OGH 1Ob108/09b

OGH1Ob108/09b9.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. G***** S*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. O***** R*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 35.143,43 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 10.000 EUR) über die Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert 26.385,85 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. März 2009, GZ 11 R 200/08z-78, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Oktober 2008, GZ 58 Cg 103/04z-73, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil - einschließlich seiner unbekämpften Teile - zu lauten hat:

„1. Die Klagsforderung besteht mit 26.385,85 EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht bis zu dieser Höhe zu Recht.

3. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 35.143,43 EUR zu bezahlen, wird abgewiesen.

4. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution über ihre Einnahmen aus anwaltlicher Tätigkeit bis 31. Dezember 2000, die sie erst nach dem 1. Jänner 2001 erhalten habe, Rechnung zu legen und ihr die Hälfte der sich aus dieser Rechnungslegung ergebenden Einnahmen zu bezahlen, wird abgewiesen.

5. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt 34.212,26 EUR (darin enthalten 4.971,90 EUR USt und 4.380,86 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile unterhielten von 1992 bis 2001 eine Rechtsanwaltskanzleigemeinschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. An den vom Kläger vorfinanzierten Kosten der gemeinsamen Kanzlei sollte sich der Beklagte dadurch beteiligen, dass er 50 % der Honorare für seine Leistungen betreffend Mandanten, die er selbst akquiriert hatte, an den Kläger bezahlt. Für Causen des Klägers, in denen der Beklagte tätig wurde, sollten ihm 33 % des vom Kläger vereinnahmten Honorars zustehen, und umgekehrt sollten für Causen, die der Beklagte akquirierte und der Kläger bearbeitete, dem Beklagten (nur) 70 % der vom Kläger vereinnahmten Honorare gebühren. Diese Art der Verrechnung wurde bis Ende des Jahres 2000 praktiziert.

Im Jahr 1997 beschwerte sich der Kläger beim Beklagten aber darüber, dass „die Einnahmen“ zu gering seien und machte dem Beklagten Vorwürfe, dass dieser im Jahr davor „zum Umsatz“ (und damit zu den Kanzleikosten) zu wenig beigetragen habe, sodass der Kläger dem Beklagten einen „Nachschlag“ verrechnen müsse. Die Streitteile einigten sich darauf, dass der Beklagte dem Kläger seinen Hälfteanteil an einem Weinberg in Ungarn überließ, dem beide einen Wert von etwa 200.000 ATS zumaßen.

Ab dem Jahr 1998 entwickelten sich die Einnahmen des Beklagten dagegen gut und er trug überproportional zu den Kanzleikosten bei. Als sich diese Entwicklung im Jahr 1999 noch massiver fortsetzte, äußerte er dem Kläger gegenüber, dass er bereits mit weit mehr als 50 % zu den Kanzleikosten beitrage. Der Kläger antwortete darauf, dass es sein „Sündenfall“ gewesen sei, im Zeitpunkt, als die Einnahmen des Beklagten geringer gewesen seien, 200.000 ATS verlangt zu haben, und er daher nun etwas zurückzahlen müsse, wenn die Einnahmen des Beklagten mehr als 50 % ausmachten. Er sagte dem Beklagten, dass vorerst eine Angestellte die Kosten berechnen müsse und bot ihm eine Akontozahlung an, die der Beklagte mit der Begründung ablehnte, der Kläger werde schon für eine faire Abrechnung sorgen. In der Folge konnten sich die Streitteile - auch im Hinblick auf ein vom Kläger in den selben Räumlichkeiten betriebenes Übersetzungsbüro - nicht darüber einigen, welche Positionen in die Abrechnung aufzunehmen seien.

Der Kläger begehrte letztlich 35.143,43 EUR sA und erhob die im Spruch (Punkt 4.) ersichtliche Stufenklage. Im Revisionsverfahren ist nur mehr das Bestehen einer Gegenforderung strittig.

Der Beklagte wandte unter anderem eine Gegenforderung von 156.755,98 EUR kompensando ein, weil ihm zumindest 50 % seiner Zahlungen für die Kanzleikosten aus den Jahren 1999 und 2000 als Rückforderungsanspruch aus der dargestellten Vereinbarung mit dem Kläger, wobei der Kläger eine Abrechnung treuwidrig vereitelt habe, zustünden.

Der Kläger stellte diese Gegenforderung der Höhe nach außer Streit, bestritt aber das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung dem Grunde nach.

Das Erstgericht wies das Stufenklagebegehren ab, stellte das Zurechtbestehen des Zahlungsbegehrens mit 23.733,85 EUR und jenes der Gegenforderung bis zu dieser Höhe fest, und wies daher auch das Zahlungsbegehren des Klägers zur Gänze ab. Der Kläger habe dem Beklagten zugesagt, die 1999 und 2000 erbrachten Leistungen, die mehr 50 % der Kanzleikosten ausmachten, zu refundieren, sodass die (der Höhe nach außer Streit gestellte) Gegenforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht stellte das Zurechtbestehen der Klagsforderung in Höhe von 26.385,85 EUR und das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung fest und erkannte daher den Beklagten schuldig, die zu Recht bestehende Klagsforderung zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Stufenklagebegehren wurde (unbekämpft) abgewiesen. Die Erklärung des Klägers müsse so verstanden werden, dass er angekündigt habe, wegen seiner Nachforderung im Jahr 1997 im Falle des Nachweises übermäßiger Zahlungen des Beklagten für 1999 und 2000 eine Rückforderung des Klägers (gemeint wohl: des Beklagten), deren Höhe allerdings noch vereinbart werden müsse, zu akzeptieren. Eine verbindliche Vereinbarung, die die geltend gemachte Gegenforderung des Beklagten begründen könnte, liege in dieser Erklärung nicht. Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf den Einzelfallcharakter der Entscheidung unzulässig.

Gegen diese Entscheidung - soweit darin das Nichtzurechtbestehen der Gegenforderung und die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der als zu Recht bestehend erkannten Klagsforderung ausgesprochen wird - wendet sich die Revision des Beklagten.

Er macht geltend, dass das Berufungsgericht mit seinen Rechtsausführungen von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung abgewichen sei, sowie dass die Auslegung der Vereinbarung durch das Berufungsgericht den gesetzlichen Auslegungsregeln „unversöhnlich“ widerspreche. Dass der Beklagte das Ausmaß einer Überzahlung erst nachzuweisen gehabt hätte, um „etwas“ zu erhalten, sei im Lichte der weiteren Feststellungen des Erstgerichts, dass der Kläger der Buchhalterin den Auftrag gegeben habe, entsprechende Berechnungen anzustellen, „problematisch“. Im Übrigen habe der Kläger die Höhe der Gegenforderung außer Streit gestellt, weshalb das Berufungsgericht die Erfüllung der Zahlungszusage des Klägers zu Unrecht vom Nachweis der Höhe dieser Gegenforderung abhängig gemacht habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Auch wenn die Auslegung eines Vertrags in aller Regel eine Frage des Einzelfalls ist, kann sie dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellen, wenn ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Dies ist hier der Fall:

Selbst wenn man die Feststellung, dass der Kläger meinte, er müsse etwas zurückzahlen, sofern die Einnahmen des Beklagten mehr als 50 % ausmachten, noch im Sinne des Berufungsgerichts als bloß unverbindliche Ankündigung verstehen könnte, steht diese Auslegung jedenfalls nicht im Einklang mit den weiteren Feststellungen, wonach er eine Angestellte beauftragte, die entsprechenden Kosten zu berechnen und darüber hinaus dem Beklagten eine Akontozahlung anbot. Dieses Vorgehen des Klägers lässt zweifelsfrei erkennen, dass auch er selbst von einer bereits bestehenden Zahlungsverpflichtung ausging, bei der nur noch deren Höhe von weiteren Berechnungen, insbesondere jenen der Buchhalterin, abhängig war.

Da der Kläger im Verfahren die Höhe der Gegenforderung außer Streit stellte, schadet es - im Gegensatz zur Rechtsansicht des Berufungsgerichts - dem Beklagten auch nicht, dass dieser eine vom Kläger eingegangene Verpflichtung, einen bestimmten Betrag zu zahlen, nicht behauptet hat, sondern lediglich die Verpflichtung zu einer solchen Zahlung dem Grunde nach.

Ob sich der Kläger mit dieser Zusage für den Fall des überproportionalen Beitrags des Beklagten zu den Kanzleikosten nur dazu verpflichtete, „etwas“ zurückzuzahlen oder den gesamten, 50 % übersteigenden „Überzahlungsbetrag“, ist angesichts der Außerstreitstellung der Höhe der Gegenforderung und ihres Umfangs im Verhältnis zur zu Recht bestehenden Klagsforderung ebenfalls unerheblich.

Es ist daher die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts - unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht unbekämpft mit einem höheren Betrag als berechtigt festgestellten Klagsforderung - wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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