OGH 9Ob90/09i

OGH9Ob90/09i28.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marina A*****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Rechtsanwalt Dr. Martin Dreschers, Jülicher Straße 116, D‑52070 Aachen, als Insolvenzverwalter im beim Amtsgericht Aachen zu ***** IN ***** anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen der S***** & S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen (nunmehr) Feststellung einer Insolvenzforderung gemäß § 38 dInsO (Streitwert 21.365,81 EUR sA), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2009, GZ 3 R 43/07a‑41, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. Dezember 2004, GZ 25 Cg 16/03y‑25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0090OB00090.09I.0728.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrte mit ihrer auf § 5j KSchG gestützten Klage vom 7. 3. 2003 von der in Deutschland ansässigen S***** & S***** GmbH die Zahlung des Betrags von 21.365,81 EUR sA. Sie sei Verbraucherin und habe von der Beklagten, die einen Warenversandhandel betreibe, eine an sie persönlich gerichtete Zusendung erhalten, die eine Gewinnzusage enthalten habe. Aufgrund der Gestaltung und des Inhalts dieser Gewinnzusage habe sie nach sorgfältigem Studium den Eindruck gehabt, tatsächlich den im Spruch genannten Betrag gewonnen zu haben, wenn sie das Gewinnzertifikat rechtzeitig zurückschicke. Sie habe den Auszahlungsbescheid an die Beklagte zurückgeschickt und gleichzeitig eine Testbestellung vorgenommen. Laut „Auszahlungsbescheid“ habe sie zwischen monatlichen Zahlungen von 356,10 EUR und einer Einmalzahlung von 21.356,81 EUR, auszuzahlen am 1. 1. 2001, wählen können und sich für die Einmalzahlung entschieden. Eine Gewinnauszahlung sei jedoch genauso wenig erfolgt wie die Zusendung der bestellten Ware.

Die Beklagte erhob den Einwand der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit, bestritt die Klagebehauptungen und beantragte die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Klage. Sie brachte vor, dass die Teilnahme am gegenständlichen Gewinnspiel von keiner Warenbestellung abhängig gewesen sei, auch von keiner unverbindlichen Testbestellung. Die Klägerin habe weder eine Ware bestellt noch geliefert erhalten. Die gut sichtbar auf der Rückseite der Auszahlungsurkunde angebrachten Teilnahmebedingungen seien so eindeutig formuliert, dass der Klägerin als verständiger Verbraucherin klar sein habe müssen, dass es sich lediglich um eine Massensendung handle und sie nicht den Eindruck gewinnen konnte, den begehrten Preis gewonnen zu haben. Schließlich habe die Klägerin auch die Teilnahmefrist versäumt. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz wurde über das Vermögen der ursprünglich beklagten S***** & S***** GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der nunmehr Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Über dessen Antrag wurde das unterbrochene Verfahren fortgesetzt.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit und erkannte die frühere Beklagte für schuldig, der Klägerin 21.365,81 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2001 zu zahlen und die Verfahrenskosten zu ersetzen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 8 % Zinsen aus dem Klagsbetrag wies es (unangefochten) ab.

Es stellte im Wesentlichen fest: Die Klägerin ist Angestellte einer Gesellschaft mit dem Sitz in Wien. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2000 erhielt sie von der späteren Insolvenzschuldnerin unaufgefordert eine Zusendung an ihre Adresse in Wien mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrte Frau A*****, wir wurden vom T***** Versand im Hause S***** & S***** beauftragt, sicher zu stellen, dass die Auszahlung termingerecht vorgenommen wird. Die Laufzeit dieser Auszahlungsvereinbarung beträgt 5 Jahre und kann von uns nicht gekündigt werden. Die erste Auszahlung wird am 1. 1. 2001 durch die F***** fristgerecht überwiesen. Der monatliche Auszahlungsbetrag beträgt 4.900 S. Wir können Ihnen, Frau A*****, allerdings auch eine andere Anteil‑Auszahlungs‑Alternative anbieten. Die Einmal‑Auszahlung 294.000 S (Gesamtsumme) steht zum Abruf bereit. In diesem Fall wird die Gesamtsumme auf einmal am 1. 1. 2001 von uns ausgeteilt. Bitte teilen Sie uns Ihren Auszahlungswunsch mit dem Auszahlungsbescheid mit. Diese Auszahlungsvereinbarung ist nicht übertragbar und endet automatisch am 31. 12. 2005. Damit die Auszahlung rechtzeitig beginnen kann, brauchen Sie nur noch Ihren Auszahlungsbescheid ‑ am besten mit Ihrer unverbindlichen Testbestellung ‑ innerhalb von acht Tagen zurückzusenden. Um Ihnen die Rücksendung zu vereinfachen, haben wir den beiliegenden Antwortumschlag bereits vorbereitet. Sie brauchen nur noch alles zusammen einzusenden. Der Auszahlung steht nichts mehr im Wege.“

Auf der Rückseite dieses Schreibens befinden sich in kleingedruckter Schrift folgende Teilnahme‑/Vergabebedingungen:

„Die Ziehung wurde von unserem Versandhaus nach dem Zufallsprinzip durchgeführt. Bargeldpreise kommen als unterschiedliche Teilwerte zur Auszahlung. Der Gesamtbetrag wird unter allen eingesandten Auszahlungsbescheiden verteilt. (…) Bargeldguthaben unter einem Wert von S 35 werden aus Kostengründen nicht ausgeschüttet. Einsendeschluss ist der 31. 12. 2000. Die Teilnahme an der Bargeldvergabe ist unabhängig von einer unverbindlichen Testbestellung. (…) Die Gewinnvergabe wird international in den Ländern Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich, Niederlande und Belgien veranstaltet. ...“

Die Klägerin hatte den Eindruck, Gewinnerin des Betrags von 294.000 S zu sein und verstand dieses Schreiben nur noch als Gewinnaufforderung. Sie entschied sich für die Einmalauszahlung, unterfertigte das Anforderungsschreiben und bestellte gleichzeitig aufgrund des Auszahlungsbescheids noch eine Ware. Sie schickte alles zusammen binnen acht Tagen im beiliegenden Antwortkuvert ein. Die Klägerin erhielt weder die Ware noch den angeforderten Gewinn, weshalb sie am 22. 5. 2001 ein Urgenzschreiben an die S***** & S***** GmbH absandte. Diese teilte ihr mit Schreiben vom 26. 5. 2001 mit, dass Bargeldguthaben unter einem Wert von 30 S nicht ausgeschüttet würden und die Klägerin leider nicht der Gewinner eines Preises über einem Wert von 30 S wäre. Vor Einbringung der gegenständlichen Klage forderte die Klägerin die S***** & S***** GmbH neuerlich auf, den Betrag von 294.000 S samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2001 zu zahlen. Auch dieses Ersuchen wurde von der S***** & S***** GmbH schriftlich abgelehnt.

Das Erstgericht erachtete sowohl die inländische Gerichtsbarkeit als auch seine örtliche Zuständigkeit gemäß Art 15, 16 Abs 1 EuGVVO für gegeben. Die Klägerin habe gleichzeitig mit der Gewinnanforderung eine Ware bestellt, sodass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von einem Verbrauchervertrag auszugehen sei, welcher der Klägerin die Möglichkeit eröffnet habe, die Klage beim angerufenen Handelsgericht Wien anzubringen. Im Übrigen erachtete es die Voraussetzungen nach § 5j KSchG für gegeben, sodass der Klägerin ein klagbarer Anspruch auf Auszahlung des Gewinns zustehe.

Das Berufungsgericht verwarf die vom nunmehrigen Beklagten eingebrachte Berufung wegen Nichtigkeit, gab der Berufung jedoch im Übrigen Folge, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO im Zusammenhang mit isolierten, das heißt nicht von einer Bestellung abhängigen Gewinnzusendungen, anwendbar sei, sowie dazu, ob die Voraussetzungen des § 5j KSchG allein ausreichten, um den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Rechtssache C‑180/06 „ Ilsinger “) geforderten Bindungswillen eines Unternehmers zum Ausdruck zu bringen und eine daraus folgende Klage somit dem Gerichtsstand des Art 15 Abs 1 lit c iVm Art 16 Abs 1 EuGVVO unterliege.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Gewinnmitteilungs‑ und Anforderungsschreiben nicht ausreiche, um eine vertragliche Beziehung zwischen der Klägerin als Verbraucherin und der S***** & S***** GmbH als Unternehmer zu begründen, dass jedoch zu prüfen sei, ob die vorgenannte inländische Zuständigkeit nicht doch dadurch gegeben sei, dass die Klägerin gleichzeitig mit der Gewinnanforderung eine Warenbestellung aufgegeben habe. Hier habe jedoch das Erstgericht unter vorgreifender Beweiswürdigung ein von der Beklagten angebotenes Beweismittel nicht aufgenommen, welches darauf gerichtet gewesen sei, den Beweis für die nicht erfolgte Bestellung zu erbringen. Das Verfahren über den Zuständigkeitsstreit sei daher mangelhaft geblieben und insoweit ergänzungsbedürftig. Erst nach Aufnahme des abgelehnten Zeugenbeweises könne über die inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Zuständigkeit verlässlich entschieden werden.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage (im Rahmen eines umgestellten Feststellungsbegehrens) Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Der Europäische Gerichtshof hatte in der Rechtssache C‑180/06 „ Ilsinger “ in einem ebenfalls gegen den nunmehrigen Beklagten als Insolvenzverwalter im Konkurs der S***** & S***** GmbH gerichteten Verfahren über ein Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden. Dabei ging es um eine vergleichbare Gewinnmitteilung und ‑anforderung, wobei eine Warenbestellung durch die Verbraucherin nicht festgestellt werden konnte. Der Europäische Gerichtshof hatte darüber zu befinden, ob Gewinnmitteilung und ‑anforderung allein ausreichten, um den Gerichtsstand des Art 15 Abs 1 Buchstabe c der VO Nr 44/2001 (EuGVVO) zu begründen. Der Spruch dieser Entscheidung lautet: „Wenn, wie im Ausgangsverfahren, ein Verbraucher nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, und bei dem Gericht des Ortes seines Wohnsitzes gegen eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Versandhandelsgesellschaft auf Auszahlung eines von ihm scheinbar gewonnenen Preises klagt und

‑ diese Gesellschaft dem Verbraucher zu dem Zweck, ihn zum Vertragsabschluss zu bewegen, ein persönlich adressiertes Schreiben zugesandt hat, mit dem bei ihm der Eindruck erweckt wurde, er erhalte einen Preis, wenn er diesen durch Rücksendung des dem Schreiben beigefügten ‘Gewinn‑Anforderungs‑Zertifikats’ beanspruche,

‑ ohne dass der Erhalt dieses Preises aber von einer Bestellung von Waren, die diese Gesellschaft zum Kauf anbietet, oder von einer Testbestellung abhängt,

sind die in der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen aufgestellten Zuständigkeitsvorschriften wie folgt auszulegen:

‑ Eine solche von dem Verbraucher erhobene Klage unterliegt Art 15 Abs 1 Buchstabe c dieser Verordnung unter der Voraussetzung, dass sich der gewerbsmäßige Verkäufer rechtlich gebunden hat, dem Verbraucher den Preis auszuzahlen;

‑ ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, unterliegt eine solche Klage nur dann der genannten Vorschrift der Verordnung Nr 44/2001, wenn der Verbraucher bei dem gewerbsmäßigen Verkäufer tatsächlich eine Bestellung aufgegeben hat.“

Die Revisionswerberin meint zusammengefasst, dass das gegenständliche Schreiben der S***** & S***** GmbH und die Reaktion der Klägerin für sich ausreichen müssten, diese vom Europäischen Gerichtshof geforderten Voraussetzungen zu erfüllen. Dieser Meinung ist nicht zu folgen:

Art 15 „Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“ der EuGVVO hat folgenden Inhalt:

„Abs 1 Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Nr 5 nach diesem Abschnitt,

a) wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen mit Teilzahlung handelt,

b) wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesem Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Abs 2 …

Abs 3 ... .“

Der Europäische Gerichtshof hält in Auslegung dieser Bestimmung daran fest, dass es sich um einen „ Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag “ handeln muss, wie sich eindeutig aus folgenden Rn der Entscheidung Ilsinger ergibt:

„Rn 50: Mit Ausnahme bestimmter Beförderungsverträge, die nach Art 15 Abs 3 der genannten Verordnung vom Anwendungsbereich der Zuständigkeitsvorschriften über Verbraucherverträge ausgeschlossen sind, erfasst Art 15 Abs 1 Buchstabe c unabhängig von ihrem Gegenstand alle Verträge , die ein Verbraucher mit einem Berufstätigen oder Gewerbetreibenden abschließt, und die dessen beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit zugerechnet werden können. …

Rn 52: Allerdings ist festzustellen, dass der genannte Art 15 nur insoweit Anwendung findet, als die fragliche Klage in Verbindung mit einem Vertrag steht (Anm: Hervorhebung durch das Rekursgericht), der zwischen einem Verbraucher und einem Berufstätigen oder Gewerbetreibenden abgeschlossen wurde.

Rn 53: Art 15 der Verordnung Nr 44/2001 setzt nämlich nach dem Wortlaut des einleitenden Teils von Abs 1 und des Abs 1 Buchstabe c voraus, dass der Verbraucher einen ‘Vertrag’ mit einer Person ‘geschlossen’ bzw bei einem ‘Vertrag’ als ‘Vertragspartner’ eine Person hat, die eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. …

Hervorzuheben ist auch, dass Art 15 der Verordnung Nr 44/2001 hinsichtlich der Voraussetzung des Abschlusses eines Vertrags im Wesentlichen genauso formuliert ist wie Art 13 des Brüsseler Übereinkommens.

Rn 54: In Bezug auf diese Voraussetzung ist im Rahmen von Art 15 Abs 1 Buchstabe c der Verordnung Nr 44/2001 zwar denkbar, dass eine der Parteien nur ihre Annahme zum Ausdruck bringt, ohne selbst eine wie auch immer geartete rechtliche Verpflichtung gegenüber der anderen Vertragspartei einzugehen (vgl Rn 51 des vorliegenden Urteils). Damit ein Vertrag im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist allerdings unerlässlich, dass die letztgenannte Partei eine solche rechtliche Verpflichtung eingeht, indem sie ein verbindliches Angebot macht, dass hinsichtlich seines Gegenstands und seines Umfangs so klar und präzise ist, dass eine Vertragsbeziehung, wie sie diese Vorschrift voraussetzt, entstehen kann.

Rn 55: Diese letztgenannte Voraussetzung kann nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn die Versandhandelsgesellschaft im Rahmen einer Gewinnzusage wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine rechtliche Verbindlichkeit eingegangen ist. Sie muss mit anderen Worten klar ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, im Fall einer Annahme durch die andere Partei an ihre Verbindlichkeit gebunden zu sein, indem sie sich bedingungslos bereit erklärt hat, den fraglichen Preis an Verbraucher auszuzahlen, die darum ersuchen. Es ist Sache des vorliegenden (Anm: = nationalen) Gerichts, zu beurteilen, ob diese Voraussetzung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt ist. ...

Rn 59: Bei der gegenwärtigen Fassung von Art 15 der Verordnung Nr 44/2001 kann demnach Abs 1 Buchstabe c dieser Vorschrift auf eine Klage wie die im Ausgangsverfahren erhobene keine Anwendung finden, wenn sich der Berufstätige oder Gewerbetreibende nicht vertraglich (Anm: Hervorhebung durch das Rekursgericht) verpflichtet hat, den zugesagten Preis an den Verbraucher auszuzahlen, der dies beansprucht. In dieser Fallgestaltung ist die genannte Vorschrift auf eine solche Klage nur unter der Voraussetzung anwendbar, dass auf die irreführende Gewinnzusage der Abschluss eines Vertrags zwischen dem Verbraucher und der Versandhandelsgesellschaft folgt, und zwar durch eine bei dieser Gesellschaft aufgegebene Bestellung. ...“

Zusammenfassend hält daher der Europäische Gerichtshof fest, dass nicht jede rechtliche Bindung (insbesondere durch Gesetz) ausreicht, um den Gerichtsstand nach Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO zu begründen: Zwar bedarf es keines synallagmatischen Vertrags, jedoch einer klar zum Ausdruck gebrachten Willenserklärung, die nur noch der Annahme des Verbrauchers bedarf, um eine vertragliche Bindung herbeizuführen.

§ 5j KSchG lautet: „Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendung den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, haben dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden.“

In seiner (von der Rekurswerberin als „vereinzelt“ bezeichneten) Entscheidung vom 2. 7. 2008, 7 Ob 17/08p, setzte sich der Oberste Gerichtshof mit der Rechtsnatur des Anspruchs nach § 5j KSchG auseinander und arbeitete darin umfassend den bisherigen Meinungsstand in der Lehre, Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs sowie die zur vergleichbaren Bestimmung des § 661a BGB ergangene deutsche Judikatur auf. Er gelangte dabei zum Ergebnis, dass § 5j per se keinen (einseitig verpflichtenden) vertraglichen Anspruch, sondern einen besonderen gesetzlichen Anspruch schafft. Die Argumente der Rekurswerberin sind nicht geeignet, von dieser überzeugenden Judikatur abzugehen. Gewährt somit § 5j KSchG für sich allein keinen „vertraglichen“ Anspruch, wäre es an der Klägerin gelegen aufzuzeigen, dass hier ausnahmsweise doch ein solcher vorgelegen ist. Was die Gewinnzusage anlangt, hat sich die Klägerin ausdrücklich nur auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 5j KSchG, insbesondere den von ihr gewonnenen „Eindruck“ (AS 3, 63), berufen. Die von der Rekurswerberin erstmalig im Rekursverfahren versuchte anderslautende Interpretation ihres Vorbringens muss daher als unzulässige Neuerung unbeachtet bleiben. Die Rekurswerberin vermag auch nicht darzulegen, inwiefern die vom nationalen Gericht vorzunehmende Interpretation (s oben), ob eine vertragliche Bindung vorliegt, gemeinschaftsrechtlich anders zu beurteilen wäre (vgl Brenn, „Endgültig kein Verbrauchergerichtsstand bei irreführenden Gewinnzusagen nach § 5j KSchG ohne Warenbestellung“, ÖJZ 2009/92). Im Übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Text der Gewinnmitteilung, insbesondere im Zusammenhalt mit den auf der Rückseite befindlichen Bedingungen, keineswegs die vom Europäischen Gerichtshof (Rs  Ilsinger , Rn 54, 55) geforderte klare und bedingungslose Willenserklärung zum Ausdruck bringt (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erforderliche vertragliche Element kann daher dem Klagsvorbringen nur insoweit entnommen werden, als sich die Klägerin auf eine gleichzeitig mit der Gewinnanforderung erfolgte Warenbestellung beruft (s Rs Ilsinger Rn 60 letzter Absatz). Diesbezüglich erachtete das Berufungsgericht jedoch das Verfahren der ersten Instanz als mangelhaft, weil ein von der Beklagten angebotener Beweis im Zuständigkeitsstreit nicht aufgenommen worden war. Wenn die Beklagte eine Zeugin zum Beweise dafür beantragt hat, dass die Klägerin keine wirksame Bestellung aufgegeben hat, mag dieser Beweis schwierig sein, ist aber entgegen der Auffassung der Rekurswerberin nicht schlicht unmöglich. Ist aber die dem Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts zugrunde liegende Rechtsansicht zutreffend, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger ZPO 3 § 519 Rz 26).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 50 ZPO.

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