Spruch:
Der Antrag, die Rechtssache an das Bezirksgericht Hernals zu delegieren, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Beim Bezirksgericht Klagenfurt ist seit mehreren Jahren das Verfahren über die von der Klägerin wider den Beklagten eingebrachte Scheidungsklage anhängig. Die Streitteile waren ursprünglich im Sprengel des Bezirksgerichts Klagenfurt wohnhaft. Bislang wurde die Klägerin im mit der Scheidungsklage verbundenen Sicherungsverfahren einvernommen und ein Urteil aufgrund des beiderseitigen Parteienvorbringens gefällt.
Nach Aufhebung dieses Urteils durch das Berufungsgericht, welches dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug, wurde das Verfahren in erster Instanz fortgesetzt, ohne dass die Streitteile persönlich bei Gericht erschienen. Beantragt sind insgesamt vier Zeugen, drei wohnen in Kärnten, einer in Wien. Beide Vertreter der Streitteile (Verfahrenshilfe) brachten übereinstimmend vor, dass es ihnen nicht möglich gewesen war, mit den Parteien Kontakt aufzunehmen, weil diese offenbar den Kontakt verweigern. Die Klägerin ist schon seit mehr als einem Jahr im Sprengel des Bezirksgerichts Hernals gemeldet, während der Beklagte derzeit keine aufrechte Meldung hat. Aus dem für die vier minderjährigen Kinder der Parteien geführten Pflegschaftsverfahren des Bezirksgerichts Hernals (AZ 1 P 221/08h) ergibt sich, dass der Beklagte als Vater für einen der vier Minderjährigen obsorgeberechtigt ist. Dieser wohnt in Wien (im 5. Bezirk). Aus dem Pflegschaftsakt geht weiters hervor, dass der Vater bei dem von ihm zu versorgenden Minderjährigen wohnt.
Beide Parteien beantragten übereinstimmend die Delegierung des Scheidungsverfahrens an das Bezirksgericht Hernals. Es sei zweckmäßig, wenn jenes Gericht das Scheidungsverfahren führe, das bereits für das Pflegschaftsverfahren für die Kinder der Streitteile zuständig sei. Beide Streitteile seien darüber hinaus auch in Wien wohnhaft oder zumindest aufhältig.
Das Erstgericht legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag - ohne ausdrückliche Äußerung zu diesem - vor.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 31 Abs 2 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Die Delegation soll Ausnahmefall bleiben; keinesfalls soll durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS-Justiz RS0046324 [T5]). Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann. Zweckmäßigkeitsgründe in diesem Sinn sind vor allem der Wohnort der Parteien oder der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage eines Augenscheinsgegenstands (RIS-Justiz RS0046540).
Zwar wohnen beide Streitteile in Wien; auch wenn im Ehescheidungsverfahren dem persönlichen Eindruck von den jedenfalls zu vernehmenden Parteien besondere Bedeutung zukommt und die angestrebte Delegierung für beide Streitteile den Zugang zu Gericht erleichtern würde, muss berücksichtigt werden, dass drei beantragte Zeugen in Kärnten leben und vor allem, dass das bisher befasste Erstgericht bereits länger mit dem Verfahren befasst war und von beiden Streitteilen bereits einen persönlichen Eindruck gewinnen konnte. Es sprechen daher nicht eindeutig überwiegende Gründe für die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung, sodass diese nicht zu bewilligen ist.
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