OGH 11Os141/09h

OGH11Os141/09h22.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Dr. Walcher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 22. Juni 2009, GZ 42 Hv 23/09i-30, sowie die Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des Widerrufsbeschlusses verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian B***** des Vergehens (wegen der Vielzahl der Angriffe richtig: der Vergehen) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (I) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG (II) schuldig erkannt und über ihn „gemäß § 28 Abs 3 SMG" eine Freiheitsstrafe verhängt. Nach § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO wurde der Widerruf der bedingten Sanktionsnachsicht eines Urteils vom 12. Februar 2009 beschlossen. Danach hat er von Oktober 2008 bis (Anfang - US 5, 7) Februar 2009 in Wien und verschiedenen Orten Niederösterreichs vorschriftswidrig Suchtgift,

I) nämlich 70 Gramm Speed, 600 Gramm Cannabiskraut und 200 Stück

Ecstasy-Tabletten, erworben und besessen;

II) und zwar in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in Form von zumindest 2.000 Stück Ecstasy-Tabletten, 200 Gramm Speed, 600 Gramm Cannabiskraut und 15 Gramm Kokain, an im Ersturteil näher spezifizierte Personen überlassen, wobei er die Straftat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und überdies in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) beging.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft erhebt zugunsten des Angeklagten gegen den Strafausspruch Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 11 (ergänze richtig: erster Fall - vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 671) StPO und Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO. Der Angeklagte meldete durch seinen Verteidiger Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO gefassten Beschluss an (ON 31). Mit Schreiben vom 5. Juli 2009 (ON 32) zog der Angeklagte selbst diese Rechtsmittel zurück und ersuchte um Bestätigung seines Ansuchens „in Form eines rechtskräftigen Urteils".

Die dennoch vom Verteidiger ausgeführte Berufung (ON 33) war (ebenso wie die dadurch implizierte Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss - § 498 Abs 3 StPO) deshalb als unzulässig zurückzuweisen (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2, 498 Abs 3 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war vom Obersten Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur allerdings wahrzunehmen (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 281 Abs 1 Z 10 StPO), dass dem angefochtenen Urteil Tatsachenfeststellungen zu den Reinsubstanzen der tatverfangenen Suchtgifte völlig fehlen und die Subsumtion daher an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen leidet (RIS-Justiz RS0111350).

Die deshalb notwendige (RIS-Justiz RS0115884), mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung verbundene (§ 285e StPO) Kassation des Schuldspruchs II (und somit des Strafausspruchs) bedingt zusätzlich die Aufhebung auch des Schuldspruchs I (§ 289 StPO; vgl RIS-Justiz RS0119278).

Mit ihren Rechtsmitteln war die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs und des Widerrufsbeschlusses zu verweisen. Im zweiten Rechtsgang werden auch präzise Feststellungen zum sogenannten Additionsvorsatz (US 6; RIS-Justiz RS0112225) zu treffen sowie die rechtlichen Aspekte der Sanktionsfindung (richtiger Strafsatz; § 31 StGB; § 494a StPO) zu beachten sein.

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