Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger und die Erstbeklagte stießen mit ihren Personenkraftwägen an einer ampelgeregelten Kreuzung zusammen.
Der Kläger brachte vor, dass die Erstbeklagte das Alleinverschulden am Unfall trage. Sie habe - im Zuge eines Abbiegevorgangs - das Fahrzeug des Klägers übersehen und dessen Vorrang verletzt, wodurch es zur streifenden Kollision zwischen dem linken vorderen Eck des Beklagtenfahrzeugs und der linken Fahrzeughälfte des Klagsfahrzeugs gekommen sei. Der Kläger stützte sein Schadenersatzbegehren „auf jeden sich aus dem Sachverhalt ergebenden bzw ableitbaren Rechtsgrund, insbesondere auf die Bestimmungen des KHVG, des EKHG, des ABGB sowie der StVO“.
Die Beklagten brachten vor, dass die Erstbeklagte nicht abbiegen, sondern die Kreuzung - aus einer Quergasse kommend - geradeaus überqueren habe wollen. Der Kläger sei bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren und habe den Unfall alleine verschuldet. Die Beklagten wendeten daher ihre eigenen Schadenersatzansprüche bis zur Höhe des Klagebegehrens aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt. Es stellte fest, dass die Erstbeklagte aus der Quergasse kommend die Kreuzung geradlinig überqueren habe wollen und die Haltelinie überfahren habe, als die Ampel von Gelblicht auf Rotlicht umgeschaltet habe. Die Erstbeklagte treffe daher das Alleinverschulden am Unfall.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Der der Erstbeklagten vorgeworfene Verstoß gegen die StVO (Einfahren in die Kreuzung bei Gelb- oder Rotlicht) finde im Vorbringen des Klägers keine Deckung. Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, dass in der Nichterörterung dieser Frage eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 182a ZPO liegen könnte.
Der Kläger macht in seiner Revision geltend, dass die Feststellungen des Erstgerichts zum Einfahren des Beklagtenfahrzeugs bei Rotlicht vom Klagsvorbringen gedeckt seien, nämlich dass die Erstbeklagte eine Vorrangverletzung begangen habe und der Kläger selbst bei Grünlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Im Übrigen hätte das Berufungsgericht, wenn es davon ausgehe, dass die Erstbeklagte kein Verschulden treffe, eine Haftung nach EKHG bejahen müssen. Der Kläger sei von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts überrascht worden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
1. Nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie wird der prozessuale Begriff des Streitgegenstands durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen vorgebrachten Tatsachen (rechtserzeugender Sachverhalt) bestimmt. Klagegrund ist daher das tatsächliche Vorbringen, aus dem der Kläger sein Begehren ableitet. Dieses Tatsachenvorbringen ist vom Gericht nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Nur dann, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt ist, ist es dem Gericht verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (10 Ob 11/08b; 2 Ob 203/08d uva).
2. Der Kläger stützte sein Begehren im Wesentlichen darauf, dass er bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren sei und die Erstbeklagte, den Vorrang des Klägers verletzend, das linke vordere Eck ihres Fahrzeugs in die linke Hälfte des Klagsfahrzeugs manövriert habe. Die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Unfall durch Einfahren der Erstbeklagten in die Kreuzung bei Gelblicht verursacht worden sei, ist daher noch vom Klagsvorbringen im Sinne der „Vorrangverletzung“ durch die Erstbeklagte gedeckt, wenn auch die Frage, welche Straße davor vom Beklagtenfahrzeug befahren wurde, vom Erstgericht in seinen Sachverhaltsfeststellungen abweichend vom Klagsvorbringen beantwortet wurde. In rechtlicher Hinsicht hat dies zur Folge, dass in einem Fall eine Verletzung des § 38 Abs 4 StVO und im anderen Fall eine Verletzung des § 38 Abs 1 StVO gegeben wäre. Der Kläger stützte sich jedoch nicht ausdrücklich und ausschließlich auf die eine oder die andere Norm. Die vom Erstgericht vorgenommene Beurteilung nach § 38 Abs 1 StVO hielt sich daher noch im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes. Die erwähnte Divergenz (Annäherung der Erstbeklagten aus dem Gegen- oder Querverkehr) steht dem nicht entgegen.
3. Die Beklagten haben in ihrer Berufung die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts, wonach die Erstbeklagte bei Gelblicht in die Kreuzung eingefahren sei, bekämpft. Das Berufungsgericht ließ diese Rüge mit dem Hinweis auf seine Rechtsausführungen unerledigt. Da diese vom erkennenden Senat nicht gebilligt werden, ist das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Erledigung der Tatsachenrüge an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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