OGH 13Os113/09f

OGH13Os113/09f15.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adel D***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juli 2009, GZ 34 Hv 14/09i-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Adel D***** jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A) und Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er im Jahr 2002 etwa sechs Monate hindurch in jedenfalls mehr als fünf Angriffen

(A) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 28. November 1993 geborenen Andrea D***** vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er sie veranlasste, an ihm einen Handverkehr durchzuführen, ihre Brüste streichelte und diese küsste, sowie

(B) durch die zu A beschriebenen Taten mit seinem minderjährigen Wahlkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihm an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 19 S 45) des Antrags auf „Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich Gynäkologie zum Beweise, dass bei einem schweren sexuellen Missbrauch jedenfalls eine schwere Beeinträchtigung der sexuellen Entwicklung des Kindes gegeben ist, Verletzungen auftreten können und die sexuellen Kontakte jedenfalls mit Schmerzen verbunden sind, die bei dem Kind Angst vor weiteren Malen auszulösen" (ON 19 S 43), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Beweisantrag bezog sich nämlich schon allein im Hinblick darauf, dass der Schuldspruch nicht wegen schweren sexuellen Missbrauchs erfolgte, nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände.

Hinzu kommt, dass der Antrag nicht erkennen ließ, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die Feststellung, die Brüste des Opfers hatten sich im Tatzeitraum „bereits zumindest zu entwickeln begonnen" (US 5), keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall). Der Einwand, diese Konstatierung beruhe nicht auf Verfahrensergebnissen und sei demgemäß unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), übergeht die diesbezügliche Beweiswürdigung, die sich insoweit - aktenkonform (ON 19 S 23) - auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Violeta R***** stützt (US 9, 10). Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK) wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 454).

Im Übrigen stellten die Durchführung des Handverkehrs und die Berührungen der Brüste des Opfers nach den erstgerichtlichen Feststellungen jeweils ein einheitliches Tatgeschehen dar (US 9), womit allein durch die Behauptung, die Annahme der letztgenannten sexuellen Handlungen sei mangelhaft begründet, keine entscheidende Tatsache angesprochen wird.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass bei Angriffen wie den in Rede stehenden der Grad der Ausprägung der Brüste als Sekundärmerkmal weiblicher Geschlechtlichkeit nach ständiger Judikatur nicht tatbestandsessentiell im Sinn der §§ 207 Abs 1 und 212 Abs 1 StGB ist (RIS-Justiz RS0095113).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, die vom Erstgericht als glaubwürdig angesehene Aussage der Zeugin Andrea D***** anhand eigener Beweiswerterwägungen als unglaubwürdig darzustellen, und wendet sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit b), die Strafbarkeit der Taten sei durch Verjährung erloschen, leitet nicht aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund die Bestimmung des § 58 Abs 3 Z 3 StGB, wonach die Zeit bis zur Erreichung des 28. Lebensjahres des Opfers einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war (Art V Z 8 und Art XIV Abs 2 2. GeSchG, BGBl I 2009/40), nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, hier nicht anzuwenden sein soll.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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