OGH 11Os128/09x

OGH11Os128/09x22.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Georgi G***** und Nana G***** wegen des Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster Fall und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 9. März 2009, GZ 24 Hv 99/08k-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Georgi G***** des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster Fall (zu ergänzen: „und 15", vgl US 7) und Nana G***** des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall (zu ergänzen: „und 15", vgl US 7) StGB schuldig erkannt (zum teilweisen Verbleiben im Versuchsstadium vgl 12 Os 119/06a [verst Senat] EvBl 2007/130, 700).

Danach haben sie in den letzten Monaten bis zum 17. September 2008 in Innsbruck und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich eine große Anzahl von Kleidungsstücken und Schmuckgegenständen im Gesamtwert von zumindest 25.000 Euro, Verfügungsberechtigten der Unternehmen „Z*****", „W*****", „C*****" und zahlreicher weiterer nicht feststellbarer Geschädigter, teilweise (vom Vorsatz der Nana G***** nicht umfasst) durch Einbruch, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie die Diebstähle in der Absicht begingen, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Dagegen richten sich die in einem Schriftsatz ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der beiden Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 [lit] a und 10 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Forderung der Mängelrüge nach weiteren Feststellungen (Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) bietet keine Begründung für die Behauptung, „auch ein nicht näher eingrenzbarer Tatzeitraum muss zumindest soweit konkretisiert werden, dass ein erster Zeitpunkt feststeht" (vgl dementgegen RIS-Justiz RS0098557, wonach die genaue Begehungszeit nicht zu den wesentlichen, die Identität einer Tat bestimmenden Merkmalen gehört, wenn - wie hier - nicht zweifelhaft ist, dass Anklage und Urteil dasselbe Tun erfassen).

Die Feststellungen zu den wechselseitigen Tatbeiträgen bei den nicht unmittelbar selbst begangenen Diebstählen finden sich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) in US 7 und US 9 f, woraus sich zumindest ein wechselseitiges Bestärken im Tatentschluss ergibt (14 Os 122/92, SSt 61/115; RIS-Justiz RS0090488, RS0089799, RS0089893; zur grundsätzlichen prozessualen Gleichwertigkeit der Beteiligungsformen Fabrizy, StGB9 § 12 Rz 119; RIS-Justiz RS0087019 [ab T2]). Die Begründung der Tatrichter hiefür (US 9) mit den Gesamtumständen (gemeinsames Wohnen in einer 12 m² großen Unterkunft, in der Beute gelagert vorgefunden wurde; Versendung gestohlener Gegenstände nach Georgien [US 14 f]; gedrängte wirtschaftliche Verhältnisse der asylwerbenden Eheleute [hiezu US 6]) ist dem Rechtsmittelvorbringen zuwider empirisch und logisch nicht zu beanstanden. Zwingende Schlüsse verlangen die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zu Unrecht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449; RIS-Justiz RS0099535).

Die Rüge einer Sachverhaltsfeststellung als aktenwidrig verkennt den Umfang der Anfechtungsmöglichkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Das Vorbringen in diesem Zusammenhang zu den wechselnden Aussagen einer Zeugin und zum Einsatz eines Schlüssels (was das Erstgericht ausführlich erörterte - US 15 ff) ist Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld. Das Auffinden des gestohlenen Schmucks in der Wohnung der Angeklagten war sinnfällig nicht das einzige Argument zu deren Überführung (US 15 f), sodass der allein darauf gestützte Vorwurf unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) versagt. Dass die zum Schmuckdiebstahl zum Nachteil der „Z*****" gehörte Zeugin vor der Polizei den Erstangeklagten bei einer Vorlage von neun Lichtbildern verschiedener Personen, nicht aber in der Hauptverhandlung (nachdem dieser zwischenweilig eine Schussverletzung erlitten hatte) wiedererkannte (ON 23 S 12 und 15), sondern eine andere Person (die den Diebstahl ebenso bestritt wie der Erstangeklagte - ON 23 S 12), dies jedoch nach erneuter Vorlage der erwähnten Lichtbilder revidierte (ON 23 S 14; dazu US 16), begründet für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken an den zum Schuldspruch wegen Einbruchsdiebstahls festgestellten entscheidenden Tatsachen.

Denn der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583; 12 Os 62/08x uva). Ebenso wenig zielführend ist in diesem Zusammenhang der Rückgriff auf den Zweifelsgrundsatz. Die materiellrechtlichen Rügen (Z 9 lit a, 10) behaupten lediglich fehlende Feststellungen „dazu, wie und wann und hinsichtlich welcher einzelner Taten dieser [gemeinsame] Tatentschluss gefasst worden sei", ohne die rechtliche Relevanz dieser Umstände methodisch korrekt aus dem Gesetz abzuleiten. Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen zur Täterschaftsform verwiesen werden. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 ZPO.

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