Spruch:
1. Die Delegierungsanträge beider Antragstellerinnen werden zurückgewiesen.
2. Zur Entscheidung über den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Ausscheidung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Republik Österreich gemäß § 119 Abs 5 KO wird das Landesgericht Linz als zuständig bestimmt.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Gemeinschuldnerin sowie die Zweitantragstellerin als ihre Alleingesellschafterin und Konkursgläubigerin beantragten gemäß § 119 Abs 5 KO die Ausscheidung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Republik Österreich und von Schadenersatzansprüchen gegen den Masseverwalter aus der Konkursmasse sowie deren Überlassung an die Gemeinschuldnerin zur Durchsetzung. Für den Fall, dass dem Ausscheidungsantrag nicht stattgegeben werde, beantragen sie die Enthebung des Masseverwalters und die Erteilung einer Weisung an einen neu zu bestellenden Masseverwalter, wonach dieser die mit dem Antrag begehrten Ansprüche für die Masse geltend zu machen habe.
Amtshaftungs- und Schadenersatzansprüche seien in erster Linie von den effektiv Geschädigten geltend zu machen, was hier nicht möglich sei, weil der Erstantragstellerin als Gemeinschuldnerin dafür die materielle und formelle Berechtigung für ein Einschreiten als Prozesspartei fehle. Die Zweitantragstellerin „dürfte nur einen mittelbaren Schaden erlitten haben“. Sie könne zwar als Alleingesellschafterin und Konkursgläubigerin am Konkursverfahren teilnehmen, nicht aber selbst klagen. Im Anlassfall machten die Antragsteller Amtshaftungsansprüche wegen schadenstiftender Handlungen und Unterlassungen von Richtern des Landesgerichts Krems an der Donau und des Oberlandesgerichts Wien geltend, jedoch hätten diese Richter in erster, allenfalls zweiter Instanz auch die Berechtigung solcher Ansprüche zu prüfen. Ausdrücklich werden die genannten Richter nicht wegen Befangenheit abgelehnt, sie seien jedoch von Amts wegen ausgeschlossen, was gemäß § 23 JN - zumindest im Umfang der Entscheidung über die hier gestellten Anträge - festzustellen sei. Gemäß § 30 JN werde beantragt, das Landesgericht Feldkirch als zuständig zu bestimmen, weil die Alleingesellschafterin und deren Verwaltungsräte ihren Sitz bzw ihren Wohnsitz in Liechtenstein bzw der Schweiz hätten und diesen Gerichtshof auf kürzestem Wege erreichen könnten.
I. Der Antrag der Gemeinschuldnerin und ihrer Gesellschafterin wird ausschließlich mit § 9 Abs 4 AHG begründet. Nach dieser Bestimmung ist vom übergeordneten Gericht ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus einer Verfügung des Präsidenten eines Gerichtshofs erster Instanz oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluss eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet wird, die im Amtshaftungsverfahren unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wären. In erweiternder Auslegung des § 9 Abs 4 AHG ist eine derartige Delegierung auch dann vorzunehmen, wenn das behauptete schuldhaft rechtswidrige Verhalten vom einem Einzelrichter jenes Landesgerichts gesetzt wurde, das nach den Zuständigkeitsvorschriften über die Amtshaftungsklage zu entscheiden hätte (Vrba/Zechner, Amtshaftungsrecht 232; Ballon in Fasching/Konecny I² § 30 JN Rz 2).
Als übergeordnetes Gericht ist im vorliegenden Fall der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über die Delegierung iSd § 9 Abs 4 AHG berufen (Ballon in Fasching/Konecny² I § 30 JN Rz 2).
II. § 9 Abs 4 AHG normiert einen Fall der notwendigen und damit der Parteiendisposition entzogenen Delegierung (1 Nc 42/07b). Eine solche Delegierung hat von Amts wegen zu erfolgen, wenn durch die Ausgeschlossenheit von Richtern das angerufene Gericht an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert ist; den Parteien steht kein Antragsrecht zu (Ballon in Fasching/Konecny² I § 30 JN Rz 1 und 6). Die Anträge der Gemeinschuldnerin und ihrer Gesellschafterin sind daher als unzulässig zurückzuweisen. Aus Anlass des darin vorgebrachten Sachverhalts sind jedoch folgende Überlegungen anzustellen:
III. Nach der Zweckbestimmung des § 9 Abs 4 AHG sollen die Richter eines Gerichtshofs nicht über Ansprüche erkennen, die ein Verhalten eines Mitglieds desselben Gerichtshofs zum Gegenstand haben (1 Nc 42/07b; Ballon aaO Rz 2). Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits mehrfach die sinngemäße Anwendung des § 9 Abs 4 AHG in Verfahren, die dem Amtshaftungsverfahren vorausgehen und die Voraussetzungen für die Einbringung einer Amtshaftungsklage bilden, als notwendig erachtet (RIS-Justiz RS0053097; Schragel, AHG³ Rz 255 mwN [zB Verfahren auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Erhebung einer Amtshaftungsklage; Verfahren auf abhandlungsbehördliche bzw pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer Amtshaftungsklage]). Ein derartiger Fall liegt hier insoweit vor, als die Gemeinschuldnerin die Ausscheidung von Amtshaftungsansprüchen gegen die Republik Österreich gemäß § 119 Abs 5 KO begehrt, die aus behauptetem Fehlverhalten des Konkursrichters und des im Konkursverfahren tätig gewordenen Rechtsmittelsenats des Oberlandesgerichts Wien abgeleitet werden. Über diesen Antrag hätte das Konkursgericht in erster Instanz, das Oberlandesgericht Wien gegebenenfalls in zweiter Instanz zu entscheiden.
Im Sinne dieser Überlegungen ist daher die Ausgeschlossenheit sämtlicher Richterinnen und Richter des Landesgerichts Krems an der Donau und des Oberlandesgerichts Wien für die Entscheidung über den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Ausscheidung der geltend gemachten Amtshaftungsansprüche von Amts wegen wahrzunehmen. Die von der Gemeinschuldnerin und ihrer Gesellschafterin angestrebte Delegation an das Landesgericht Feldkirch ist entgegen den Ausführungen der Antragsteller allerdings weder im Hinblick auf den Sitz der Gemeinschuldnerin noch auf den Wohnort ihres Vertreters zweckmäßig, sodass das Landesgericht Linz als zur Entscheidung über den Antrag der Gemeinschuldnerin auf Ausscheidung behaupteter Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich zuständiges Gericht zu bestimmen war.
IV. Für die von der Gemeinschuldnerin und ihrer Gesellschafterin angestrebte Delegierung des gesamten Konkursverfahrens besteht hingegen keine Veranlassung. Das Konkursverfahren als solches ist nämlich kein einem Amtshaftungsverfahren „vorgelagertes Verfahren“ im dargestellten Sinn. Auf eine andere Rechtsgrundlage als § 9 Abs 4 AHG wurde aber das Begehren der Antragsteller nicht gestützt. Insbesondere wurde die Befangenheit der Richterinnen und Richter des Landesgerichts Krems an der Donau oder des Oberlandesgerichts Wien ausdrücklich nicht geltend gemacht.
V. Die behauptete Haftung des Masseverwalters wird von den Antragstellern auf das ABGB gestützt. Eine sinngemäße Anwendung des § 9 Abs 4 AHG kommt insofern nicht in Frage. Zweck des § 9 Abs 4 AHG ist nämlich nur, alle von einem Amtshaftungsanspruch betroffenen Gerichte von jeder Entscheidung über diesen Anspruch auszuschließen (8 NA 2/98 mwH). Soweit daher die Ausscheidung von Schadenersatzansprüchen gegen den Masseverwalter begehrt werden, liegt kein von Amts wegen wahrzunehmender Ausschließungsgrund vor.
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