Spruch:
Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Aufgrund ihres (sechs Monate „rückwirkenden") Antrags auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld vom 12. 5. 2004 (Beilage ./1) bezog die Klägerin als alleinerziehende Mutter des am 2. 12. 2002 geborenen mj Andre S***** von der beklagten Partei für den Zeitraum vom 13. 11. 2003 bis 31. 12. 2003 Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von täglich 6,06 EUR, insgesamt also 296,94 EUR. Die Klägerin war in den Monaten Oktober und November 2003 bei der H***** GesmbH beschäftigt gewesen und hatte dafür steuerpflichtige Bezüge von „zumindest" 1.860 EUR erhalten. Seit Jänner 2007 ist sie teilzeitbeschäftigt und erhält dafür 645,90 EUR netto monatlich. Die monatlichen Ausgaben der Klägerin setzen sich aus Versicherungsprämien von 271,62 EUR und aus einem Miet-/Kostbeitrag von 200 EUR zusammen.
Mit Bescheid vom 28. 6. 2007 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 13. 11. 2003 bis 31. 12. 2003 und verpflichtete die Klägerin zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von insgesamt 296,94 EUR binnen vier Wochen. Da der gemäß § 8 KBGG errechnete maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin (14.336,40 EUR) den für das Jahr 2003 geltenden Grenzbetrag gemäß § 9 Abs 3 KBGG (3.997 EUR) überschreite, gelte der Zuschuss als unberechtigt empfangen. Die Rückforderung erfolge gemäß § 30 Abs 2 iVm § 31 Abs 2
KBGG.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage auf Feststellung, dass der Anspruch der beklagten Partei auf Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 13. 11. 2003 bis 31. 12. 2003 nicht zu Recht bestehe. Im Kalenderjahr 2003 habe sie steuerpflichtige Bezüge von 2.708,24 EUR erhalten, weil sie in diesem Jahr lediglich vom 13. 9. 2003 bis zum 31. 12. 2003 bei H***** beschäftigt gewesen sei und sonst keine Einkünfte erzielt habe. Daher ergebe sich nach Abzug der Werbungskostenpauschale (132 EUR) selbst unter Hinzurechnung eines 30%igen „Aufwertungsfaktors" ein Jahreseinkommen von 3.349,11 EUR, das unter der „Freigrenze" (3.997 EUR) liege. Hätte die Klägerin den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld für das gesamte Kalenderjahr beansprucht, wäre seitens der Beklagten kein Widerruf der Gewährung erfolgt. Da der Zuschuss jedoch nur in der Zeit des aufrechten Beschäftigungsverhältnisses bezogen worden sei, werde das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses während des gesamten Kalenderjahres fingiert. Diese Vorgangsweise sei „unzulässig". Aber selbst wenn die Berechnung dem Wortlaut des KBGG entspreche, liege aufgrund des geringen Einkommens und der monatlichen Ausgaben der Klägerin (die aufgrund ihrer finanziellen Situation gezwungen sei, weiterhin im elterlichen Haushalt zu wohnen), aber auch deshalb, weil sie den Zuschuss gutgläubig bereits verbraucht habe, ein Härtefall vor. Außerdem beruft sich die Klägerin auf die Unvorhersehbarkeit des Überschreitens der Freigrenze (aufgrund der Komplexität der Berechnung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte). Schließlich macht sie noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 8 KBGG normierte Ermittlungsart des maßgeblichen Einkommens (insbesondere die pauschale Einkommenserhöhung um 30 % und die Hochrechnung auf ein fiktives Einkommen für ein Jahr auf der Grundlage von Kalendermonaten, in denen über die Hälfte des Monats Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde) und gegen die in § 31 Abs 2 KBGG normierte „volle verschuldensunabhängige" Rückzahlungspflicht geltend.
Die beklagte Partei beantragt Klagsabweisung. In dem gemäß § 8 KBGG zu berücksichtigenden Zeitraum (1. 11. 2003 bis 31. 12. 2003) habe die Klägerin laufende Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von „mehr als" 1.860 EUR erzielt. Daraus errechne sich gemäß § 8 Abs 1 KBGG für das ganze Kalenderjahr 2003 ein maßgeblicher Gesamtbetrag der Einkünfte von 14.336,40 EUR. Da die Freigrenze im Jahr 2003 gemäß § 9 Abs 3 KBGG lediglich 3.997 EUR betragen habe, müsse die Klägerin gemäß § 31 Abs 2 KBGG verschuldensunabhängig zum Ersatz des zu Unrecht bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 6,06 EUR täglich, insgesamt also von 296,94 EUR verpflichtet werden. Sie habe im Rahmen der Beantragung des Kinderbetreuungsgeldes auch ein Informationsblatt mit detaillierten Informationen über die zu beachtenden Zuverdienstgrenzen erhalten und sei auch darauf hingewiesen worden, dass bei Überschreitung einer dieser Zuverdienstgrenzen die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Leistung erfolge.
Das Erstgericht stellte fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld vom 13. 11. 2003 bis 31. 12. 2003 nicht zu Recht bestehe, wies das Feststellungsbegehren der Klägerin ab und erkannte diese schuldig, der beklagten Partei den im angeführten Zeitraum bezogenen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 296,94 EUR binnen 14 Tagen zurückzuzahlen. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Auffassung, zur Errechnung des maßgeblichen Einkommens seien die in der Zeit vom 1. 11. 2003 bis 31. 12. 2003 erzielten Einkünfte der Klägerin (1.860 EUR) - abzüglich Werbungskostenpauschale (132 EUR) - durch die Anzahl der Bezugsmonate (also durch zwei) zu teilen, mit zwölf zu multiplizieren und um 30 % zu erhöhen. Bei Hochrechnung auf das gesamte Jahr im Sinne des § 8 KBGG habe der Gesamtbetrag der [fiktiven] Einkünfte der Klägerin im Jahr 2003 somit [„zumindest"] 13.478,40 EUR betragen und die „Freigrenze" nach § 9 Abs 3 KBGG (3.997 EUR) um 9.481,40 EUR überschritten. Da dieser Betrag die gesamte Höhe des im Jahr 2003 überwiesenen Zuschusses bei weitem übersteige, sei die Klägerin gemäß § 31 Abs 2 KBGG ohne Rücksicht auf ihr Verschulden zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet. Die Anwendung der Härtefallverordnung zum KBGG sei dem Gericht verwehrt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an, welches das gemäß § 8 Abs 1 Z 1 KBGG maßgebende Einkommen der Klägerin zutreffend ermittelt habe. Dass dieses die Freigrenze des § 9 Abs 3 KBGG (3.997 EUR) um 9.481 EUR überschreite, werde in der Berufung gar nicht bestritten. Es schade daher nicht, dass keine Feststellungen über die Höhe des tatsächlichen Jahreseinkommens der Klägerin im Jahr 2003 und über die „fiktive Anspruchsberechtigung bei rechtzeitiger Antragstellung" (schon ab 25. 1. 2003) getroffen worden seien. Eine Berücksichtigung des von der Klägerin in ihrer Berufung behaupteten gutgläubigen Verbrauchs komme aufgrund der objektiven Rückzahlungsverpflichtung des § 31 Abs 2 KBGG nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht der Klägerin stehe es den Gerichten nicht zu, an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und die kritisierte Regelung des § 8 KBGG (wonach die tatsächlich während der Dauer des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes bzw des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld bezogenen Einkünfte auf ein fiktives Jahreseinkommen hochzurechnen seien) im Wege der Rechtsfortbildung bzw einer allzu weitherzigen Interpretation zu korrigieren. Das Berufungsgericht teilte auch nicht die von der Klägerin gegen die anzuwendende Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bestimmung des § 8 KBGG noch nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters wird die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die Bestimmungen der §§ 8, 9 und 31 KBGG beim Verfassungsgerichtshof angeregt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 23. 9. 2008, 10 ObS 64/08x, die Revision der Klägerin aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund und auch deshalb, weil Bedenken gegen die Verfassungskonformität der präjudiziellen Bestimmungen der §§ 8, 9 und 31 KBGG bestanden haben, für zulässig angesehen und beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag gestellt. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten. Der Verfassungsgerichtshof wies mit seinem Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 130/08-6, diesen Gesetzesprüfungsantrag ab, weil er die in diesem Antrag und auch die in den anderen Gesetzesprüfungsanträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs erweisen sich die von der Revisionswerberin gegen die maßgebende Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken als nicht berechtigt. Die Revisionswerberin macht darüber hinaus in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, § 8 KBGG sei dahin auszulegen, dass das nach dieser Gesetzesstelle fiktiv ermittelte Einkommen durch das tatsächliche Einkommen begrenzt werde, weshalb Feststellungen zur Höhe des tatsächlich bezogenen Gesamteinkommens und zur „fiktiven Anspruchsberechtigung bei rechtzeitiger Antragstellung" hätten getroffen werden müssen.
Diesen Ausführungen hat der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 23. 9. 2008, 10 ObS 64/08x, entgegengehalten, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs 1 Z 1 KBGG sowie aus den zitierten Gesetzesmaterialien eindeutig hervorgeht, dass der maßgebende Zeitraum für die Ermittlung der sogenannten Freigrenze das Kalenderjahr ist. Alle in einem Kalenderjahr während der Kalendermonate mit Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes und des Zuschusses (Anspruchszeitraum = Zuverdienstzeitraum) zugeflossenen Einkünfte sind zusammenzurechnen und auf einen (fiktiven) Jahresbetrag umzurechnen. Daraus folgt, dass die Vorinstanzen den maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 8 Abs 1 Z 1 KBGG für das Kalenderjahr 2003 mit dem Betrag von „zumindest" 13.478,40 EUR zutreffend ermittelt haben und dieser Betrag den im Fall der Klägerin gemäß § 9 Abs 3 KBGG maßgebenden Grenzbetrag von
3.997 EUR um 9.481,40 EUR überschritten hat. Die von der Revisionswerberin gegen diese Berechnungsweise erhobenen Einwände sind daher nicht berechtigt. Aufgrund der anzuwendenden Gesetzeslage besteht kein Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld für den von der Klage erfassten Zeitraum vom 13. 11. 2003 bis 31. 12. 2003.
Wie ebenfalls bereits mit Beschluss vom 23. 9. 2008, 10 ObS 64/08x, dargelegt wurde, kommt die Klägerin - im Hinblick auf das nachträglich festgestellte Überschreiten des Grenzbetrags (§ 9 Abs 3 KBGG) durch den maßgeblichen Gesamtbetrag ihrer Einkünfte (§ 8 KBGG) um das 2,5-fache - im Rechtsmittelverfahren zu Recht nicht mehr darauf zurück dass ein „Härtefall" (iSd KBGG-Härtefall-Verordnung [BGBl II 2004/91) vorliege. Der von ihr weiters erhobene Einwand des gutgläubigen Verbrauchs des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld ist, wie ebenfalls bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, auch nicht berechtigt, weil die Rückforderungsbestimmung des § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG lediglich auf den objektiven Umstand des Nichtvorliegens der Anspruchsvoraussetzungen abstellt. Die Entscheidung der Vorinstanzen (Abweisung des Begehrens der Klägerin und Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz des von ihr für den Zeitraum vom 13. 11. 2003 bis 31. 12. 2003 bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld) steht daher im Einklang mit der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform beurteilten Gesetzeslage. Der Revision musste somit insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Für einen Kostenersatz nach Billigkeit sind neben den rechtlichen (oder tatsächlichen) Schwierigkeiten des Verfahrens auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Versicherten maßgebend. Aktuelle berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, welche einen ausnahmsweisen Kostenersatz nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht bescheinigt und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
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