Spruch:
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Innsbruck mit dem Auftrag zurückgeleitet, vorerst über die in § 212 Z 1 bis 4 StPO genannten Einspruchsgründe zu befinden.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
In einer im Verfahren (nunmehr) AZ 34 Hv 134/08 f des Landesgerichts Innsbruck eingebrachten Anklageschrift legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck dem Angeklagten Karl-Heinz S***** zur Last, er habe im Dezember 2005 „in Kundl und anderen Orten" mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz „gewerbsmäßig Verfügungsberechtigte des T***** Gesellschaft mbH durch Täuschung über Tatsachen, nämlich sein Auftreten für die vermeintlich zahlungsfähige und -willige Firma C***** GmbH", zum Abschluss eines Kaufvertrags sowie zur Herausgabe eines Traktors „zu einem Preis von € 39.778,80", somit zu einer Handlung verleitet, die das T***** Gesellschaft mbH in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte (ON 19). Der Angeklagte bestritt die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck in einem gegen die Anklageschrift erhobenen Einspruch unter Bezugnahme auf die Anklagebegründung, der nicht entnommen werden könne, dass eine Tathandlung im Sprengel jenes Gerichts gesetzt worden sei (ON 20).
Entgegen einer ohne konkreten Aktenbezug erstatteten Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck (ON 22) hielt es das Oberlandesgericht Innsbruck für möglich, dass ein im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien liegendes Gericht zuständig sei (ON 24), und legte den Einspruch gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit ist - von hier nicht in Betracht kommenden Sonderregelungen (zB § 29 JGG) abgesehen - der Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte; nur wenn dieser Ort (der Handlung) im Ausland liegt oder nicht festgestellt werden kann, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen (§ 25 Abs 1 StPO [Ermittlungsverfahren], § 36 Abs 3 StPO [Hauptverfahren]).
Dazu enthält die Anklageschrift entgegen der gesetzlichen Anordnung des § 211 Abs 1 Z 2 StPO keine Angaben. Die Anklageschrift leidet demnach an wesentlichen Mängeln im Sinn des § 212 Z 4 StPO, ohne dass das Oberlandesgericht Innsbruck in die Prüfung der Frage ihrer Zurückweisung nach § 215 Abs 3 StPO eingetreten wäre. Diese Prüfung wird demnach nachzuholen sein.
Anzumerken bleibt, dass das dem angerufenen Gericht übergeordnete Oberlandesgericht nach der von § 215 StPO vorgegebenen Systematik vor einem Ausspruch nach § 215 Abs 4 erster Satz StPO oder Vorlage nach § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO stets zu prüfen hat, ob nicht einer der in § 212 Z 1 bis 4 StPO genannten Mängel der Anklageschrift vorliegt. Erst wenn diese Prüfung mit negativem Ergebnis abgeschlossen ist, kommt demnach eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Betracht. Übermittelt dieser die Sache einem anderen Oberlandesgericht „zur Entscheidung über den Einspruch", ist dieses an das (in einem solchen Fall bloß vorläufige) negative Ergebnis der Prüfung durch das dem angerufenen Gericht übergeordnete Oberlandesgericht und - wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei - an die für den Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO entscheidenden (Ratz, WK-StPO § 281a Rz 3) Verdachtsannahmen nicht gebunden.
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