OGH 13Os31/10y

OGH13Os31/10y17.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ronald D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. November 2009, GZ 064 Hv 95/08w-163, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ronald D***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I/A) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I/B) sowie der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (IV) und der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB (II) und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Abs 1 Z 1) StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Marihuana,

A) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus- und eingeführt, indem er es in seinem PKW auf dem Landweg aus den Niederlanden über Deutschland nach Österreich brachte, und zwar

1) von Jänner 2006 bis Anfang Mai 2006 in zahlreichen Schmuggelfahrten zumindest 80.000 Gramm (darin enthalten zumindest 4.000 Gramm Delta-9-THC);

2) am 12. Mai 2006 40.112 Gramm (darin enthalten zumindest 3.020 Gramm Delta-9-THC);

B) von Jänner 2006 bis Anfang Mai 2006 in Wien in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er in zahlreichen Angriffen zumindest 80.000 Gramm (darin enthalten zumindest 4.000 Gramm Delta-9-THC) an den abgesondert verfolgten Bernd H***** zum Kilopreis von 4.300 Euro verkaufte;

(II) am 12. Mai 2006 an einer näher bezeichneten Stelle der Autobahn A1 den Polizeibeamten André B***** durch unvermitteltes Davonfahren, mithin Gewalt an einer Verkehrskontrolle gehindert;

(III) durch die zu II genannte Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit des Polizeibeamten, der sich nur durch einen Sprung vor dem Mitgeschleiftwerden retten konnte, herbeigeführt;

(IV) am 19. Juni 2009 in Wien Polizeibeamte dadurch der Gefahr der behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung, und zwar des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs 1 StGB, sowie einer Verletzung der Amtspflicht falsch verdächtigte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch war, indem er in einem an die Korruptionsstaatsanwaltschaft gerichteten Schreiben wahrheitswidrig angab, dass die Beamten seine Freundin Melissa D***** im Zuge der Erhebungen in einem konkret bezeichneten Ermittlungsverfahren unter Androhung von Schlägen und durch eine im Urteil genannte Drohung zur Aussage gegen ihn verhalten hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten aus Z 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Zu IV kritisiert der Beschwerdeführer die Begründung der Feststellung, er habe gewusst, dass die in seiner Eingabe enthaltenen Verdächtigungen falsch waren (US 13), als „unzureichend“, ohne darzulegen, weshalb die ausführlichen Erwägungen der Tatrichter (US 24 bis 33) den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen sollten. Die als undeutlich reklamierte Folgerung der Tatrichter, wonach letztlich „nur mehr die Möglichkeit“ bleibe, „dass der Angeklagte sich die reale Existenz solcher Vorkommnisse eingebildet hatte“, wird in den Entscheidungsgründen nachfolgend eingehend erörtert, ohne dass diese Erörterung aus Z 5 erster Fall in Frage gestellt wird. Was daran mangelhaft sein soll, bleibt unerfindlich.

Die ebenfalls Punkt IV des Schuldspruchs betreffende, nicht ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Wissen des Angeklagten von der Fälschlichkeit der von ihm erhobenen Verdächtigungen reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht die just dieses Wissen ausdrücklich konstatierenden Entscheidungsgründe (US 13 zweiter Absatz).

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach Z 9 lit c: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 635), welche die objektive Eignung der inkriminierten Eingabe des Angeklagten, die Gefahr einer behördlichen Verfolgung der Bezichtigten zu begründen mit der Behauptung bestreitet, dass eine völlig absurde Anzeige des Angeklagten vorliege, weshalb allenfalls eine Strafbarkeit (nur) nach § 111 StGB in Betracht komme, verfehlt den in den Urteilsfeststellungen bestehenden Bezugspunkt dieses materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Der aus Z 11 erster Fall begehrten Bedachtnahme auf ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. Oktober 2007 (AZ 1 KLs 354 Js 24060/2006) steht der Tatzeitpunkt zu IV vom 19. Juni 2009 entgegen. § 31 StGB kommt nämlich nur zur Anwendung, wenn sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten vor dem Vor-Urteil erster Instanz begangen wurden (RIS-Justiz RS0067017, RS0090813).

Entgegen der weiteren Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) stellt die Wertung des „massiven“ Überschreitens des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge als erschwerend den behaupteten Verstoß gegen das sogenannte Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB deshalb nicht her, weil „massives Überschreiten“ eines die Strafdrohung begründenden Verhaltens diese gerade nicht bestimmt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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