OGH 11Os25/10a

OGH11Os25/10a23.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsmy als Schriftführer, in der Strafsache gegen Zdzislaw K***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2 StGB, AZ 10 Hv 109/09x des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12. August 2009, GZ 10 Hv 109/09x-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12. August 2009, GZ 10 Hv 109/09x-11, verletzt § 31 Abs 1 StGB.

Text

G r ü n d e :

Zdzislaw K***** wurde mit am 5. August 2009 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Februar 2009 (in der Ausfertigung irrig: 2008), GZ 13 Hv 12/09d-10, wegen der Begehung zweier Vergehen zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Mit dem gekürzt ausgefertigten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12. August 2009, GZ 10 Hv 109/09x-11, wurde über den Angeklagten wegen des nachts zum 23. Oktober 2006 (1./) und am 11. Mai 2009 (2./) begangenen Verbrechens des (zu ergänzen: schweren) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1 und 40 StGB auf das eingangs bezeichnete Urteil vom 25. Februar 2009 eine (unbedingte) Zusatzfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 5. November 2009, GZ 11 Hv 109/09d-41, wurde der Angeklagte des am 29. Juni 2009 verübten Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs 1 und 40 StGB auf das zuvor genannte Urteil vom 12. August 2009 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die „volle Berufung“ (S 9 in ON 40) des Angeklagten, die lediglich wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe ausgeführt wurde (ON 46) und derzeit beim Oberlandesgericht Graz zu AZ 10 Bs 469/09k anhängig ist.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 12. August 2009, GZ 10 Hv 109/09x-11, steht - wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Eine Zusatzstrafe nach § 31 Abs 1 StGB kommt nur dann in Frage, wenn sämtliche abzuurteilende Taten vor dem Vor-Urteil I. Instanz begangen wurden (vgl Ratz in WK² § 31 Rz 2).

Das den Gegenstand der Verurteilung vom 12. August 2009 bildende Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch wurde zuletzt am 11. Mai 2009 verübt und hätte daher anlässlich der Urteilsfällung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz am 25. Februar 2009 noch nicht (mit-)abgeurteilt werden können.

Sind die - vorliegend eine Subsumtionseinheit bildenden - Tathandlungen teils vor, teils nach dem früheren Urteil verübt worden, scheidet eine Bedachtnahme auf das erste Urteil aus (vgl Fabrizy, StGB9 § 31 Rz 10a).

Dass fallaktuell das Vor-Urteil vom 25. Februar 2009, GZ 13 Hv 12/09d-10, mit Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 5. August 2009, AZ 11 Bs 219/09b, also knapp vor der am 12. August 2009 zu AZ 10 Hv 109/09x erfolgten (zweiten) Urteilsfällung in Rechtskraft erwuchs, ist ohne Belang, weil zufolge Begehung der Straftaten im zuvor erwähnten Verfahren auch am 11. Mai 2009, somit nach dem im Verfahren AZ 13 Hv 12/09d am 25. Februar 2009 in erster Instanz ergangenen Urteil, eine auch nur theoretische Möglichkeit gemeinsamer Führung der beiden Verfahren in erster Instanz ausgeschlossen war (RIS-Justiz RS0113612).

Als Folge der Feststellung der aufgezeigten Gesetzesverletzung wird das Landesgericht für Strafsachen Graz im Verfahren AZ 10 Hv 109/09x (in dem die unrichtige Rechtsanwendung stattfand) der Bundespolizeidirektion Wien (als Strafregisteramt) davon gemäß § 5 Abs 1 StRegG Mitteilung zu machen haben (RIS-Justiz RS0117522), sinnvollerweise unter Anschluss der gegenständlichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (vgl 11 Os 81/07g; EvBl 2007/170, 925 = SSt 2007/59). Denn § 4 Abs 5 TilgG stellt auf die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 31 StGB ab (Ratz in WK² § 31 Rz 16; Fabrizy, StPO10 TilgG § 4 Rz 1), weshalb zwar die Berichtigung des Strafregisters auf den der wirklichen Sachlage entsprechenden Zustand ohne Nachteil für den Verurteilten möglich (und geboten) ist, nicht aber die Ausschaltung der Bedachtnahme aus dem insofern rechtsfehlerhaften Urteil (was zu einer neuen, in einem größeren Strafrahmen angesiedelten Sanktionsbemessung führen müsste - vgl 12 Os 62/03).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Anwendung des § 31 StGB im Urteil vom 5. November 2009, GZ 11 Hv 109/09d-41, formell verfehlt war (vgl RIS-Justiz RS0090606; Ratz, WK-StPO § 31 Rz 5), was aber abgesehen von der (mit Blick auf das Ergebnis offenbar bewussten) Abstandnahme von einem darauf abzielenden Antrag der Nichtigkeitsbeschwerde schon deshalb auf sich beruhen kann, weil - wie dargestellt - die Bedachtnahme im Urteil vom 12. August 2009, GZ 10 Hv 109/09x-11, materiell unrichtig erfolgte und daher selbst bei einer (hier nicht vorliegenden) Anfechtung zum Nachteil des Angeklagten die tatsächlich zutreffende Bedachtnahme durch das Urteil vom 5. November 2009 nicht zu korrigieren wäre (vgl 12 Os 17/84).

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