OGH 1Nc24/09h

OGH1Nc24/09h1.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 32 Cg 21/08f anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Mileta P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kropf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 30.000 EUR sA, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Klage wird das Landesgericht Linz als zuständig bestimmt.

Text

Begründung

Unter Berufung auf das StEG 2005, das AHG und die EMRK begehrt der Kläger eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter Inhaftierung. Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg sei über ihn am 10. 10. 2003 die Untersuchungshaft verhängt worden, aus der er am 16. 3. 2004 entlassen worden sei. Er sei in der Folge rechtskräftig freigesprochen worden. Das Strafgericht habe rechtskräftig festgestellt, dass für seine Anhaltung die Anspruchsvoraussetzungen für eine Entschädigung wegen strafgerichtlicher Anhaltung durch den Bund vorlägen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. In der (zweiten) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. 3. 2009 regte sie eine Delegierung des Verfahrens an ein Gericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Wien an, weil auch dieses Gericht im Strafverfahren - mit Beschluss vom 23. 2. 2004 - über die Haft entschieden habe.

Der Kläger vertrat die Auffassung, eine allfällige „Unzuständigkeit" sei geheilt, weil sich die Beklagte in das Verfahren eingelassen habe.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien legte nun den Akt dem Obersten Gerichtshof zu einer allfälligen Delegation der Rechtssache vor.

Dem vom erkennenden Senat beigeschafften Strafakt kann entnommen werden, dass das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 23 2. 2004 über eine Haftbeschwerde des nunmehrigen Klägers entschieden und dabei die Fortsetzung der verhängten Untersuchungshaft angeordnet hat.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus einem kollegialen Beschluss eines Oberlandesgerichts „abgeleitet" wird, das nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre. Entsprechendes bestimmt im hier anzuwendenden (siehe § 14 StEG 2005) § 8 Abs 2 StEG 1969 für nach diesem Gesetz erhobene Entschädigungsansprüche.

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt eine „Heilung" einer „Unzuständigkeit" durch rügelose Einlassung schon deshalb nicht in Betracht, weil die genannten Bestimmungen nicht Unzuständigkeitsfälle, sondern vielmehr Fälle notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegation regeln (vgl nur die Nachweise bei Schragel, AHG3 Rz 255). Damit soll gewährleistet werden, dass auch nur der Anschein der Befangenheit von Richtern vermieden wird. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht allein auf das anspruchsbegründende Tatsachenvorbringen des Klägers an. Ergibt sich im Verfahren, dass der gegen eine bestimmte gerichtliche Entscheidung erhobene Vorwurf materiell zugleich auch das Rechtsmittelgericht trifft, ist bei Beachtung des Gesetzeszwecks davon auszugehen, dass auch aus dessen Entscheidung der erhobene Anspruch „abgeleitet" wird. Andernfalls hätte es der Kläger in der Hand, durch selektive und unvollständige Tatsachenbehauptungen das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, Gerichte von einer Entscheidung über den Anspruch auszuschließen, die von den anspruchsbegründenden Vorwürfen inhaltlich betroffen sind, zu konterkarieren.

Da somit die gesetzlichen Delegierungsvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Rechtssache einem Gerichtshof außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels Wien zu übertragen.

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