OGH 13Ns21/09f

OGH13Ns21/09f18.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Joni K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 081 Hv 28/09v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über Vorlage durch das Oberlandesgericht Wien, AZ 20 Bs 86/09g, gemäß §§ 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz, 215 Abs 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über den Einspruch (§ 213 Abs 6 letzter Satz StPO) übermittelt.

Text

Gründe:

In einer im Verfahren AZ 081 Hv 28/09v des Landesgerichts für Strafsachen Wien eingebrachten Anklageschrift legte die Staatsanwaltschaft Wien den Angeklagten Joni K***** und Giorgi S***** ein als Verbrechen des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, 15 StGB und dem Erstgenannten überdies ein als Verbrechen der Hehlerei nach § 164 (Abs 2 und) Abs 4 dritter Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last. Ein Einspruch dagegen liegt nicht vor. Der Akt wurde von der Vorsitzenden wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Wien gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Wien und von diesem (nach Einholung einer Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Wien), weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei, gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz (iVm § 213 Abs 6 dritter Satz) StPO dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Aufgrund des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 26. März 2009, AZ 13 Ns 8/09v, mit dem die Akten dem Oberlandesgericht Wien mit dem Auftrag zurückgeleitet wurden, vorerst über die in § 212 Z 1 bis 4 StPO genannten Einspruchsgründe zu befinden, sprach Letzteres mit Beschluss vom 17. April 2009 aus, dass die Anklageschrift keinen solchen Mangel aufweise, und legte die Akten neuerlich vor.

In der Anklageschrift erhebt die Staatsanwaltschaft den Vorwurf, in Wien hätten

A./ Joni K***** und Giorgi S***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung

I./ nachstehenden Wohnungsinhabern fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Wertgegenstände in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert, durch Einbruch in deren Wohnungen, nämlich durch Abdrehen der Schlosszylinder der Eingangstüren mit einem Rollgabelschlüssel, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

1.) weggenommen, und zwar

a.) am 17. November 2008 in Graz Mag. Vera B***** eine Brosche in Delphinform im Wert von 100 Euro;

b.) am 26. November 2008 in Linz Ruza D***** Goldschmuck im Wert von ca 10.000 Euro und Bargeld in noch festzustellender Höhe

2.) wegzunehmen versucht, und zwar am 17. November 2008 in Graz Martina Du*****, wobei sie auf frischer Tat betreten wurden;

B./ Joni K***** allein Ende Oktober 2008 in Wien eine Sache, die ein anderer durch eine aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit fünf Jahre erreichender Freiheitsstrafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, nämlich einen von unbekannten Tätern durch Einbruch (Einbruchsdiebstahl vom 16. Oktober 2008 in W*****, zum Nachteil des Mato I*****) gestohlenen Laptop, dadurch an sich gebracht, dass er ihn von unbekannten Tätern übernahm und den abgesondert verfolgten Isa Bo***** ersuchte, ein russisches Betriebssystem auf der Festplatte aufzusetzen, wobei er die diese Strafdrohung begründenden Umstände kannte.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs 3 StPO ist für das Hauptverfahren gegen Erwachsene (s betreffend Jugendstrafsachen § 29 JGG) primär das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (Tatortzuständigkeit).

2. Im Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen (§ 37 Abs 1 erster Satz StPO; Verfahrenskonzentration). Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO).

Das Verbrechen des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall, 15 StGB fällt aufgrund der Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe in die sachliche Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffengericht (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO), das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 (Abs 2 und) Abs 4 dritter Fall StGB hingegen angesichts der Androhung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren in die sachliche Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO).

Daraus folgt im gegebenen Fall, dass das von der Staatsanwaltschaft als Verbrechen der Hehlerei nach § 164 (Abs 2 und) Abs 4 dritter Fall StGB beurteilte Verhalten nicht für die örtliche Zuständigkeit ausschlaggebend ist (§ 37 Abs 1 erster Satz, Abs 2 erster Satz StPO).

3. Aufbauend auf den Grundsätzen der Verfahrenskonzentration und des Vorrangs des Gerichts höherer Ordnung (RV 25 BlgNR 22. GP 57) regelt § 37 Abs 2 StPO im zweiten und dritten Satz den Fall, dass für die gemeinsame Verfahrensführung mehrere untereinander gleichrangige Gerichte „höherer Ordnung" in Frage kommen (wie im vorliegenden Fall das Landesgericht für Strafsachen Graz als Schöffengericht und das Landesgericht Linz als Schöffengericht), und zwar dergestalt, dass das Verfahren dem Gericht zukommt, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO).

Von dieser Anknüpfung an die zeitliche Abfolge der Taten besteht eine der Verfahrensökonomie dienende Ausnahme für den Fall, dass für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Landesgericht zuständig war, in dessen Sprengel eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO). Diese Bestimmung ändert, wie sich auch aus den zitierten Materialien ergibt, nichts am Grundsatz des Vorrangs des Gerichts höherer Ordnung. § 37 Abs 2 dritter Satz StPO betrifft maW nur den zweiten, nicht aber den ersten Satz des § 37 Abs 2 StPO.

4. Im gegebenen Fall hat die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren geleitet, das zur vorliegenden Anklageschrift wegen der in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffengericht fallenden Diebstähle in Graz (am 17. November 2008) und Linz (am 26. November 2008) führte. Da nach dem Gesagten der frühere der beiden Diebstähle den Ausschlag gibt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO), ist das Landesgericht für Strafsachen Graz für das Verfahren zuständig.

5. Demnach war die Sache gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über den durch die erstgenannte Bestimmung fingierten Einspruch zu übermitteln.

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