Spruch:
In der Strafsache AZ 36 Hv 76/08s des Landesgerichts Innsbruck verletzen
der Beschluss dieses Gerichts vom 7. Jänner 2009 (ON 60, 61) § 86 Abs 1 erster Satz StPO,
die Unterlassung der Verfügung der Zustellung dieses Beschlusses an die Staatsanwaltschaft § 86 Abs 2 erster Satz StPO und
der Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 17. Februar 2009, AZ 6 Bs 72/09b (ON 65), § 87 Abs 1 StPO.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck brachte am 5. Mai 2008 gegen Günter V***** wegen des Verdachts, das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und eine weitere strafbare Handlung begangen zu haben, die Anklage ein (ON 47). Nach Zustellung der Anklageschrift (ON 58, 59) beantragte der Angeklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe (ON 60), welchem Begehren das Landesgericht Innsbruck am 7. Jänner 2009 nachkam. Der diesbezügliche Beschluss beschränkte sich in der Urschrift auf die Anordnung „VH2" (ON 60 S 457), die - mittels des solcherart bezeichneten Formblatts vorgenommene - Beschlussausfertigung enthielt ebenso keine Begründung (ON 61). Die Verfügung der Zustellung einer Ausfertigung an die Staatsanwaltschaft unterblieb nach der Aktenlage.
Der daraufhin mit Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 12. Jänner 2009 zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt Dr. Ekkehard E***** (ON 61 S 5) bekämpfte den seiner Bestellung zu Grunde liegenden Beschluss am 28. Jänner 2009 mit Beschwerde (ON 62). Diese wies das Oberlandesgericht Innsbruck am 17. Februar 2009 mit der wesentlichen Begründung zurück, Dr. E***** sei nicht beschwerdelegitimiert (ON 65).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die beschriebene Vorgangsweise mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang.
Gemäß § 86 Abs 1 erster Satz StPO hat jeder Beschluss eine Begründung zu enthalten, welchem Erfordernis die Entscheidung des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Jänner 2009 (ON 60, 61) nicht entspricht.
Da der Staatsanwaltschaft das Beschwerderecht gegen strafgerichtliche Beschlüsse gemäß § 87 Abs 1 StPO grundsätzlich generell zukommt, verstößt die Unterlassung der Zustellung einer Beschlussausfertigung an diese gegen § 86 Abs 2 erster Satz StPO.
§ 87 Abs 1 StPO umschreibt den Kreis der zur Beschwerde gegen gerichtliche Beschlüsse (neben der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Privatbeteiligten) grundsätzlich Legitimierten, dem Prinzip der Beschwer folgend (vgl Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 343; Fabrizy StPO10 § 87 Rz 1), mit „jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist". Hinsichtlich eines Beschlusses auf Beigebung eines Verteidigers nach § 61 Abs 2 StPO bedeutet dies, dass - der Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 17. Februar 2009 (ON 65) zuwider - dem aufgrund eines solchen von der Rechtsanwaltskammer bestellten Verteidiger sehr wohl die Beschwerdelegitimation zukommt, weil die mit der Verfahrenshilfeverteidigung verbundenen Pflichten aus dem gerichtlichen Beigebungsbeschluss resultieren. Demnach steht diesem auch das in § 87 Abs 1 StPO normierte Beschwerderecht zu (Tipold, WK-StPO § 87 Rz 15).
Da die aufgezeigten Gesetzesverletzungen nicht zum Nachteil des Angeklagten wirken, hat es mit deren Feststellung sein Bewenden.
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