OGH 15Os33/10g

OGH15Os33/10g7.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ioan S***** und andere Angeklagte, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 8 Hv 15/09h des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des genannten Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 11. Februar 2010, AZ 9 Bs 17/10h, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Ioan S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

G r ü n d e :

Ioan S***** wurde - mit noch nicht rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18. August 2009 (zu I./) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie (zu III./) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall SMG, als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; die Vorhaft vom 26. November 2008 bis 18. August 2009 wurde auf die Strafe angerechnet.

Der Angeklagte befindet sich seit 30. November 2008 in Untersuchungshaft. Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Beschwerde des Ioan S***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 11. Jänner 2010, GZ 8 Hv 15/09h-190, mit dem die Fortsetzung seiner Untersuchungshaft angeordnet worden war, nicht Folge gegeben und die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Fluchtgefahr und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO fortgesetzt.

Nach den Annahmen des angefochtenen Beschlusses ist Ioan S***** dringend verdächtig, in Graz, Leibnitz und anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets vorschriftswidrig

I./ mit Ciprian C***** und Laurentiu M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 140.000 Stück Ecstasy-Tabletten und 5.000 Gramm Kokain, verdeckten Ermittlern der Sicherheitsbehörden angeboten zu haben, indem er am 18. November 2008 im Zuge der Verhandlungen mit diesen über die Lieferung der angeführten Suchtgifte den Preis für die Ecstasy-Tabletten mit 3 Euro pro Stück festsetzte und sich mit der Bezahlung des offenen Betrags aus dem Vertrauenskauf zum Zeitpunkt der Lieferung der angeführten Suchtgiftmengen einverstanden erklärte sowie am 21. November 2008 die Verhandlungen mit den verdeckten Ermittlern fortsetzte;

III./ dadurch, dass er Ciprian C***** das Geld für den Ankauf der später übergebenen Ecstasy-Tabletten in Belgien zur Verfügung stellte, ihn mit seinem PKW (zumindest teilweise) auf der Schmuggelfahrt begleitete und sich an den Verkaufsverhandlungen am 18. November 2008 in Leibnitz beteiligte, zur Ausführung der strafbaren Handlungen des Genannten beigtragen, der Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (1.) ein- und ausführte, indem er am 17. und 18. November 2008 2.000 Stück Ecstasy-Tabletten von Belgien kommend über Deutschland nach Österreich importierte und (2.) anderen überließ, indem er am 18. November 2008 2.000 Stück Ecstasy-Tabletten zum Preis von 8.000 Euro an verdeckte Ermittler der Sicherheitsbehörden verkaufte.

Die Grundrechtsbeschwerde wendet sich gegen die Annahme der Haftgründe der Fluchtgefahr und Tatbegehungsgefahr.

Rechtliche Beurteilung

Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellen. Dabei kann die in der Begründung des Haftbeschlusses zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, die erst in der Gesamtschau mit anderen die Prognoseentscheidung tragen, nach § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht in Frage gestellt werden, es sei denn, eine als willkürlich kritisierte bestimmte Tatsache bildete erkennbar eine notwendige Bedingung für die Prognose (RIS-Justiz RS0117806).

Mit der Behauptung, das Oberlandesgericht habe mit den Hinweisen auf die rumänische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, auf das Fehlen der sozialen Bindung in Österreich und das Bestehen internationaler Kontakte desselben auch nach Belgien schließlich auf seine Erfahrungen über das Fahndungswesen und die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden aufgrund seiner vormaligen Tätigkeit als Polizeibeamter keine bestimmten Tatsachen dargelegt, die die Annahme des Haftgrunds der Fluchtgefahr rechtfertigen, zeigt die Beschwerde keine Willkür der somit tragfähig begründeten Prognoseentscheidung auf; auch wurde - der Beschwerde zuwider - die soziale Bindung des Beschwerdeführers in Rumänien nicht unberücksichtigt gelassen (BS 5). Indem die Beschwerde die Annahme des Oberlandesgerichts, die in erster Instanz verhängte fünfjährige Freiheitsstrafe mit einem zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch zu verbüßenden Strafteil von rund drei Jahren und neun Monaten biete einen zusätzlichen Fluchtanreiz für den Beschwerdeführer, substratlos in Abrede stellt, zeigt sie ebenfalls keine offenbar unzureichende Begründung der Prognoseentscheidung auf.

Weil somit der Haftgrund der Fluchtgefahr hinreichend begründet angenommen wurde, erübrigt sich ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zu jenem der Tatbegehungsgefahr (RIS-Justiz RS0061196). Ihnen sei nur dahin erwidert, dass eine behauptete „Bindung“ der über die Haftfrage erkennenden Gerichte an Feststellungen des Ersturteils zu den (hier: in Hinblick auf die vorliegende Untersuchungshaft ersichtlich verfehlt in Präsensform beschriebenen, US 7) persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers jeglicher Ableitung aus dem Gesetz entbehrt (§ 15 StPO).

Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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