OGH 12Os13/09t

OGH12Os13/09t26.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Böhm als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nenad M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nenad M***** und Dragan V***** sowie die Berufung des Angeklagten Michael Ma***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 7. Mai 2008, GZ 35 Hv 182/07p-196a, sowie die Beschwerde des Angeklagten Nenad M***** gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nenad M***** und Dragan V***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten M***** und V***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Angeklagten Michael Ma***** (wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF [B./I./] und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG [B./II./]) und Dragan Mi***** (wegen des Verbrechens nach § 28 [richtig: nicht auch Abs 1, sondern nur] Abs 2 vierter Fall SMG aF [D./I./] und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB [D./II./]) sowie einen gleichfalls in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Freispruch des Letztgenannten enthält, wurden die Angeklagten Nenad M***** der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF (A./I./) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./) und Dragan V***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teilweise als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (C./I./), und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (C./II./) schuldig erkannt. Danach haben in Salzburg und an anderen Orten

A./ Nenad M*****

I./ von August 2005 bis August 2007 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich 300 Gramm Kokain und eine unbekannte Menge Heroin erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen; II./ von Frühjahr 2006 bis August 2007 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar 6 Gramm Kokain brutto und insgesamt ca 1.050,50 Gramm Heroin brutto (Reinheitsgrad zumindest 30 %, entspricht mindestens 315 Gramm Reinsubstanz), in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) 105-fach übersteigenden Menge durch Verkauf anderen überlassen, wobei er die Tat in Beziehung auf ein Suchtgift begangen hat, dessen Menge das 25-fache der Grenzmenge überstiegen hat, und zwar:

1./ von Frühjahr 2006 bis Juni 2007 bei zahlreichen Übergaben zumindest 800 Gramm Heroin brutto an Michael Ma*****, 2./ im Juni oder Juli 2007 bei mehreren Übergaben 0,5 Gramm Heroin brutto und ca 4 Gramm Kokain brutto an Marion E*****, 3./ von März 2007 bis Juni 2007 bei mehreren Übergaben ca 15 Gramm Heroin brutto an Damir K*****,

4./ im Sommer 2007 bei einer Übergabe ca 2 Gramm Kokain an Karl Heinz Ku*****,

5./ im Jahr 2007 bis August bei vielfachen Übergaben ca 15 Gramm Heroin brutto an Andrea S*****,

6./ von Dezember 2006 bis Jänner 2007 ca 20 Gramm Heroin brutto - teilweise auch im Tausch gegen Kokain - an Manfred St*****, 7./ im Winter 2006/2007 bei mehreren Übergaben ca 50 Gramm Heroin brutto an Semir Mu*****,

8./ von Frühjahr 2006 bis Juli 2007 bei mehrfachen Übergaben ca 150

Gramm Heroin brutto an Michael R*****;

C./ Dragan V*****

vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar mindestens 1.160 Gramm Heroin brutto (Reinheitsgrad zumindest 40 %, entspricht mindestens 464 Gramm Reinsubstanz), in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) 154-fach übersteigenden Menge - zum Teil durch Bestimmung eines unbekannten Mittäters - von Serbien aus- und nach Österreich eingeführt und dieses Heroin sowie zudem ca 20 Gramm Kokain brutto von mittlerer Qualität durch Verkauf anderen überlassen, wobei er die Tat in Beziehung auf Suchtgift begangen hat, dessen Menge das 25-fache der Grenzmenge überstiegen hat, und zwar:

I./ von Anfang 2006 bis Sommer 2007 1.160 Gramm Heroin brutto aus- und eingeführt, indem er einen Teil des Heroins selbst von Serbien nach Österreich transportierte und sich den anderen Teil von einer unbekannten Person liefern ließ;

II./ anderen überlassen, und zwar:

1./ zwischen Frühjahr 2006 und Sommer 2007 ca 900 Gramm Heroin brutto und ca 20 Gramm Kokain brutto durch zahlreiche Übergaben an Nenad M*****,

2./ im Sommer 2006, im Frühjahr 2007 und im Frühsommer 2007 in Seekirchen durch Übergabe von zweimal 100 Gramm und einmal 60 Gramm, sohin gesamt 260 Gramm Heroin brutto an Dragan Mi***** zur Weitergabe gegen Entgelt an Nenad M*****.

Rechtliche Beurteilung

Den gegen dieses Urteil gerichteten, von den Angeklagten M***** und V***** gesondert zur Ausführung gebrachten und jeweils auf die Gründe der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden kommt aus nachstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu:

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Nenad M*****:

Weshalb es „konkreter" Feststellungen dazu, dass „ausschließlich die Abhängigkeit des Angeklagten zu seinem Fehlverhalten geführt" und er „den Verkauf des Rauschmittels ausschließlich" zur Finanzierung seiner in hohem Maße fortgeschrittenen Abhängigkeit von Heroin verwendet hatte, bedurft hätte, legt die Mängelrüge (Z 5, irrtümlich auch Z 4, der Sache nach Z 9 lit a) nicht dar. Im Übrigen betrifft der vermisste Umstand keine für die Schuld- und Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache, weil die den Angeklagten treffende Sanktion nach dem Strafsatz des § 28 Abs 4 SMG, auf den die vom Beschwerdeführer erkennbar angesprochenen, in § 28a Abs 3 iVm § 27 Abs 5 SMG angeführten Umstände keinen Einfluss haben, ausgemessen und gewerbsmäßige Tatbegehung nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG ohnedies nicht angenommen wurde.

Ebenso wenig sagt die Tatsachenrüge (Z 5a), aus welchem Grund das Erstgericht „konkrete Feststellungen hinsichtlich des Motivs für den Handel mit Rauschgift" hätte treffen müssen, die den Ausspruch über die Schuld mit Sicherheit beeinflusst hätten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dragan V*****:

Der gegen den Schuldspruch C./II./ gerichtete Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe jenen Teil der Aussage des Mitangeklagten M*****, wonach er vom Beschwerdeführer insgesamt (nur) ca 1 kg Heroin erhalten habe (vgl S 357 und 373/IV), woraus aber - nach der Beschwerdethese - bloß eine Menge von 900 bis 1.000 Gramm an überlassenem Heroin (statt der konstatierten Quantität von 1.160 Gramm Heroin) abzuleiten gewesen wäre, unberücksichtigt gelassen, spricht keine entscheidende Tatsache an. Denn auch bei einer - solcherart von der Beschwerde unbestrittenen - Menge von bloß 900 Gramm (in tatbestandlicher Handlungseinheit [s US 22]) überlassenem Heroin mit einem in der Beschwerde behaupteten Reinheitsgehalt von bloß 20 % wird die Grenzmenge des § 28b SMG (3 Gramm Reinsubstanz Heroin) um bei weitem mehr als das 25-fache überschritten.

Überdies orientiert sich das Vorbringen nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, haben die Tatrichter doch auch diesen Teil der Verantwortung des Nenad M***** erörtert (US 23 f, 32). Auch das weitere Vorbringen, das Schöffengericht habe sich mit den Angaben des Mitangeklagten M***** dahin, dass er „bei Ma***** das Heroin nicht gestreckt habe, bei anderen ab und zu schon" (vgl S 367/IV), nicht auseinandergesetzt, orientiert sich nicht an den Urteilsannahmen der Tatrichter, die diesen Umstand dezidiert festgestellt (US 16) und das bloß fallweise Aufstrecken des Suchtgifts in ihre beweiswürdigenden Überlegungen miteinbezogen haben (US 28).

Der Vorwurf, die Tatrichter hätten unbegründet gelassen, dass sich der Angeklagte M***** beim Nichtigkeitswerber wegen des „seifigen Zeugs" beschwert haben will (vgl S 360/IV), vernachlässigt, dass sich dieser Teil der Verantwortung auf eine einmalige Lieferung von Kokain bezogen hat und damit für die Frage des Reinheitsgehalts des übergebenen Heroins nicht von Relevanz ist. Damit war er aber nicht erörterungsbedürftig.

Bei seinem Einwand, das Erstgericht lasse unbegründet, weshalb beim Angeklagten Dragan V***** ein Reinheitsgehalt von 40 %, bei Dragan Mi*****, welcher dasselbe Heroin übernommen und in der Folge nicht gestreckt habe, lediglich von einem Reinheitsgehalt von 20 % auszugehen sei, übergeht der Nichtigkeitswerber, dass die Erstrichter auch in Bezug auf das vom Mitangeklagten Mi***** an Nenad M***** überlassene Heroin davon ausgegangen sind, dass dieses Suchtgift - objektiv - einen Reinheitsgehalt von zumindest 40 % hatte; bloß in subjektiver Hinsicht räumten sie - im Zweifel - ein, dass der Eventualvorsatz des Dragan Mi***** auf die Weitergabe von Heroin von - nur - zumindest durchschnittlicher Qualität (20 % Reinheitsgrad) gerichtet gewesen war (vgl US 18 f iVm 30).

Der von der Beschwerde weiters gerügte Umstand, wonach das Erstgericht - ohne Begründung - davon ausgegangen sei, dass „jedes Glied der Kette" das Suchtgift im Ausmaß „von 10 % aufgestreckt" habe, ist zum einen in dieser Form den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen und wird mit diesem Vorbringen zum anderen erneut keine entscheidende Tatsache angesprochen, weil auch bei Streckungen im bloß einstelligen Prozentbereich und einem vom Beschwerdeführer aus dieser hypothetischen Behauptung offenbar abgeleiteten Reinheitsgehalt des von V***** überlassenen Suchtgifts von bloß 20 % die Grenzmenge wiederum weit über das 25-fache überschritten wäre. Mit der Kritik (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe die Bemerkung des Nenad M*****, dass er sich mit dem Reinheitsgrad von Heroin „persönlich nicht so auskenne" (vgl S 360/IV), unberücksichtigt gelassen, nimmt die Beschwerde nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl zum Inhalt der Aussage des Nenad M*****, aber auch des Michael Ma***** in ihrer Gesamtheit US 23 f, 26 ff und 32 ff, insb S 40) Maß und verfehlt solcherart eine gesetzmäßige Ausführung (vgl Ratz, WK-StPO [2009] § 281 Rz 394; RIS-Justiz RS0119370).

Der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht mit der Aussage des Zeugen BI Johann Sto***** (S 11 ff/V) sehr wohl auseinandergesetzt (US 27). Weshalb die Aussage dieses Zeugen, wonach „die Straßenqualität in Salzburg seiner Erfahrung nach zwischen 8 bis 12 % (+/- 2 %)" liege, zu einer anderen Beantwortung der Frage bezüglich der Qualität des vom Beschwerdeführer konkret weitergegebenen Suchtgifts führen soll, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Indem sie schließlich unter bloßem Hinweis auf die Einschätzung des genannten Zeugen, dass die Qualität des Heroins „im Bereich von 30 bis 40 % angesiedelt" gewesen sein müsse, eine fehlende Begründung für die Annahme eines Reinheitsgrades von 40 % moniert (Z 5 vierter Fall), ignoriert sie die von den Tatrichtern hiezu angestellten umfänglichen sowie logisch und empirisch einwandfreien Beweiswerterwägungen (US 26 ff, 40).

Schließlich legt die Mängelrüge auch nicht nachvollziehbar begründet dar, weshalb der Verkauf des „Heroins zum Preis von 70 Euro - sohin zu einem niedrigen Preis" - einer „guten Qualität" entgegenstehen soll.

Die sich nur gegen den Schuldspruch C./I./ richtende Tatsachenrüge (Z 5a) vermeint, dass das auf US (richtig:) 38 f angeführte Telefonüberwachungsprotokoll (das ein Telefonat zwischen Dragen Mi***** und dem Beschwerdeführer vom 13. Juni 2007 zum Inhalt hat) die Aus- und Einfuhr des Suchtgifts durch den Nichtigkeitswerber, teilweise durch Bestimmung dritter Personen, nicht zu begründen vermag, weil es im Zuge dieses Gesprächs nur um „Weiße" gegangen sei, womit jedoch Kokain und nicht Heroin gemeint sei. Da auch sonst keine weiteren Beweise vorlägen, sei insoweit „eine an Willkür grenzende Scheinbegründung durch das Erstgericht" vorgenommen worden. Dabei verkennt die Beschwerde, dass zur prozessförmigen Darstellung der Rüge die dafür ins Treffen geführten aktenkundigen Beweismittel in Hinsicht auf die Eignung, erhebliche Bedenken hervorzurufen, an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen zu messen sind (Ratz, WK-StPO [2009] § 281 Rz 487).

Diesen Voraussetzungen wird das Vorbringen nicht gerecht, weil es die eingehenden Erwägungen der Tatrichter auf US 37 (unten) ff ignoriert, die ihre Überzeugung in Bezug auf die Ein- und Ausfuhr des Heroins durch den Beschwerdeführer keineswegs - wie die Beschwerde vermeint - allein auf das angeführte Telefonüberwachungsprotokoll gestützt haben.

Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen werden mit diesem Einwand jedenfalls nicht geweckt.

Die Angeklagten Nenad M***** und Michael Ma***** wurden zu A./I./ und B./I./ schuldig erkannt, jeweils Kokain bzw Heroin erworben und bis zum Eigenkonsum besessen zu haben (US 2, 3 f, 15 f, 18). Die Tathandlungen wurden § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF unterstellt; dies indes zu Unrecht, weil bei Begehung der Straftat des § 27 Abs 1 SMG in der seit 1. Jänner 2008 in Geltung stehenden Fassung, BGBl I 110/2007, ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Abs 2 leg cit eine mit § 27 Abs 1 SMG aF idente Strafdrohung vorsieht, sodass § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG idgF schon aus diesem Grund gemäß § 48 SMG iVm § 61 StGB auch im vorliegenden Fall anzuwenden gewesen wären (vgl auch RIS-Justiz RS0124177). Da dies bei beiden Angeklagten bei der Strafbemessung ohne nachteilige Auswirkungen blieb, bedarf es jedoch keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 StGB (vgl Ratz, WK-StPO [2009] § 290 Rz 22 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Nenad M***** und Dragan V***** waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der genannten Angeklagten und jene des Angeklagten Michael Ma***** sowie über die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten Nenad M***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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