OGH 1Ob42/10y

OGH1Ob42/10y20.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch NM Norbert Moser Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei ***** C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, wegen 100.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 25. November 2009, GZ 5 R 157/09m-52, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. August 2009, GZ 29 Cg 170/06b-48, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 10.032,24 EUR (darin enthalten 849,04 EUR USt und 4.938 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahr 2004 erwarb die Beklagte eine Liegenschaft um 900.000 EUR. Zur Finanzierung eines Teils des Kaufpreises räumte eine Raiffeisenlandesbank der Beklagten einen Kredit über 700.000 EUR ein, der mit zwei Bankgarantien Dritter über jeweils 125.000 EUR besichert wurde. Ein bei der Klägerin haftpflichtversicherter Notar wurde mit Zustimmung der Beklagten mit der Durchführung des Kaufvertrags beauftragt. Am 7. 3. 2005 schlossen die Raiffeisenlandesbank und dieser Notar eine Treuhandvereinbarung. Darin verpflichtete sich der Treuhänder, den Treuhandbetrag samt Zinsen unverzüglich auf das Kreditkonto zurückzuzahlen, wenn der Treuhandauftrag nicht zur Gänze bis 30. 4. 2005 - vorbehaltlich einer einvernehmlichen schriftlichen Fristverlängerung - erfüllt werden könne. Am 18. 3. 2005 schloss der Notar und Treuhänder mit den Parteien des Kaufvertrags eine weitere Treuhandvereinbarung. Darin wurde ua vereinbart, dass der Treuhänder den erlegten Treuhandbetrag einschließlich Zinsen abzüglich der Kontoführungsspesen an die Käuferin zurückzustellen habe, wenn die vertragsmäßige grundbücherliche Durchführung nicht möglich sein sollte. Von dem treuhändig erlegten Betrag von 700.000 EUR vereinnahmte der Treuhänder ein Akonto von 5.000 EUR als Honorar und verwendete den Rest zur Lastenfreistellung. Er wusste, dass die Beklagte den (restlichen) Kaufpreis mangels liquider Mittel nicht begleichen konnte. Trotz Aufforderung der Beklagten, den Treuhanderlag an die Raiffeisenlandesbank zurückzuzahlen, führte er den Kaufvertrag grundbücherlich durch. Das Eigentumsrecht der Beklagten wurde im Grundbuch einverleibt. Die Raiffeisenlandesbank hielt in der Einlösungsbestätigung vom 25. 1. 2006 fest, dass die Klägerin nach vorherigem Begehren bezüglich der Abtretung der Rechte und Sicherheiten iSd § 1422 ABGB die auf dem Kreditkonto mit 18. 1. 2006 aushaftende Forderung von 504.958,80 EUR eingelöst hat.

Die Klägerin begehrte unter Hinweis auf diese Zahlung nach § 1422 ABGB einen Teilbetrag von 100.000 EUR. Die Beklagte hafte sowohl als Personal- als auch als Realschuldnerin für die Rückzahlung des aushaftenden Kredits. Überdies sei die Beklagte als nunmehrige Eigentümerin der Liegenschaft bereichert.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe als Haftpflichtversicherer des Treuhänders den aus dem Treuhandvertrag bestehenden Erfüllungsanspruch der Raiffeisenlandesbank liquidiert. Sie habe den durch das schuldhafte und rechtswidrige Verhalten ihres Versicherungsnehmers vereitelten Erfüllungsanspruch nur bezahlt, weil sie dazu verpflichtet gewesen sei. Durch diese Zahlung der Klägerin, die der Rückführung des Treuhanderlags durch den Treuhänder an die Raiffeisenlandesbank gleichkomme, sei der Kreditvertrag der Beklagten gegenüber der Raiffeisenlandesbank, soweit er die auf die Garanten übergegangene Forderung übersteige, gegenstandslos geworden. Die Einlösungserklärung sei sittenwidrig. Die Beklagte sei trotz des erworbenen Eigentums an der Liegenschaft nicht bereichert, weil diese höchstens 400.000 EUR wert sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es bejahte den Übergang der Personal- und Sachhaftung iSd § 1422 ABGB sowie eine Haftung wegen des treuhandwidrigen Verhaltens des Notars.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es die Beklagte zwar ebenfalls zur Zahlung von 100.000 EUR sA verpflichtete, dies aber nur gegen sonstige Exekution in die verkaufte Liegenschaft. Es ließ die Revision wegen fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zu der Frage zu, inwieweit ein Verlangen des Haftpflichtversicherers auf Abtretung der Rechte nach § 1422 ABGB bei Verletzung der gesonderten Treuhandvereinbarung zwischen dem Drittfinanzierer und dem Treuhänder (Versicherungsnehmer der Klägerin) auf das Kreditverhältnis zwischen dem Drittfinanzierer und dem Kreditnehmer wirke. In seiner rechtlichen Beurteilung folgte es dem Standpunkt der Beklagten, die Klägerin habe die aufgrund der Treuhandvereinbarung zwischen der Raiffeisenlandesbank und dem Treuhänder bestehende Verbindlichkeit bezahlt, nicht aber die der Bank gegenüber der Beklagten aus dem Kreditvertrag zustehende Forderung. Unterstelle man die Einlösungsvereinbarung der Wirkung des § 1422 ABGB gegenüber der Beklagten, würde dies dazu führen, dass die Klägerin ihr Risiko aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag mit dem Notar und Treuhänder auf die Beklagte und die beiden Garanten überwälzen könnte, was einer sinnvollen Beurteilung der Gesamtsituation nicht gerecht werde. Der Anspruchsgrund des § 1422 ABGB scheide daher aus, die Beklagte sei nicht Personalschuldnerin der „eingelösten Forderung“, weshalb auch die behauptete Sittenwidrigkeit dieser Einlösungserklärung nicht geprüft werden müsse. Berechtigt sei aber der weitere Anspruchsgrund der Bereicherung. Die Beklagte sei Eigentümerin der Liegenschaft geworden, wobei der ihr eingeräumte Kreditbetrag durch die Rückzahlung des Treuhandbetrags und das Ziehen der beiden Garantien nicht ausgenützt worden sei. Dass die Raiffeisenlandesbank die Garantien gezogen habe, sei bereicherungsrechtlich im Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht relevant. Der jeweilige Eigentümer der Liegenschaft - hier also die Beklagte - sei dadurch bereichert, dass mit dem Äquivalent der von der Klägerin an die Raiffeisenlandesbank erfolgten Zahlung die Belastung der Liegenschaft in diesem Umfang reduziert worden sei. Damit sei die Sachhaftung der Beklagten für den eingeklagten Betrag zu bejahen, nicht aber die persönliche Haftung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, welche die Stattgebung des Klagebegehrens nur insoweit bekämpft, als diesem lediglich bei Exekution in die Liegenschaft Folge gegeben wurde, ist zulässig und berechtigt.

Beide Parteien konzentrieren sich im Revisionsverfahren auf die Frage, ob die Klägerin die aushaftende Kreditforderung iSd § 1422 ABGB einlöste oder als Haftpflichtversicherer die Schadenersatzverpflichtung ihres Versicherungsnehmers (= des Treuhänders) tilgen wollte. Diese (nach den Feststellungen zu bezweifelnde) Unterscheidung nach dem Anspruchsgrund ist aber für das Ergebnis vollkommen irrelevant:

Im ersten Fall wurde eine fremde Schuld - nämlich jene der Beklagten aus dem Kreditvertrag - bezahlt. Dann geht die Forderung auf den zahlenden Haftpflichtversicherer entweder nach § 1422 ABGB (bei einem Begehren auf Einlösung) oder (analog) nach § 1358 ABGB über; letzteres unter der Prämisse, dass die Verpflichtung des treuwidrig handelnden Treuhänders bzw der für ihn einstehenden Haftpflichtversicherung, der kreditgewährenden Bank den Treuhanderlag zurückzuzahlen, als „Einstehen-müssen für eine fremde Schuld“ gewertet wird (dazu 6 Ob 222/08b mwN=ecolex 2009/401 [Wilhelm]). Bei der Legalzession nach § 1422 ABGB oder nach § 1358 ABGB geht die beglichene Forderung aus dem Kreditvertrag über. Eine Bereicherung der Kreditnehmerin ist in der zweiten Variante, also bei Begleichung einer (eigenen) Schadenersatzverpflichtung gegeben. Im Umfang des Rücktransfers der Kreditvaluta an die kreditgewährende Bank ist die Zahlungsverpflichtung der beklagten Kreditnehmerin weggefallen (6 Ob 222/08b).

Beide Konstruktionen führen zu einer Zahlungsverpflichtung aus einem bestimmten Anspruchsgrund (Legalzession oder bereicherungsrechtlicher Anspruch nach § 1041 ABGB [Wilhelm aaO]), der mit einer reinen Sachhaftung (zB eines „dritten“ Pfandbestellers) nicht zu verwechseln ist. Die Beklagte hat nun, wie sie in ihrer Revisionsbeantwortung selbst zugesteht, den Zuspruch der Forderung, also die Zahlungsverpflichtung aus dem Titel der Bereicherung, nicht bekämpft. Damit stellt sich das Problem der Abgrenzung nach dem Anspruchsgrund überhaupt nicht. Soweit das Berufungsgericht eine Begrenzung eines bereicherungsrechtlichen Verwendungsanspruchs iSd § 1041 ABGB der Höhe nach meint, indem es den Vorteil des Bereicherten heranziehen will, so wäre dies durch Reduktion des Wertersatzes in Geld vorzunehmen, nicht aber durch die Verknüpfung mit einer - in dieser Form nicht begehrten - Sachhaftung.

Mangels Bekämpfung der Zahlungsverpflichtung durch die Beklagte muss auf die Höhe des Zahlungsbegehrens nicht weiter eingegangen werden. Unabhängig davon ist auch nicht zu erkennen, wieso die Beklagte durch die Begleichung der aushaftenden Kreditforderung von mehr als 500.000 EUR nicht im Ausmaß von 100.000 EUR bereichert sein sollte, selbst wenn die Liegenschaft - wie von der Beklagten in erster Instanz behauptet - nur 400.000 EUR wert wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Ansatz nach TP 3B beträgt richtig 986,90 EUR, jener nach TP 3C 1.184,10 EUR, weshalb das Kostenverzeichnis der Klägerin entsprechend korrigiert wurde.

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