OGH 7Ob210/09x

OGH7Ob210/09x28.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf O*****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, gegen die beklagte Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler Rechtsanwalt KG in 3910 Zwettl, wegen 92.000 EUR (sA), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Juni 2009, GZ 12 R 121/08i-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 25. April 2008, GZ 3 Cg 99/07g-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 9.980,64 EUR (darin enthalten 840,44 EUR USt und 4.938 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Beklagten für seine Liegenschaft eine Bündelversicherung abgeschlossen. Die darin enthaltene Haushaltsversicherung gewährt Versicherungsschutz unter anderem gegen Vandalismus. Dem Versicherungsvertrag wurden neben den Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS 2001) die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABH 2001) zugrundegelegt. Deren hier maßgeblichen Bestimmungen lauten:

„ARTIKEL 2

VERSICHERTE GEFAHREN UND SCHÄDEN

Versicherte Gefahren

[...]

4. Einbruchdiebstahl (vollbracht oder versucht), einfacher Diebstahl, Beraubung und Vandalismus

4.1. Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn ein Täter in die Versicherungsräumlichkeiten

4.1.1. durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen einbricht;

[...]

4.5. Vandalismus

Vandalismus liegt vor, wenn der Täter versicherte Sachen vorsätzlich zerstört oder beschädigt, nachdem er gemäß Pkt. 4.1.1. in die Versicherungsräumlichkeiten eingedrungen ist.

[...]

ARTIKEL 4

OBLIEGENHEITEN DES VERSICHERUNGSNEHMERS VOR DEM SCHADENFALL

1. Wenn die Versicherungsräumlichkeiten auch für noch so kurze Zeit von allen Personen verlassen werden, sind

1.1. Eingangs- und Terrassentüren, Fenster und alle sonstigen Öffnungen der Versicherungsräumlichkeiten stets ordnungsgemäß verschlossen zu halten. Dazu sind vorhandene Schlösser zu versperren.[...]

[...]

5. Die vorstehenden Obliegenheiten gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften gemäß Artikel 3 ABS. Ihre Verletzung führt nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers."

Der Kläger, der damals über kein geregeltes monatliches Einkommen verfügte und Bankverbindlichkeiten von etwa 250.000 EUR hatte, stellte am 11. 2. 2007 nach seiner Rückkehr aus einem einwöchigen Familienurlaub fest, dass unbekannte Täter in 32 Räumen seines landwirtschaftlichen Anwesens Verwüstungen angerichtet hatten. Es waren Einrichtungsgegenstände mit einer Motorsäge zerschnitten, Fliesen und Sanitäranlagen zerschlagen sowie Wände und Einrichtung mit schwarzer Farbe besprüht worden. Insgesamt wurde ein Schaden von 92.000 EUR angerichtet. Gegenstände wurden nicht gestohlen. Der oder die Täter waren über die nicht versperrte Seiteneingangstür ins Haus gelangt. An der Tür fanden sich „Einbruchsspuren" im Bereich des Türblatts und des Türstocks an der Außenseite mit Beschädigungen des Mauerwerks der Türlaibung und des Schließblechs. Das Schließblech war massiv verbogen und verformt. An der Innenseite der Ausnehmung für den Sperrriegel des Schlosses waren zwei jeweils ca 3,5 mm breite Einkerbspuren vorhanden, die aber mit den massiven Verbiegungen am Schließblech nicht in Einklang zu bringen sind. Zum Zeitpunkt der Beschädigung des Schlosses war der Sperrriegel in unversperrtem Zustand, also nicht ausgefahren.

Der Kläger begehrt aus der Haushaltsversicherung seinen Schaden von 92.000 EUR ersetzt. Selbst wenn die Eingangstür zum Tatzeitpunkt unversperrt gewesen sein sollte, liege ein Einbruch im Sinn der Versicherungsbedingungen vor, weil die Täter durch gewaltsames Aufbrechen der Tür in das Gebäude eingedrungen seien. Es sei daher der Versicherungsfall des Vandalismus eingetreten.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Vandalismusschaden wäre durch die Versicherung nur dann gedeckt, wenn der Täter auf die in Punkt 4.1.1. des Artikels 2 der ABH 2001 beschriebene Art und Weise (Eindrücken oder Aufbrechen der Tür) in das Gebäude eingedrungen wäre. Dies sei nicht der Fall. Zwar weise die Tür Beschädigungen auf, doch habe eine kriminaltechnische Überprüfung ergeben, dass das Schloss zum Zeitpunkt der Beschädigung unversperrt gewesen sei. Die Tür sei nicht aufgebrochen, sondern erst nach dem Öffnen beschädigt worden. Es liege daher kein Einbruch im Sinn der Versicherungsbedingungen vor. Gemäß Artikel 4 der ABH 2001 hätte der Kläger die Tür versperren müssen. Dies habe er zumindest grob fahrlässig unterlassen. Im Hinblick auf diese Obliegenheitsverletzung sei Leistungsfreiheit gegeben. Es gebe im Übrigen Indizien, dass der Kläger vorsätzlich an der Entstehung des Schadens beteiligt gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf weiters die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden könne, ob die Täter die nicht versperrte Tür durch Niederdrücken der Türklinke geöffnet oder, in der Vermutung, das Schloss wäre versperrt, das (unversperrte) Zylinderschloss gewaltsam geöffnet hätten. Ebenfalls nicht festgestellt werden könne, ob im Zeitpunkt der Abreise des Klägers die Seiteneingangstür seines Hauses versperrt gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dem Kläger sei es nicht gelungen zu beweisen, dass die Täter durch Einbruch in das Haus gelangt seien. Zum Zeitpunkt ihres Eindringens sei die Eingangstür unversperrt gewesen. Die Täter hätten möglicherweise gemeint, dass diese versperrt sei. Dass sie mit einem Werkzeug an der Tür und am Schloss manipuliert hätten, um in das Haus zu gelangen, erfülle aber die Voraussetzung des „Eindrückens oder Aufbrechens" der Tür im Sinn des Artikels 4.1.1. der ABH 2001 nicht. Der Versicherungsfall des Vandalismus im Sinn der Versicherungsbedingungen sei daher nicht gegeben.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Feststellungen des Erstgerichts zur Frage, ob die Seiteneingangstür, durch die der oder die Täter in das Haus eingedrungen seien, versperrt gewesen sei oder nicht, seien nicht nachvollziehbar, wenn nicht sogar widersprüchlich. Das Erstgericht habe zunächst die Negativfeststellung getroffen, es könne nicht festgestellt werden, ob im Zeitpunkt der Abreise des Klägers die Seiteneingangstür versperrt gewesen sei. In den weiteren Feststellungen und in der rechtlichen Beurteilung gehe das Erstgericht aber davon aus, dass die Tür, als die Täter eingedrungen seien, nicht versperrt gewesen sei. Offen bleibe daher, ob der Kläger die Tür vor seiner Abreise versperrt habe und während seiner Abwesenheit, allenfalls mit seinem Wissen und Willen, jemand anderer Zutritt zu dem Haus gehabt habe, der die Tür allenfalls aufgesperrt und danach (ohne Wissen und Willen des Klägers) nicht mehr verschlossen habe. Auf solche Umstände habe sich der Kläger jedoch nicht berufen. Auch das Ersturteil lasse jegliche Begründung vermissen, warum diese Möglichkeit bestehe. Die Frage, ob der Kläger die Tür versperrt oder sich davon überzeugt habe, dass sie versperrt sei, bevor er mit seiner Familie auf Urlaub gefahren sei, sei deshalb von Relevanz, weil die Beklagte für die von ihr behauptete Obliegenheitsverletzung beweispflichtig sei. Die Negativfeststellung, es könne nicht festgestellt werden, ob die Seiteneingangstür zum Zeitpunkt der Abreise des Klägers versperrt gewesen sei, ginge daher grundsätzlich zu Lasten der Beklagten. Der Kläger werde im fortzusetzenden Verfahren als Partei dazu zu befragen sein, ob er die Tür versperrt oder sich davon überzeugt habe, dass sie versperrt sei, bevor er mit seiner Familie die Urlaubsreise angetreten sei und gegebenenfalls, wie er sich erkläre, dass die Tür laut den polizeilichen Erhebungen unversperrt gewesen sei. Dem Kläger sei darin beizupflichten, dass selbst dann, wenn die Tür bei seiner Abreise unversperrt geblieben sei, nicht zwangsläufig von der Leistungsfreiheit der Beklagten auszugehen sei. Der Versicherungsfall des Vandalismus setze voraus, dass der Täter durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen einbreche. Der Versicherungsfall wäre dann nicht verwirklicht, wenn sich der Täter zwar zunächst im Sinn eines von ihm geplanten Einbruchs mit Einbruchswerkzeug an der Tür zu schaffen gemacht hätte, dann aber die Tür durch Niederdrücken der Klinke geöffnet und so das Haus betreten hätte. Sei die Tür unversperrt gewesen, vom Täter in Unkenntnis dieses Umstands aber aufgebrochen worden und hätte sich der Kläger auf diese Weise gewaltsam Zutritt zum Inneren des Hauses verschafft und dort Verwüstungen angerichtet, wäre der Versicherungsfall des Vandalismus hingegen verwirklicht. Habe der Versicherungsnehmer die Obliegenheit, bei Abwesenheit die Türen durch Versperren vorhandener Schlösser verschlossen zu halten, verletzt, könne er den Kausalitätsgegenbeweis erbringen. Die Kausalität der Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalls wäre dann zu verneinen, wenn das Versperren der Tür einem Einbruch kein nennenswertes Hindernis entgegengesetzt hätte. Ob ein solcher Sachverhalt vorgelegen sei, werde durch Einholung des vom Kläger beantragten Sachverständigengutachtens zu klären sein.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob ein Einbruch im Sinn des Artikels 2 Punkt 4.1.1. der ABH 2001 notwendigerweise voraussetze, dass die über ein Schloss verfügende Tür versperrt sei.

Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der „Revisionsrekurs" (richtig Rekurs - die unrichtige Benennung schadet gemäß § 84 Abs 2 ZPO nicht) der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den bekämpften Beschluss aufzuheben und die Klage abzuweisen (und damit das Ersturteil wiederherzustellen); hilfsweise wird beantragt, die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger stellt in der Rekursbeantwortung den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge in der Sache selbst durch Urteil dahingehend erkennen, dass der Klage stattgegeben werde; in eventu möge dem Rekurs der Beklagten nicht Folge gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Der Versicherungsfall des Risikos „Vandalismus" setzt nach Artikel 2 Punkt 4.5. der dem Versicherungsvertrag der Streitteile zugrundegelegten ABH 2001 nicht nur voraus, dass der Täter versicherte Sachen vorsätzlich zerstört oder beschädigt hat, sondern auch, dass er gemäß Punkt 4.1.1., also durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen, in die Versicherungsräumlichkeiten eingedrungen ist. Die Beweislast für die anspruchsbegründende Voraussetzung des Eintritts des Versicherungsfalls trifft nach ständiger Rechtsprechung den eine Versicherungsleistung beanspruchenden Versicherungsnehmer (RIS-Justiz RS0080003; RS0043563; RS0043438), hier also den Kläger. Unstrittig ist, dass ein (oder mehrere) Täter im versicherten Objekt Sachen vorsätzlich zerstört und beschädigt haben, also Vandalenakte gesetzt wurden. Um den Versicherungsfall des „Vandalismus" zu verwirklichen, mussten die Täter allerdings durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen (oder Fenstern oder anderen Gebäudeteilen) in die Räumlichkeiten eingedrungen sein.

Ein solches gewaltsames Eindringen im Sinn der genannten Bestimmung steht im vorliegenden Fall allerdings nicht fest. Das Erstgericht hat vielmehr die unbekämpft gebliebene negative Feststellung getroffen, dass nicht einmal feststellbar sei, ob die Täter die nicht versperrte Tür durch Niederdrücken der Türklinke geöffnet haben oder in der Annahme, das Schloss wäre versperrt, die Tür aufgebrochen haben und so gewaltsam in das landwirtschaftliche Anwesen eingedrungen sind. Damit ist dem Kläger aber der Beweis des Vorliegens des Versicherungsfalls des Vandalismus keinesfalls gelungen.

Da der Kläger das Vorliegen eines Versicherungsfalls als Voraussetzung für eine Schadensdeckung durch die Beklagte demnach nicht nachzuweisen vermochte, kann die vom Berufungsgericht vor allem relevierte Frage einer Obliegenheitsverletzung dahinstehen. Die vom Berufungsgericht für notwendig erachtete Verfahrensergänzung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und ergänzende Parteienvernehmung des Klägers ist daher entbehrlich. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Erstgericht habe hinsichtlich der Frage, ob die Seiteneingangstür versperrt war, „geradezu widersprüchliche" Feststellungen getroffen, ist nicht zutreffend. Dass - gestützt auf kriminaltechnische Untersuchungen - festgestellt werden konnte, dass die Tür zum Tatzeitpunkt unversperrt war, erlaubt nicht den zwingenden Schluss, dass dies auch schon zum Zeitpunkt des Verlassens des Hauses durch den Kläger so gewesen sein müsse. Da der Umstand, ob der Kläger die Tür versperrt hat oder nicht, nur für das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung entscheidungswesentlich wäre, ist diese Frage hier nicht weiter zu erörtern.

Mangels Nachweises des Versicherungsfalls ist eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zu verneinen. Deren Rekurs ist daher Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das vom Erstgericht gefällte klagsabweisende Urteil wiederherzustellen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 50 Abs 1 und 41 ZPO.

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