Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die klägerische Marktgemeinde ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 72 Grundstück Nr 33/1 und EZ 71 Grundstück Nr 31/1, beide Grundbuch *****.
Der Beklagte ist aufgrund des Übergabsvertrags vom 29. 1. 1988 Eigentümer der Liegenschaft EZ 538 Grundbuch ***** Grundstück Nr 33/2 mit einem Gesamtausmaß von 18 m². Diese Liegenschaft ist mit einem Kellergebäude (Presshaus) bebaut, das von allen Seiten von den Grundstücken der Klägerin umgeben wird.
Diese Liegenschaft steht bereits seit den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts im Eigentum der Familie des Beklagten.
Die östlich des Kellergebäudes gelegenen Teile der Grundstücke 33/1 und 31/1 oberhalb der Kellerröhre des Presshauses des Beklagten wurden vom Beklagten seit 1973, davor von seinem Vater und davor von seinem Großvater auf einer Fläche von ca 8 x 20 m in der Form genutzt, dass darauf Obstbäume gepflanzt wurden, das Obst geerntet und weiterverarbeitet wurde, andere auf der Fläche wachsende Bäume geschlägert wurden, um daraus Brennholz zu gewinnen, und außerdem der Boden bearbeitet wurde.
Der Beklagte setzte in den 1970-er Jahren die Obstbäume neu aus. Als er Anfang der 1990-er Jahre aufgrund von Schäden durch umherstreunende Tiere den „Obstgarten“ einzäunen wollte, wandte er sich an die Klägerin mit dem „Ansuchen um Verkauf des Gemeindegrundes über seinem Keller in ***** im Ausmaß von ca 150 m2“, zog jedoch in der Folge sein Ansuchen wegen zu hoher Kosten zurück.
Neben seinem Kellergebäude errichtete der Beklagte auf den bezeichneten Grundstücken einen provisorischen Zaun aus Schneeplanken und einen provisorischen Eisenzaun. Zudem wurde auf beiden Seiten des 8,20 m großen Grundstücksteils durch Hasenstallgitter eine Abgrenzung errichtet, was von der Klägerin nicht erlaubt worden war. In den letzten Jahren nutzte der Beklagte die Liegenschaft ohne Wissen und Einverständnis der Klägerin auch zur Ablagerung von Holz, Erde, Steinen, Weingartenstehern, einer verrosteten Tonne und diverser ausrangierter landwirtschaftlicher Geräte.
Das Erstgericht traf darüber hinaus folgende Feststellung:
„Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte oder seine Rechtsvorgänger die gegenständliche Fläche über deren Nutzung als Obstgarten und Abstellplatz hinaus als eigene Liegenschaft gewollt hätten. Über die Frage, in wessen Eigentum die Fläche steht, wurde zwischen dem Beklagten und seinem Vater bis 1993 nicht gesprochen.“
Mit der vorliegenden Eigentumsfreiheitsklage begehrt die Klägerin festzustellen, dass der Beklagte das Eigentum der klagenden Partei am Grundstück Nr 33/1 der EZ 72 und am Grundstück Nr 31/1 der EZ 71, beide Grundbuch *****, dadurch verletzt habe, dass er auf dem Grundstück Nr 31/1 (nördlich des Presshauses) sowie auf dem Grundstück Nr 33/1 (insbesondere östlich des Presshauses) Einzäunungen und Ablagerungen getätigt habe. Weiters wird begehrt, den Beklagten zur Entfernung der auf den bezeichneten Grundstücken aufgestellten Einzäunungen und abgelagerten Gegenstände zu verpflichten und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Darüber hinaus wird begehrt, den Beklagten zur Unterlassung künftiger Störungshandlungen zu verpflichten.
Die Klägerin stützte sich darauf, dass sie grundbücherliche Eigentümerin der bezeichneten Liegenschaften sei, der Beklagte hingegen zu den inkriminierten Handlungen zu keiner Zeit berechtigt gewesen sei. Einer Aufforderung zur Beseitigung der Einzäunung und der Gegenstände sei der Beklagte nicht gefolgt.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seien von ihm bzw seinen Rechtsvorgängern seit ca 80 Jahren verwendet, benutzt und bewirtschaftet worden, wobei dieser Besitz echt und redlich gewesen sei. Der Beklagte sei daher durch Ersitzung Eigentümer der bezeichneten Teilflächen geworden.
Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen unter Hinweis darauf, dass der Beklagte im Jahr 1993 die streitgegenständliche Liegenschaft von der Klägerin habe kaufen wollen.
Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen gab das Erstgericht dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Der Einwand des Beklagten, er sei infolge Ersitzung Eigentümer der streitgegenständlichen Fläche geworden, sei nicht berechtigt. Dazu wäre gegenüber der Klägerin als Gemeinde ein echter und redlicher Besitz des Grundstücks über einen Zeitraum von 40 Jahren notwendig. Der Beklagte selbst benütze die Liegenschaft aber erst seit 1973. Inwieweit ein Rechtsübergang vom Großvater und Vater auf ihn stattgefunden habe, sei aufgrund der Feststellungen nicht ersichtlich. Die Liegenschaft EZ 538 (Presshaus), von der behauptet worden sei, die verfahrensgegenständliche Fläche „gehöre dazu“, sei dem Beklagten auch nicht von seinem Vater, sondern von seinem Bruder übergeben worden.
Überdies habe sich ergeben, dass die tatsächliche Benützung nicht vom Willen getragen gewesen sei, die Fläche „als eigene haben zu wollen“. Es stehe nur fest, dass bloß die Bewirtschaftung der Fläche als Obstgarten gewollt gewesen sei, nicht aber die Ausübung eines Eigentumsrechts.
Der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es übernahm nach Erledigung der Beweisrüge des Beklagten die Negativfeststellung hinsichtlich des Willens des Beklagten und seiner Rechtsvorgänger zur Benützung als Eigentümer, hielt diese, ohne allerdings rechtlich klarzustellen warum, für entscheidungserheblich und bestätigte das erstinstanzliche Urteil ohne weitere Befassung mit der Beweisrüge des Beklagten.
Eine Eigentumsersitzung habe nicht stattgefunden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt, jedoch erst über nachträglichen Antrag der Beklagten (§ 508 ZPO), dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Möglicherweise habe das Berufungsgericht eine unrichtige Beweislastverteilung in der Frage der Redlichkeit des Besitzes vorgenommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Die Revision des Beklagten ist infolge Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht zulässig. Sie ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.
Ersitzung ist der Erwerb eines Rechts durch qualifizierten Besitz und dessen Ausübung während der gesetzlich bestimmten Zeit. Sie führt zu einem originären Rechtserwerb, der zur Folge hat, dass der bisherige Rechtsinhaber sein Recht verliert (§ 1478 ABGB). Erworben wird das Recht, das inhaltlich dem ausgeübten Besitz entspricht (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I13 337).
Für die uneigentliche Ersitzung ist die Rechtmäßigkeit (der Titel) nicht Voraussetzung, sie erfordert nur Redlichkeit und Echtheit des Ersitzenden (vgl aaO 339 mwN). Die Beweislast - hier der Klägerin - ergibt sich aus § 328 ABGB, der eine gesetzliche Vermutung für die Redlichkeit des Besitzes normiert. Die Klägerin musste also die Unredlichkeit des Beklagten, der sich auf Ersitzung beruft, beweisen, also dass dieser keine wahrscheinlichen Gründe hatte, die Sache für die seine zu halten (RIS-Justiz RS0010185; zuletzt 7 Ob 37/08d; vgl auch RIS-Justiz RS0002942; Koziol/Welser aaO 262; Eccher in KBB2 § 328 Rz 1). Der gute Glaube entfällt nicht nur bei nachträglicher Kenntnis der Unrechtmäßigkeit, sondern auch bei Kenntnis von Umständen, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit hervorrufen müssen (RIS-Justiz RS0034103; RS0010184, jeweils mwN; SZ 55/46; 5 Ob 2090/96 uam).
Während im vorliegenden Fall der Beklagte die Redlichkeit seines Besitzes behauptet hat, hat sich die Klägerin darauf beschränkt, diese zu bestreiten und nur darauf verwiesen, dass der Beklagte versucht habe, die Liegenschaft käuflich zu erwerben.
Die Beweislast desjenigen, der eine Ersitzung behauptet, umfasst den Beginn der Ersitzungsfrist und deren Dauer (RIS-Justiz RS0034243). Dazu hat wiederum der Beklagte Vorbringen erstattet, das vom Berufungsgericht unbeachtet blieb. Eine entsprechende Beweisrüge blieb unerledigt.
Was nun die vom Berufungsgericht für maßgeblich erachtete Negativfeststellung betrifft, ist Folgendes anzumerken: Der Besitzwille muss nur auf den Besitz der Sache, nicht aber auf Ersitzung des Eigentums gerichtet sein (vgl RIS-Justiz RS0034283; RS0034138). Dass der Besitzwille auf Sachbesitz und nicht auf Rechtsbesitz gerichtet war, steht dem Erwerb des Rechtsbesitzes nicht entgegen (Meissel in KBB2 § 1460 ABGB Rz 7 mwN).
Im Ergebnis kommt aber auch den Ausführungen über die Unterlassung der Befassung mit der Beweisrüge durch das Berufungsgericht hinsichtlich der Ersitzungszeit keine Bedeutung zu. Unter die Erfordernisse der Ersitzung zählt nämlich § 1460 ABGB, dass die Sache „wirklich“ besessen wird. Die Besitzergreifungshandlungen und der Besitzwille bestimmen den Inhalt des Besitzes und damit das Ausmaß des zu ersetzenden Rechts. In diesem Zusammenhang müssen Handlungen gesetzt werden, die den Eigentümer von der Ausübung seines Rechts ausschließen (vgl RIS-Justiz RS0034276 ua). Die Besitzausübung muss die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringen. Typische Arten der Ausübung des Sachbesitzes an unbeweglichen Sachen sind das Betreten, Verrainen, Einzäunen, Bezeichnen oder Bearbeiten (§ 312 ABGB). Solche Benützungsarten bringen die Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck (vgl SZ 39/77; 1 Ob 229/97a; RIS-Justiz RS0009792 [T7; T8] M. Bydlinski in Rummel ABGB3 § 1460 Rz 2 mit Rechtsprechungshinweisen). Die Rechtsprechung nimmt bei geringer Bewirtschaftungsintensität in der Regel bloß die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit an (vgl RIS-Justiz RS0010142).
Die feststehende (und in seiner Berufung ON 20 unbekämpfte) Nutzungsart durch den Beklagten vor der von der Klägerin mit der gegenständlichen Klage verfolgten Einzäunung und Ablagerung bestand im Wesentlichen in der Nutzung als „Obstgarten“. Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung lässt sich dieser ausgeübte Rechtsinhalt noch nicht sinnfällig als Inanspruchnahme eines Rechts durch den Eigentümer bewerten, weil eine solche „Bewirtschaftung“ auch von einem Servituts- oder aufgrund eines Vertrags Nutzungsberechtigten vorgenommen werden kann (1 Ob 512/96 = SZ 69/187; 9 Ob 18/08z; RIS-Justiz RS0010126).
Auf die Ersitzung einer Servitut hat sich der Beklagte allerdings nicht berufen. Durch die vorliegende Klage wird auch die bisherige Benützungsart, bevor der Beklagte die Liegenschaft einzäunte und Gegenstände ablagerte, nicht erfasst. Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen damit die Bewirkung einer Eigentumsersitzung hinsichtlich der strittigen Grundstücksflächen durch den Beklagten verneint.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen und das klagestattgebende Berufungsurteil zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Klägerin hat - wie bereits ausgeführt - keine Revisionsbeantwortung erstattet.
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