OGH 12Os42/10h

OGH12Os42/10h6.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Wöss als Schriftführerin in der Strafsache gegen Yusup S***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Yusup S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 21. Jänner 2010, GZ 141 Hv 148/09g-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Yusup S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des Mitangeklagten Turpaleli E***** sowie einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Angeklagten Yusup S***** enthält, wurde Yusup S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 14. November 2009 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Turpaleli E***** und zumindest drei weiteren unbekannten Mittätern (§ 12 StGB) dem Belal A***** mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich 80 EUR Bargeld sowie eine Packung Zigaretten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Turpaleli E***** den Belal A***** auf Zigaretten ansprach und, als dieser nur eine Zigarette hergeben wollte, mit der Faust gegen dessen Gesicht schlug, ihm gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter mehrere Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte und Yusup S***** und weitere ca drei Täter unmittelbar neben dem Opfer standen, dieses an der Flucht hinderten, sich zum sofortigen Eingreifen bereithielten und die Drohung mit weiteren Schlägen verstärkten, wobei einer der Angreifer aus der Richtung des Yusup S***** den anderen in deutscher Sprache zurief, dass sie dem Opfer alles wegnehmen sollten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yusup S*****, welcher keine Berechtigung zukommt.

Mit Verfahrensrüge (Z 3) kritisiert der Beschwerdeführer in Ansehung der Begründung des freisprechenden Teils des Erkenntnisses (2./) eine (angebliche) Abweichung der schriftlichen Urteilsbegründung (US 10) von den am 21. Jänner 2010 mündlich verkündeten Entscheidungserwägungen. Soweit der Angeklagte die schriftlich ausgeführten Gründe für den ergangenen Teilfreispruch in Frage stellt (US 10), fehlt es ihm grundsätzlich an der für eine Rechtsmittellegitimation erforderlichen Beschwer (vgl § 282 StPO). Zudem übergeht er, dass der Umfang der gemäß § 268 StPO vorzunehmenden Verkündung der Gründe eines Urteils (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - anders als der in § 260 Abs 1 Z 1 bis Z 3 StPO genannten Aussprüche - im Nichtigkeitsverfahren irrelevant und das Gericht an diese verkündete Begründung bei seiner schriftlichen Urteilsausfertigung nicht gebunden ist (Danek, WK-StPO § 268 Rz 8).

In der Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt der Rechtsmittelwerber die Abweisung seines am 7. Jänner 2010 schriftlich eingebrachten (ON 40) und in der Hauptverhandlung vom 11. Jänner 2010 vorgetragenen Antrags auf „Ausschließung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes Dr. Bernhard K*****“(S 5 in ON 42).

Das die Entscheidung des Schöffensenats (ON 42 S 7) über einen Befangenheit des Vorsitzenden des Schöffengerichts behauptenden Antrag des Beschwerdeführers (ON 40, ON 42 S 5) kritisierende Vorbringen bildet inhaltlich den Gegenstand einer Besetzungsrüge im Sinn der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 132 und 386; RIS-Justiz RS0124803), die indes hier am Fehlen einer rechtzeitigen Rüge gleich zu Beginn der Hauptverhandlung scheitert (ON 42 S 3 ff; RIS-Justiz RS0097452).

Im Übrigen ist die gesetzeskonforme Erfüllung von Dienstpflichten als Richter des Hauptverfahrens (hier die Beschlussfassung in der Haftfrage [§ 175 Abs 5 iVm § 32 Abs 3 StPO]), aus der alleine der Beschwerdeführer Befangenheit des Vorsitzenden abzuleiten versucht, per se nicht geeignet, die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Betroffenen in Zweifel zu setzen (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 12).

Die Behauptung, die „Voreingenommenheit“ hätte sich auch in einem nach dem Beschwerdevorbringen nach Urteilsfällung gefassten (nicht aktenkundigen) Beschluss des Vorsitzenden sowie in der Urteilsausfertigung „niedergeschlagen“ ist schlicht unverständlich.

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) brachte das Gericht nicht zum Ausdruck, der Beschwerdeführer selbst habe Belal A***** 80 EUR gewaltsam aus der Hose gezogen, sondern konstatierte, dass dies durch „einen der Angreifer“ geschehen sei (US 12). Die den Rechtsmittelwerber betreffenden Feststellungen, wonach er sich zum „sofortigen Eingreifen bereithielt, unmittelbar am Tatort die Raubdrohung und die Gewalthandlungen seiner Mittäter durch Umzingeln des Opfers unterstützte und bewusst seine Flucht verhinderte“ (US 11 und 12), stützte das Schöffengericht - ohne die leugnende Verantwortung des Angeklagten zu übergehen (US 16 f) - auf die als glaubwürdig erachtete Schilderung des Belal A*****, welcher in der Hauptverhandlung vom 11. Jänner 2010 den Nichtigkeitswerber erkannte und deponierte, von „allen umzingelt“ und dadurch an der Flucht sowie an einer Gegenwehr gehindert worden zu sein, zumal „einer den anderen gewarnt“ hatte (S 71 - 77 in ON 42).

Weshalb die (ebenfalls auf die Aussage des Opfers gegründete; vgl S 75 in ON 42) Konstatierung des Inhaltes, dass „einer der Räuber aus Richtung des Beschwerdeführers den unmittelbar handelnden Tätern zugerufen hat, dem Opfer alles wegzunehmen“, aus dem Urteilsspruch zu eliminieren sei, legt die Beschwerde nicht dar. Dieses Vorbringen entzieht sich solcherart einer Erwiderung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet einen Mangel an Feststellungen zu einer kausalen Unterstützungshandlung des Rechtsmittelwerbers, übergeht aber insoweit die konkret darauf abstellenden Urteilsannahmen zu den vorsätzlichen Tatbeiträgen des Yusup S***** (vgl US 11 ff).

Die unsubstantiierte Behauptung, „Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz sind offensichtlich nicht vorhanden und auch nicht festgestellt“ (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der erstrichterlichen Konstatierungen und verfehlt damit den gerade darin gelegenen Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte „in Unterstützung der Raubforderung“ des Turpaleli E***** und eines unbekannten Mittäters auftrat (US 11 f), alle fünf Angreifer vom Opfer Geld und das Mobiltelefon forderten (US 12 und 17) und die zum Eingreifen bereit stehenden - unter anderem der Rechtsmittelwerber, der zuvor einen von einem Teil der Gruppe verübten Raub mitverfolgt und als Raubgeschehen erkannt hatte (US 10 f und 16) - Komplizen die Raubdrohung der Mittäter unterstützen (US 12), dem Tatopfer die Fluchtmöglichkeit abschnitten (US 15 und 17) und sich gegenseitig vor Versuchen des Opfers, sich zu wehren, warnten (US 12), jedenfalls im Zusammenhalt mit dem zu deren Verdeutlichung heranzuziehenden (RIS-Justiz RS0117247) Urteilstenor den - unter dem Aspekt materiellrechtlicher Nichtigkeit maßgeblichen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) - Willen der Tatrichter, die der vorgenommenen Subsumtion entsprechenden Feststellungen zu treffen, hinreichend zum Ausdruck bringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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