OGH 9ObA68/09d

OGH9ObA68/09d26.8.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil und die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friedrich W*****, Pensionist, *****, vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1010 Wien, Laurenzerberg 2, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 28.357,65 EUR brutto sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 79.588,83 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Februar 2009, GZ 9 Ra 9/09y-17, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 29. Oktober 2008, GZ 34 Cga 50/08z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.078,46 EUR (darin 346,41 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 2. 1963 bis 31. 12. 1993 beim Beklagten als Angestellter beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete einvernehmlich durch Antritt der Alterspension.

Der Kläger bezog vom Beklagten auf der Grundlage der Pensionszuschussordnung des Beklagten (in der Folge: PZO) eine Zuschusspension in der Höhe von (zuletzt) monatlich 1.219,79 EUR brutto, die vom Beklagten - nachdem der Kläger ein Abfindungsanbot ausgeschlagen hatte - mit 28. 2. 2007 eingestellt wurde. Seither hat der Kläger vom Beklagten keine Zuschusspension mehr erhalten. Entsprechend der Valorisierung der BV-PZO würde die monatliche Zusatzpension seit 1. 4. 2008 1.257,60 EUR brutto betragen. Mit Wirkung vom 1. 3. 1979 schlossen der Zentralbetriebsrat der Arbeitnehmer des Beklagten und der Beklagte eine Betriebsvereinbarung („Pensionszuschussordnung für die Arbeitnehmer des Österreichischen Gewerkschaftsbundes"; in der Folge BV-PZO), die ua folgende Bestimmungen enthält (die Hervorhebungen erfolgten durch den Obersten Gerichtshof):

„I. Allgemeine Voraussetzungen

Anwendungsbereich

§ 1 (1) Den Arbeitnehmern des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, auf deren Arbeitsverhältnis die Arbeitsordnung der Arbeitnehmer des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (im Folgenden als „Arbeitsordnung" bezeichnet) Anwendung findet, und ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen werden nach Maßgabe dieser Pensionszuschussordnung und nach Maßgabe der vorhandenen Mittel vom Österreichischen Gewerkschaftsbund Zuschüsse zu den Rentenleistungen der gesetzlichen Pensionsversicherung nach dem ASVG gewährt.

(...)

II. RUHEGENUSSZUSCHUSS

Anspruchsvoraussetzungen

§ 4 Anspruch auf Ruhegenusszuschuss hat der Arbeitnehmer (§ 1 Abs 1), dem ein Rentenanspruch aus der gesetzlichen Pensionsversicherung aus dem Versicherungsfall des Alters (...) zuerkannt wurde, wenn das Arbeitsverhältnis zum Österreichischen Gewerkschaftsbund aufgelöst ist und nicht ein Ausschließungsgrund nach § 7 vorliegt.

(...)

Ausschluss des Anspruches

§ 7 Der Anspruch auf Ruhegenusszuschuss ist ausgeschlossen bzw erlischt, wenn

a) seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 drei Jahre verstrichen sind;

b) der Arbeitnehmer freiwillig aus dem Dienste des Österreichischen Gewerkschaftsbundes austritt, es sei denn, dass er einen berechtigten Austrittsgrund nach § 26 des Angestelltengesetzes hat;

c) der Arbeitnehmer gemäß § 27 Abs 1 lit d der Arbeitsordnung gekündigt bzw gemäß § 27 des Angestelltengesetzes aus seinem Verschulden entlassen wird;

d) der Arbeitnehmer der Mitgliedschaft zum Österreichischen Gewerkschaftsbund gemäß § 19 der Statuten des ÖGB verlustig wurde oder ausgeschlossen wird.

Beginn, Ende und Ruhen des Anspruches

§ 8 (1) Der Anspruch auf Ruhegenusszuschuss beginnt bei Zutreffen der in § 4 genannten Voraussetzungen so viele Monate nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, als der Arbeitnehmer Monatsgehälter als Abfertigung gemäß § 16 der Arbeitsordnung erhalten hat.

(2) Der Anspruch auf Ruhegenusszuschuss endet mit dem Ablauf des

Kalendermonats, in dem der Pensionsanspruch aus der gesetzlichen

Pensionsversicherung ... durch Entziehung oder Erlöschen ... oder

durch Aufhebung des Zuerkennungsbescheides im Wiederaufnahmeverfahren

... weggefallen ist.

(3) Der Anspruch ruht für die Dauer eines Vertragsverhältnisses zum Österreichischen Gewerkschaftsbund bis zur Höhe des aus diesem Vertragsverhältnis erzielten Einkommens. Eine andere die Pensionsversicherungspflicht begründende Beschäftigung darf nur mit Zustimmung des Präsidiums des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bei sonstigem gänzlichem Ruhen des Ruhegenusszuschusses ausgeübt werden. Stimmt das Präsidium einer solchen Beschäftigung zu, kann es das gänzliche oder teilweise Ruhen des Ruhegenusszuschusses verfügen."

Der Kläger begehrt die Zahlung der seit 1. 3. 2007 fällig gewordenen Pensionszuschüsse und die Feststellung, dass der Beklagte ihm auch zukünftig entsprechend der PZO valorisierte Pensionszuschüsse in Höhe von (derzeit) monatlich 1.489,27 EUR brutto zu zahlen habe. Nach den Grundlagen seines Anspruchs könne dieser vom Beklagten weder ausgesetzt noch eingeschränkt werden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das BPG sei für den Leistungsanspruch des Klägers nur teilweise anwendbar. Die in der PZO enthaltene Formulierung, dass der Beklagte Pensionszuschüsse nur „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" zu zahlen habe, sei ein ausreichend bestimmter Widerrufsvorbehalt, der dem Beklagten das Recht gebe, die Pensionszusage zu widerrufen, zumal seine wirtschaftliche Existenz gefährdet gewesen sei. Ohne die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen - die meisten Pensionsbezieher haben das Abfindungsangebot angenommen - wäre der Beklagte 2008 überschuldet gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Erstgericht wertete die in der BV-PZO enthaltene Formulierung „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" als Hinweis auf die erforderliche Existenz des Arbeitgebers, nicht aber als hinreichend deutlich erklärten Widerrufsvorbehalt. Der Beklagte sei daher zum Widerruf der Pensionsleistungen nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Die BV-PZO sei eine Betriebsvereinbarung und daher nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen. Maßgebend sei daher nicht der Wille der seinerzeitigen Normgeber, sondern nur, welchen Willen des Normgebers der Leser aus dem Vertragstext entnehmen könne.

Beide PZO seien vor dem Inkrafttreten des BPG abgeschlossen worden. Auf die darin enthaltenen Leistungszusagen sei das BPG nur in Bezug auf die daraus entspringenden neuen Anwartschaften anzuwenden. Auf die vor seinem Inkrafttreten abgegebenen Leistungszusagen mit Direkterfüllung sei das BPG nicht anwendbar. Abweichende Regelungen in alten Leistungszusagen, insbesondere auch über die Widerrufsausübung, gingen dem BPG vor.

Ohne Vereinbarung eines Gestaltungsrechts könne der Arbeitgeber eine Pensionsvereinbarung nicht einseitig abändern. Ein solcher Widerrufsvorbehalt sei aber hier nicht vereinbart worden. Die Formulierung „nach Maßgabe der vereinbarten Mittel" reiche dazu nicht aus. Der einseitige Widerruf der Pensionsleistungen sei daher unzulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. 8. 2009 zu 9 ObA 38/09t in einem Parallelverfahren, das ebenfalls den Widerruf der Pensionsleistungen durch den Beklagten betraf, die auch dort von den Vorinstanzen vertretene Rechtsauffassung, der Widerruf sei mangels eines in der BV-PZO vereinbarten Widerrufsvorbehalts unzulässig, gebilligt. Zur entscheidenden Frage, ob die in § 1 der BV-PZO enthaltene Formulierung „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel" als Widerrufsvorbehalt zu werten sei, führte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung im Wesentlichen Folgendes aus:

„§ 1 Abs 1 der Betriebsvereinbarung, der nach seiner Überschrift deren 'Anwendungsbereich' regelt, normiert, dass den Arbeitnehmern des Beklagten 'nach Maßgabe dieser Pensionszuschussordnung' und 'nach Maßgabe der vorhandenen Mittel' vom Beklagten Zuschüsse zu Rentenleistungen 'gewährt' werden. Unter 'Gewähren' kann aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im noch darzustellenden konkreten Zusammenhang nichts anderes als der Akt der Zuerkennung der Leistungen verstanden werden. Selbst nach der weitesten Auslegung des Wortsinns der Bestimmung ist daher der Absatz 1 des § 1 der BV-PZO nur dahin zu verstehen, dass denjenigen Arbeitnehmern, die die in der PZO festgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen, bei Vorhandensein der entsprechenden finanziellen Mittel auf Seiten des Beklagten ein entsprechender Zuschuss gewährt (= zuerkannt) werden wird. (Nur) mit dieser Wortinterpretation lässt sich auch zwanglos vereinbaren, dass §§ 7 und 8 der BV-PZO zwar Ausschluss, Ende und Ruhen des (bereits zuerkannten) Anspruchs regeln, jedoch von einem Entzug wegen Mangels entsprechender Mittel nicht die Rede ist. Den Parteien der Betriebsvereinbarung ging es somit in § 1 Abs 1 entsprechend dem Titel des I. Abschnitts nur darum, die 'Allgemeinen Voraussetzungen' der Zuschussgewährung zu regeln, nicht jedoch - systemwidrig - auch den Widerruf bereits gewährter Leistungen zu normieren."

Von dieser Rechtsauffassung abzugehen, besteht keine Veranlassung. Auf die vom Revisionswerber vermissten Feststellungen über die wirtschaftliche Situation des Beklagten, die im Falle der Bejahung der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts maßgebend gewesen wären, kommt es daher nicht mehr an.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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