabei komme dem Umstand, dass sie vielleicht auch dann noch nicht über die entsprechenden EDV-Grundkenntnisse verfügen werde, keine Relevanz zu, zumal die beklagte Partei den Erwerb dieser Kenntnisse im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen ermöglichen könnte. In diesem Zusammenhang werde die Klägerin auf ihre Mitwirkungspflicht im Sozialrecht hingewiesen und darüber belehrt, dass sie sich den angeführten Therapien und Maßnahmen bei sonstiger Nichtweitergewährung bei Missachtung zu unterziehen habe.

Über Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, dass es das Klagebegehren auf „Invaliditätspension“ (unter Beseitigung der im Ersturteil enthaltenen Befristung) als ab dem 1. 2. 2008 zu Recht bestehend erkannte und der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von 500 EUR monatlich auftrug.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht unter Berufung auf die Entscheidung 10 ObS 53/02w davon aus, dass das Argument der Rehabilitierbarkeit keine Rolle spiele, wenn die beklagte Partei die Rehabilitation nicht bereits im Anstaltsverfahren angeboten habe; es sei daher nur die Frage des Vorliegens des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit zu prüfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erklärte es mangels einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht für zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Das Revisionsvorbringen der beklagten Partei lässt sich dahin zusammenfassen, dass die Pension nur befristet für den Zeitraum vom 1. 2. 2008 bis 30. 9. 2010 zuzuerkennen gewesen wäre, weil eine Besserung nicht auszuschließen sei; die Frage des Anbietens einer Rehabilitationsmaßnahme wäre erst anlässlich der nächsten Antragstellung auf Weitergewährung der Invaliditätspension zu prüfen.

Diese Ausführungen sind berechtigt und entsprechen der Entscheidung 10 ObS 53/02w: Es ist nicht strittig, dass bei der Klägerin zum Stichtag Berufsunfähigkeit vorliegt. Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts ist der Umstand, dass im gerichtlichen Verfahren keine Rehabilitation angeboten werden kann, für die Entscheidung ohne Bedeutung. Maßgeblich ist allein die Frage, ob die Pension befristet oder unbefristet zuzusprechen ist.

Seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 sind Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit grundsätzlich befristet für die Dauer von längstens 24 Monaten ab dem Stichtag zuzuerkennen (§ 256 ASVG). Ohne zeitliche Befristung wäre die Pension nur dann zuzusprechen, wenn aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustands dauernde Invalidität bzw Berufsunfähigkeit anzunehmen ist (§ 256 Abs 2 ASVG). Da diese Voraussetzung nicht festgestellt ist, sondern im Gegenteil von Besserbarkeit auszugehen ist, muss der Zuspruch der Pension iSd § 256 Abs 1 ASVG befristet erfolgen.

In diesem Sinn ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

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