OGH 5Nc5/10w

OGH5Nc5/10w16.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek in der Pflegschaftssache der mj Lara S*****, AZ 4 PU 385/09b (vormals 4 PU 365/09m) des Bezirksgerichts Innsbruck, infolge Vorlage zur Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Villach den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Innsbruck an das Bezirksgericht Villach wird die Genehmigung versagt.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde geschieden. Das Kind befindet sich in Pflege und Erziehung der Mutter, der mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 13. 5. 2009 (AZ 4 P 58/08d) die Alleinobsorge übertragen wurde.

Die Mutter ist mit der Minderjährigen aus dem Sprengel des Bezirksgerichts Innsbruck nach Villach gezogen.

Mit Beschluss vom 9. 11. 2009 übertrug das Bezirksgericht Innsbruck über Antrag der Minderjährigen die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN dem Bezirksgericht Villach, weil sich das Kind jetzt ständig in Villach aufhalte. Auch der offene Unterhaltsantrag hindere die Zuständigkeitsübertragung nicht. Der Fall sei noch nicht entscheidungsreif, weil aufgrund der Erinnerungen des Unterhaltspflichtigen eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen erforderlich sei.

Der den Eltern der Minderjährigen nach Rückleitungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs (5 Nc 24/09p) zugestellte Übertragungsbeschluss erwuchs in Rechtskraft.

Das Bezirksgericht Villach lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache ab und stellte den Akt dem Bezirksgericht Innsbruck zurück. Es führte aus, dass der am 3. 6. 2008 gestellte Unterhaltsfestsetzungsantrag noch nicht erledigt sei. Über diesen Antrag habe das Bezirksgericht Innsbruck bereits ein umfangreiches Verfahren durchgeführt. Es sei bereits ein Gutachten erstattet worden, wobei eine Ergänzung und Erörterung des Gutachtens durch den im Sprengel des Bezirksgerichts Innsbruck ansässigen Sachverständigen vom Vater beantragt worden sei. Das Bezirksgericht Innsbruck verfüge daher für die ausstehende Entscheidung über „große Sachkunde und umfangreiche Aktenkenntnis“. Auch sei dem Akt nicht zu entnehmen, dass in näherer Zukunft pflegschaftsbehördliche Maßnahmen, die einen speziellen Bezug zum Aufenthaltsort der Minderjährigen hätten, erforderlich wären.

Nach Rückmittlung des Akts durch das Bezirksgericht Villach legte das Bezirksgericht Innsbruck mit Verfügung vom 8. 3. 2010 den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Bezirksgericht Innsbruck verfügten Übertragung der Zuständigkeit ist die Genehmigung (nach derzeitiger Aktenlage) zu versagen.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Pflegebefohlenen liegt (RIS-Justiz RS0047300). Offene Anträge (hier: Unterhaltsfestsetzungsantrag und der am 4. 3. 2010 gestellte Antrag auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts) sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis; es hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (RIS-Justiz RS0047032 [T3]).

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass ein in Innsbruck ansässiger Gerichtssachverständiger bereits Befund und Gutachten über das wirtschaftliche Nettoeinkommen des selbständig tätigen Vaters und seine Privatentnahmen erstattete und der Vater den Antrag auf Ladung des Sachverständigen zwecks Erörterung seines Gutachtens stellte. Auch beide Parteienvertreter haben ihren Kanzleisitz in Innsbruck. Unter diesen besonderen Umständen scheint eine Übertragung der Zuständigkeit jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Durchführung der beantragten Gutachtenserörterung nicht zweckmäßig, weil gerade in dem hier anhängigen Unterhaltsverfahren das sonst als wesentlich erachtete Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht nicht von wesentlicher Bedeutung ist.

Im Vordergrund steht vielmehr die beantragte Gutachtenserörterung, die zweckmäßigerweise vor jenem Bezirksgericht durchzuführen ist, in dessen Sprengel der bestellte Sachverständige seinen Sitz hat.

Einer Übertragung der Zuständigkeit ist daher derzeit die Genehmigung zu verweigern.

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