OGH 7Ob37/10g

OGH7Ob37/10g21.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen S***** G*****, geboren am 13. November 2003, Mutter: MMag. A***** G*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und andere Rechtsanwälte in Wien, Vater: MMag. Dr. O***** G*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Dezember 2009, GZ 45 R 557/09h-S49, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Eine solche erhebliche Rechtsfrage wird im außerordentlichen Rechtsmittel der Mutter nicht aufgezeigt. Das in § 148 Abs 1 ABGB normierte Recht des minderjährigen Kindes und des mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteils, miteinander persönlich zu verkehren (Besuchsrecht), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und ein allgemein anerkanntes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Menschenrecht (7 Ob 34/07m mwN uva). Nach ständiger Rechtsprechung ist daher ein Mindestmaß persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen höchst erwünscht und wird im Dienste der gesunden Entwicklung des Kindes auch allgemein gefordert (RIS-Justiz RS0047754). Oberster Grundsatz jeder Besuchsrechtsregelung ist das Wohl und das Interesse des Kindes (RIS-Justiz RS0047958).

Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr daher keine Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukommen, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097114). Von einer derartigen Fehlbeurteilung kann im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Mutter keine Rede sein. Die Entscheidung, dem Vater über ein „Wochenendbesuchsrecht“ hinaus auch ein Besuchsrecht an jedem Mittwoch von 15:00 Uhr bis 21:00 Uhr dergestalt einzuräumen, dass er das Kind vom Kindergarten abzuholen und nach dem Besuch des Englischkurses wieder zur Mutter nach Hause zu bringen hat, ist jedenfalls vertretbar.

Der Einwand der Revisionsrekurswerberin, das Rekursgericht sei auf die erstgerichtliche Feststellung, es sei zweifelhaft, ob sich der Vater auf das Kind konzentrieren könne, nicht eingegangen, ist unrichtig. Das Gericht zweiter Instanz hat dazu ausgeführt, dass die Befürchtung des Erstgerichts, der Vater könnte wegen seiner hohen beruflichen Belastung die Besuche an Wochentagen hintanstellen, allein nicht ausreiche, um ihm ein Besuchsrecht auch unter der Woche zu versagen. Es dürfe dabei auch nicht übersehen werden, dass die Minderjährige jeden Mittwoch aufgrund der Berufstätigkeit der Mutter nicht von dieser, sondern von einer „Leihoma“ betreut werde. Wenn an einem Nachmittag in der Woche statt einer familienfremden Betreuungsperson der leibliche Vater zur Verfügung stehe, sei diesem jedenfalls der Vorzug zu geben. Die Ausweitung des Besuchsrechts des Vaters entspreche auch einer Empfehlung des Jugendwohlfahrtsträgers und dem ausdrücklichen Wunsch des Kindes.

Dieser eingehenden Begründung vermag die Mutter nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Ihr neuerungsweise vorgebrachter Einwand, der Vater habe den Besuchstermin am Mittwoch, den 3. 2. 2010, aus unbekannten Gründen nicht wahrgenommen, zeigt keinen im Interesse des Kindes zu beachtenden (und daher das grundsätzliche Neuerungsverbot außer Kraft setzenden - vgl RIS-Justiz RS0048056 und RS0106313) Umstand auf, der die Richtigkeit der Erwägungen des Rekursgerichts in Frage stellen könnte. Warum dem „Wochentagsbesuchsrecht“ die festgestellte Idealisierungstendenz des Kindes bezüglich des Vaters entgegenstehen soll, vermag der Revisionsrekurs ebensowenig plausibel zu begründen, wie die in keiner Weise belegte Behauptung, die angefochtene Entscheidung setze sich „über zahlreiche Leitsätze der Judikatur“ hinweg. Insgesamt wird kein tauglicher Grund für die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltend gemacht.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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