Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2008, AZ 133 Bl 57/08f, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 31 StGB.
Das Urteil wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:
Der Berufung des Angeklagten Daniel Z***** gegen das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 5. März 2008, GZ 14 U 5/08z-15, wegen des Ausspruchs über die Strafe wird Folge gegeben und unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. April 2008, GZ 061 Hv 41/08g-33, von einer Zusatzstrafe abgesehen.
Text
Gründe:
Daniel Z***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 5. März 2008, GZ 14 U 5/08z-15, des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er - zusammengefasst - am 1. Juni 2007 und am 15. Juli 2007 in Wien in zwei Fällen Taxilenker durch Vorspiegelung seiner Zahlungswilligkeit und -fähigkeit mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zur Beförderung mit dem Taxi und zur Übergabe von Bargeld verleitet hatte, wodurch jene um insgesamt 247,14 Euro am Vermögen geschädigt wurden. Infolge Berufung des Angeklagten (wegen des Ausspruchs über die Strafe) erwuchs dieses Urteil zunächst nicht in Rechtskraft.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. April 2008, GZ 061 Hv 41/08g-33, wurde er wegen vom 4. November 2007 bis zum 2. Februar 2008, somit vor dem vorgenannten Urteil begangener Taten, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in 13 weiteren Fällen Taxilenker durch die Vorgabe, er sei ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Fahrgast, zu seiner Beförderung mit dem Taxi und durch die Vorgabe, Wechselgeld zu benötigen und dieses sogleich wieder zurückzuzahlen, zur Herausgabe von Bargeld verleitet hatte, wodurch er sie um insgesamt zumindest 1.425 Euro am Vermögen schädigte. Auf Rechtsmittel gegen dieses Urteil wurde verzichtet.
Mit der im erstgenannten Verfahren am 16. April 2008 ausgeführten Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe strebte Daniel Z***** mit Blick auf §§ 31 und 40 StGB und auf die zuletzt genannte Verurteilung an, dass von einer Zusatzstrafe abgesehen werde. Das Landesgericht für Strafsachen Wien gab der Berufung des Angeklagten mit Urteil vom 30. Juni 2008, AZ 133 Bl 57/08f, nicht Folge. In den Gründen dieser Entscheidung führte es - irrig ohne Rücksicht auf die mangelnde Rechtskraft des Vor-Urteils (vgl Ratz in WK² § 31 Rz 3; Leukauf/Steininger, Komm³ § 31 Rz 14) - aus, die „Anwendung des § 31 StGB wäre nur im nachfolgenden hg. Verfahren 061 Hv 41/08g möglich gewesen". Unter Hinweis auf eine Kommentarstelle (Ratz in WK² § 31 Rz 17) hob es hervor, dass § 31 StGB nicht zur Korrektur der im Vor-Urteil verhängten Strafe berechtige. Unter „Bedachtnahme auf den Umstand, dass beide Verfahren im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen" bleibe dem Angeklagten eine allfällige Antragstellung nach § 31a StGB, § 410 StPO im Verfahren AZ 061 Hv 41/08g des Landesgerichts für Strafsachen Wien unbenommen.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2008, AZ 133 Bl 57/08f (ON 26 des U-Aktes), steht, wie die Generalprokuratur mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Wird in Betreff desselben Angeklagten nach einem infolge Anfechtung nicht rechtskräftigen Urteil, das einen Strafausspruch enthält, ein weiteres gefällt, dessen Schuldspruch ausschließlich vor dem ersten Urteil gelegene Taten betrifft, und erlangt das zweite Urteil vor dem ersten Rechtskraft, ist nach ständiger Rechtsprechung bei Entscheidung über die Berufung im ersten Verfahren auf das Urteil im zweiten Verfahren gemäß § 31 StGB Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0090926).
Anzumerken bleibt mit Blick auf das Missverständnis des Berufungsgerichts, dass ein Gericht bei einer Bedachtnahme eine bereits rechtskräftig verhängte Unrechtsfolge durch eine Zusatzstrafe (§ 31 StGB) nicht korrigieren darf (vgl den in 13 Os 115/88, JBl 1989, 328, angesprochenen Fall der Verhängung einer besonders strengen Zusatzstrafe zum Ausgleich eines als zu niedrig empfundenen Strafausspruchs in einem rechtskräftigen Urteil, auf das Bedacht zu nehmen ist), weil es sonst in Verletzung des nunmehr im § 17 Abs 1 StPO ausdrücklich normierten Grundsatzes „ne bis in idem" in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstieße (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO; Ratz in WK² § 31 Rz 17).
Die Feststellung der dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Gesetzesverletzung war wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verbinden.
Für das Absehen von einer Zusatzstrafe war maßgebend, dass über den Angeklagten mit Blick auf den Schuldgehalt seiner Taten und das lange Zurückliegen der einschlägigen Vorstrafe bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Freiheitsstrafe als im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. April 2008, GZ 061 Hv 41/08g-33, verhängt worden wäre (§ 40 zweiter Satz StGB).
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