Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 4. 9. 2004 verstorbene Ehegatte der Klägerin, Dr. J***** Z*****, stand vom 5. 6. 1986 bis 30. 6. 2004 als vollbeschäftigter Bediensteter des höheren Verwaltungsdienstes in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Sein letztes monatliches Bruttogehalt betrug 3.959,11 EUR. Dr. Z***** vereinbarte mit der Beklagten im Dezember 2003 die einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses zum 30. 6. 2004. Dem war vorausgegangen, dass seine Leistungen schon über einen längeren Zeitraum nur mehr als unterdurchschnittlich eingestuft worden waren, weshalb man sich bei der Beklagten mit der Absicht getragen hatte, ihn zu kündigen. Über seine Frage, ob man die Kündigung nicht vermeiden könne, war ihm dann die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses vorgeschlagen worden, der er trotz Hinweises, dass er diesfalls keine Abfertigung bekomme, zustimmte. Dr. Z***** litt allerdings zu dieser Zeit bereits an einer schweren Depression und Alkoholkrankheit und war zufolge psychischer Einengung nicht mehr in der Lage, die rechtlichen Folgen einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zu überblicken und eine freie selbständige Willensentscheidung zu treffen.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage nach Einschränkung des Klagebegehrens zuletzt den Betrag von 9.243,33 EUR sA als Abfertigung gemäß § 48 Abs 1 VBO 1995. Einem Dienstnehmer gebühre auch bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses nur dann keine Abfertigung, wenn keine Vereinbarung darüber zustandekomme. Dies setze aber entsprechende Verhandlungen voraus, die hier nicht stattgefunden haben. Ihr verstorbener Ehegatte sei nämlich über den Entfall des Anspruchs „hinweggetäuscht“ worden. Er habe nicht auf eine Abfertigung verzichtet und sei nur über Druck des Dienstgebers zur einvernehmlichen Auflösung veranlasst worden. Er sei zufolge seiner depressiven Erkrankung psychisch so eingeengt gewesen, dass er die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr überblickt habe.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass im Fall der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 44 VBO 1995 eine Abfertigung gemäß § 48 Abs 2 Z 7 VBO 1995 nur dann gebühre, wenn ihre Gewährung gesondert vereinbart werde. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses sei es über Initiative des verstorbenen Ehegatten der Klägerin gekommen, um der drohenden Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Beklagte zuvorzukommen. Dr. Z***** sei uneingeschränkt dienstfähig gewesen, eine psychische oder physische Beeinträchtigung habe nicht festgestellt werden können.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der oben wiedergegebenen Feststellungen statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zur Auffassung, dass infolge mangelnder Geschäftsfähigkeit des Dr. Z***** keine wirksame einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zustandegekommen sei. Dr. Z***** habe daher einen Anspruch auf Abfertigung gehabt, der nunmehr der Klägerin als seiner Erbin zustehe. Ob die Beklagte zu einer Kündigung berechtigt gewesen wäre, sei unbeachtlich, weil es dazu nicht gekommen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens ab. Dabei sprach es aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Berechtigung der Mängel- und Beweisrüge der Beklagten in der Berufung verneinend, gelangte es zur rechtlichen Beurteilung, dass das Dienstverhältnis infolge Unwirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung und Rückziehung des eingeleiteten Kündigungsverfahrens durch die Beklagte durch den Tod des Dr. Z***** beendet worden sei. In einem derartigen Fall gebühre aber gemäß § 48 Abs 2 Z 2 VBO 1995 keine Abfertigung. Ein Sterbekostenbeitrag gemäß § 48 Abs 9 VBO 1995, der als originärer Anspruch bestimmten Angehörigen zustehe und von der Abfertigung zu unterscheiden sei, sei von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Die Klägerin habe sich in erster Instanz ausdrücklich auf den Rechtsgrund der Abfertigung gestützt. Ob das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, mit der Klägerin die Unschlüssigkeit der Klage zu erörtern, müsse hier nicht beantwortet werden, weil einem allfälligen diesbezüglichen Verfahrensmangel keine Entscheidungsrelevanz mehr zukomme. Die Klägerin habe nämlich einen Sterbekostenbeitrag erstmals in der Berufungsbeantwortung geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei aber der allenfalls am 4. 9. 2004 entstandene Anspruch auf Sterbekostenbeitrag bereits verjährt gewesen. Zufolge Abhängigkeit vom Prozessvorbringen der Klägerin komme der Berufungsentscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen sei (§ 502 Abs 1 ZPO).
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinn des gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Schwerpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens lag in der Klärung der Geschäftsfähigkeit des verstorbenen Ehegatten der Klägerin bei Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses mit der Beklagten im Dezember 2003. Nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass Dr. Z***** infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr über die erforderliche Geschäftsfähigkeit verfügte, um die Bedeutung einer einvernehmlichen Auslösung des Dienstverhältnisses zu überblicken und sich gemäß dieser Einsicht zu verhalten. Da eine andere Beendigung des Dienstverhältnisses bis zu seinem Tod am 4. 9. 2004 nicht erfolgte, ging das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass das Dienstverhältnis durch den Tod des Ehegatten der Klägerin beendet wurde.
Dr. Z***** war als Vertragsbediensteter der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag der Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995), LGBl 1995/50. Diese normiert, dass bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Tod des Vertragsbediensteten keine Abfertigung gebührt (§ 48 Abs 2 Z 2 VBO 1995). Diese Konsequenz wurde offenbar weder von der Klägerin noch vom Erstgericht bedacht, das - den Tod des Dr. Z***** als Beendigungsgrund zugrundelegend - der Klägerin die von ihrem verstorbenen Ehegatten im Erbweg abgeleitete Abfertigung zusprach. Geht man nun aber davon aus, dass gemäß der VBO 1995 bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Tod des Vertragsbediensteten keine Abfertigung gebührt, stellt sich die Frage, wie die Klägerin, deren Prozessziel die Beseitigung der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses war, zu einem im Erbweg erworbenen Abfertigungsanspruch ihres verstorbenen Ehegatten zu kommen glaubte oder ob es ihr möglicherweise um einen anderen Anspruch ging.
Die VBO 1995 sieht bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Tod des Vertragsbediensteten keine Abfertigung, wohl aber in § 48 Abs 9 einen Sterbekostenbeitrag vor. Er setzt im Fall der überlebenden Ehegattin (Z 1) voraus, dass diese am Sterbetag des Vertragsbediensteten mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Richtig ist nun, dass die Klägerin in erster Instanz nicht den Ausdruck „Sterbekostenbeitrag“ erwähnte, allerdings zuerst von einer „Abfindung“ und erst im Zug der Verbesserung ihres Klagevorbringens von einer „Abfertigung“ gemäß § 48 Abs 1 VBO 1995 sprach. In diesem Zusammenhang kommt nun aber der in der Berufungsbeantwortung der Klägerin erhobenen Mängelrüge Bedeutung zu. Danach habe das Erstgericht seine Anleitungspflicht verletzt, weil es die Klägerin nicht angeleitet habe, die von ihr begehrte „Abfindung“ dahin zu präzisieren, dass es sich um „Sterbegeld“ handle. Dies erkannte auch das Berufungsgericht, ließ aber die Mängelrüge der Klägerin ausdrücklich dahingestellt, weil der erstmals in der Berufungsbeantwortung geltend gemachte Sterbekostenbeitrag verjährt sei. Damit erweist sich aber das Berufungsverfahren als mangelhaft, weil die Begründung, dass der Sterbekostenbeitrag ohnehin verjährt sei, die Nichtbehandlung der Mängelrüge der Klägerin nicht rechtfertigt. Auf die Verjährung ist nämlich - ohne Einwendung der Parteien - von Amts wegen nicht Bedacht zu nehmen (§ 1501 ABGB; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1501 Rz 1; RIS-Justiz RS0034326 ua). Aus den damit bloß hypothetischen Überlegungen des Berufungsgerichts zur Verjährung ist daher im gegenwärtigen Verfahrensstadium nichts zu gewinnen.
Die Revision der Klägerin erweist sich damit als berechtigt. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Arbeitsrechtssache an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Dieses wird sich im fortgesetzten Berufungsverfahren mit der Mängelrüge der Klägerin in der Berufungsbeantwortung auseinanderzusetzen haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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