Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Sufjan H***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1 A), des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB (1 B) und des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB (1 C) sowie Senad Ha***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall, 12 dritter Fall StGB (2) schuldig erkannt.
Danach haben
1. Sufjan H*****
A) am 9. September 2008 in Salzburg im Hotel I***** dadurch, dass er
Petra Z***** in ihr Hotelzimmer stieß, sie an den Haaren erfasste und zu ihr sagte, sie solle die „Goschn" halten, sonst würde er ihr alle Zähne einhauen, ihr weiters mit erhobener Faust drohte, sie zu schlagen und sie aufforderte, sie solle ihm alles geben, sohin mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von ca 600 Euro, eine Digitalkamera im Wert von ca 400 Euro, ein Führerscheinetui in unbekanntem Wert und ein Mobiltelefon im Wert von ca 80 Euro (inklusive Telefonwertkarte) mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
B) am 16. September 2008 in Salzburg im Ö***** Andrea L***** dadurch,
dass er ihr nach Aufforderung, ihm die 150 Euro zurückzugeben, die sie am Vortag seinem Freund gestohlen habe, ein Elektroschockgerät vorhielt und ihr gegenüber äußerte: „Ich will sofort das Geld, sonst haue ich dir die ganzen Zähne ein", sohin unter Verwendung einer Waffe und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von 150 Euro, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
C) am 2. Oktober 2008 in Linz im Bordell „H***** der Ilona M*****
dadurch, dass er ihr gegenüber äußerte: „Gib mir das ganze Geld, sonst passiert etwas Schlimmes" und ihr ein Elektroschockgerät vorhielt, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 100 Euro, ein Mobiltelefon im Wert von ca 90 Euro sowie einen Pfefferspray mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
2. Senad Ha***** zu der unter Punkt 1 C näher beschriebenen Tat des Sufjan H***** dadurch dazu beigetragen, indem er, wie zuvor mit H***** vereinbart, diesen dadurch unterstützte, dass er vor der Tatausführung das von H***** und Ilona M***** frequentierte Zimmer betrat, dieses hinter sich zusperrte und für M***** sichtbar im Bereich der Eingangstür Stellung bezog, um erforderlichenfalls unterstützend einzugreifen, wobei Ha***** mit dem Vorsatz handelte, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, die des Sufjan H***** aus Z 4, 8 und 10a, die des Senad Ha***** aus Z 10a des § 345 Abs 1 StPO.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten H*****:
Dass gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers die vor der Polizei getätigten Angaben von in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, die sich dabei auf ihre früheren Aussagen ausdrücklich bezogen hatten, verlesen wurden (ON 107 S 22), begründet der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider keine Nichtigkeit: Soweit sich nämlich ein Zeuge bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung auf seine früheren Angaben beruft, ohne von ihnen abzuweichen oder die Beantwortung von Fragen zu verweigern, fallen diese früheren Angaben nicht unter den Schutzzweck des § 252 Abs 1 StPO, weil ihre Wiedergabe an der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Hinblick auf die Befragungsmöglichkeit nichts ändert. Derartige Verlesungen bedürfen somit keiner Zustimmung im Sinne von § 252 Abs 1 Z 4 StPO (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 31; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 230; RIS-Justiz RS0110150). Die in der Rechtsmittelschrift zitierte Kommentarstelle (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 237) betrifft den hier nicht vorliegenden Fall von Vorhalten.
Die Instruktionsrüge (Z 8) geht vom Ansatz her fehl, weil sie nicht an der Gesamtheit der Rechtsbelehrung Maß nimmt. Dass sich (auch) zur Annahme eines Versuchs der Tätervorsatz auf sämtliche Tatbildmerkmale beziehen muss, wurde den Geschworenen nämlich gar wohl dargelegt (vgl die Punkte A 2 vorletzter Satz und A 7 vierter, sechster und siebter Absatz der schriftlichen Rechtsbelehrung).
Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag - so sie überhaupt im gesetzlich vorgegebenen Anfechtungsrahmen bleibt (die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz in diesem Zusammenhang etwa ist ebenso völlig verfehlt wie die Forderung, „der Oberste Gerichtshof möge daher unabhängig vom Unmittelbarkeitsprinzip die Beweise anhand der Akten würdigen und das Resultat mit dem der Geschworenen vergleichen") - keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs an den den Schuldspruch tragenden Feststellungen im Wahrspruch erwecken. Denn der geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).
Diverse Unterschiede im Rahmen mehrerer Vernehmungen der Opfer zu keine entscheidenden Tatsachen betreffenden Umständen im Vorfeld der angeklagten Taten (wie die Frauen etwa in Kontakt mit dem Erstangeklagten kamen) entziehen sich des Aufgreifens im Nichtigkeitsverfahren. Soweit der Rechtsmittelwerber den Einsatz eines Elektroschockers thematisiert, gelingt ihm mit der Analyse der Zeugenaussagen L***** und M***** das angestrebte Ziel des Erweckens qualifizierter Bedenken ebensowenig, mag eine solche Waffe auch nicht sichergestellt worden sein (vgl in diesem Zusammenhang allerdings etwa die Aussage der Zeugin K***** ON 84 S 58 ff - einer früheren Mitarbeiterin des Erstangeklagten - über ein früheres Vorzeigen einer solchen Waffe durch den Beschwerdeführer).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten Ha*****:
Die Tatsachenrüge (Z 10a) erschöpft sich in den Hinweisen, dieser Angeklagte hätte nicht aktiv drohend in das Geschehen eingegriffen (was im Verdikt auch nicht festgestellt ist) und dass die Zeugin M***** widersprüchlich ausgesagt hätte sowie in Überlegungen, der Erstangeklagte hätte keinen Helfer benötigt, ein „Schmierestehen" vor der Zimmertüre wäre sinnvoller gewesen und dass der Zweitangeklagte „in keinerlei Planungstätigkeit eingebunden war" und „keinerlei Beute erhielt". Sie gipfelt in der Hypothese „Dem Angeklagten scheint offenbar nachteilig angerechnet worden zu sein, dass dieser von kräftiger Statur ist und ein Gewicht von 130 kg aufweist." Eine erfolgversprechende Tatsachenrüge wird derart nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung gebracht - eine Berufung wegen Schuld (der diese Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich entspricht) kennt das kollegialgerichtliche Verfahren indes nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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