OGH 11Os15/10f

OGH11Os15/10f23.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsmy als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung der Snjezana C***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. November 2009, GZ 12 Hv 134/09p-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der Snjezana C***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat sie in Graz unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (paranoide Schizophrenie), die nachgenannten Personen durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Handlungen zu verleiten versucht, und zwar

1. am 30. April 2009 Emir C***** durch die sinngemäße Äußerung, die Kinder müssten zu ihr kommen, sonst würde sie am Nachmittag kommen und ihn sowie seine nunmehrige Ehegattin umbringen, zur Überlassung ihrer Kinder in ihre Obhut;

2. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im April oder Mai 2009 Emir C***** durch die sinngemäße Äußerung, sie werde jemand aus Kroatien kommen lassen, der ihm, seiner Frau und den Kindern mit einem Messer den Kopf abschneiden werde, zur Überlassung ihrer Kinder in ihre Obhut;

3. im Mai 2009 Sanella C***** durch mehrfache sinngemäße fernmündliche Äußerungen, sie werde die gesamte Wohnung auseinander nehmen und alle umbringen, wenn die Kinder nicht zu ihr zurück kämen, zur Rückkehr ihrer Kinder in ihre Obhut;

4. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende April/Anfang Mai 2009 Dijana C***** durch die mehrfachen sinngemäßen Äußerungen, sie werde mit jemandem aus ihrer Familie kommen und sie alle töten, wobei sie darauf verwies, ihr Großvater wäre Ustascha gewesen, weshalb sie wüsste, wie man Menschen den Kopf abschneide, denn das hätte sie von ihm gelernt, zur Überlassung ihrer Kinder in ihre Obhut,

und somit die Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen. Sie verfehlt ihr Ziel.

Der Antrag auf Vernehmung von Goran M*****, des Bruders der Betroffenen, zum Beweis dafür, dass sie die ihr vorgeworfenen Drohungen nicht ausgesprochen habe (ON 37/S 14), wurde ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen. Wie die Beschwerdeführerin selbst zugesteht, handelt es sich bei diesem Zeugen um keinen Tatzeugen. Warum er aber „ganz allgemein über das Verhalten der Betroffenen in der Vergangenheit verlässliche Aussagen“ machen könne, die geeignet wären, das Beweisthema zu klären, legte der Antrag nicht dar. Die in der Beschwerde hiezu nachgetragenen Gründe sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption des Nichtigkeitsverfahrens und des damit verbundenen Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618). Soweit das Rechtsmittel in diesem Zusammenhang eine unterlassene Anleitung durch das Erstgericht rügt, macht es nicht deutlich aus welchen Gründen die durch einen Verfahrenshilfeverteidiger (§ 61 Abs 2 StPO) Vertretene in diesem Zusammenhang angeleitet hätte werden müssen (vgl RIS-Justiz RS0096346 [T3, T5, T6]; zum - hier nicht vorliegenden - Fall eines „offenkundigen Mangels“ der Verteidigung siehe auch 13 Os 109/07i; 13 Os 107/08x).

Auch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Mag. Reinhard J***** zum Beweis dafür, dass die Betroffene die ihr zu Antragsfaktum 1. vorgeworfenen Äußerungen nicht getätigt hat, erfolgte zu Recht. Der Zeuge hatte sich in der Verhandlung auf sein Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 3 StPO berufen und hiezu ausgeführt, er sei als Sozialarbeiter für die psychosoziale Betreuung der Familie C***** zuständig gewesen. In diesem Zusammenhang seien ihm persönliche Angelegenheiten der Betroffenen und ihres Umfelds anvertraut worden (ON 37/S 22). Tatsächlich sind die inkriminierten Äußerungen nach den Annahmen des Unterbringungsantrags und den erstgerichtlichen Feststellungen anlässlich eines solchen Termins beim Jugendamt gefallen und dem Zeugen somit in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher für die psychosoziale Betreuung bekannt geworden. Irgendwelche Hinweise darauf, dass diese Äußerungen nicht dem geschützten Geheimnisbereich angehören, hat der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag nicht enthalten. Die dazu im Rechtsmittel nachgetragenen Ausführungen unterfallen ebenfalls dem Neuerungsverbot.

Schließlich wurde auch durch die Nichtzulassung der Frage des Verteidigers an den medizinischen Sachverständigen, ob „aus medizinischer Sicht die Gefahr der Umsetzung der Drohungen“ bestehe (ON 37/S 20), Verteidigungsrechte nicht beschnitten, ist die Befürchtung einer Ausführung der Drohungen doch nicht Erfordernis einer Prognosetat und somit für die Frage der Anstaltsunterbringung nicht von Relevanz.

Mit der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) macht die Rechtsmittelwerberin geltend, die Tatrichter hätten sich mit einem im Pflegschaftsakt AZ 511 P 58/07f des Bezirksgerichts Graz-West erliegenden psychiatrischen Sachverständigengutachten nicht auseinandergesetzt, sondern die Feststellung der Zurechnungsunfähigkeit lediglich auf die Ausführungen des im Strafverfahren bestellten Sachverständigen gestützt. Dabei übergeht die Beschwerde, dass sich dieser Sachverständige - über Befragen durch den Verteidiger - explizit mit dem pflegschaftsgerichtlichen Gutachten auseinandergesetzt hat, das somit auch in seine Beurteilung eingeflossen ist (ON 37/S 18). Zudem ging jene Expertise von einer anderen Aufgabenstellung aus, nämlich der Frage, ob bei Snjezana C***** Verhandlungs- und Testierfähigkeit vorliege. Aus den hiezu gegebenen Antworten lassen sich aber keine unmittelbaren Schlüsse auf die im Strafverfahren eigenständig zu beurteilende Problematik der Zurechnungsunfähigkeit ziehen.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a und 10) Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermisst, ist sie auf die entsprechenden erstgerichtlichen Konstatierungen US 5 bis 7 zu verweisen. Diese enthalten - der Beschwerde zuwider - die notwendigen Annahmen sowohl zu dem - nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierten - Tatmittel als auch zum Nötigungszweck.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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