Spruch:
In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens verfügt, der Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 29. Juli 2008, AZ 6 Bs 410/08g, aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zur neuerlichen Entscheidung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 9. Juni 2008, GZ 31 HR 219/08p-10, verwiesen.
Text
Gründe:
Im bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu AZ 4 St 138/08t gegen Maxim R***** und gegen unbekannte Täter geführten Ermittlungsverfahren bewilligte das Landesgericht Innsbruck mit dem bezeichneten Beschluss vom 9. Juni 2008 (ON 10) eine Anordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck auf Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung (§ 124 StPO). Die Anordnung wurde samt Bewilligung (laut Sendebestätigung zu ON 10) dem Verteidiger am 12. Juni 2008 zugestellt; die vierzehntägige Beschwerdefrist (§ 88 Abs 1 StPO) endete daher am 26. Juni 2008. Die Einbringung einer Beschwerde des Angeklagten im elektronischen Rechtsverkehr wurde zurückgewiesen, weil sie am letzten Tag der Frist um 19:23 Uhr, somit außerhalb der in § 1 Abs 4 ERV vorgesehenen Uhrzeiten, vorgenommen wurde. Noch am selben Tag (um 19:31 Uhr) übermittelte der Verteidiger die Beschwerde auch im Faxweg an die Staatsanwaltschaft Innsbruck (§ 88 Abs 2 iVm § 84 Abs 2 StPO). Irrtümlich wurde nicht diese (rechtzeitige Urschrift der) Beschwerde (ON 16), sondern lediglich deren nach Ablauf der Rechtsmittelfrist im Postweg nachgereichte Gleichschrift dem Oberlandesgericht Innsbruck samt einer von der Staatsanwaltschaft Innsbruck für das Beschwerdeverfahren angefertigten Aktenkopie vorgelegt (ON 37; vgl ON 1, S 12). Mit Beschluss vom 29. Juli 2008, AZ 6 Bs 410/08g, wies das Oberlandesgericht Innsbruck die Beschwerde - auf der Grundlage der ihm zum Entscheidungszeitpunkt (in Kopie) vorliegenden Aktenlage rechtsrichtig - als verspätet zurück.
Rechtliche Beurteilung
Ob die gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck gerichtete Beschwerde des Angeklagten rechtzeitig eingebracht wurde, ist eine Frage tatsächlicher Natur, die das Beschwerdegericht zu entscheiden hatte. Stellt sich heraus, dass eine (nicht vom Obersten Gerichtshof selbst getroffene) letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage ergangen ist, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten ist, kommt - wie hier - über besonderen Antrag der Generalprokuratur eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362 Abs 1 Z 2 StPO in Betracht (RIS-Justiz RS0117416; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 16, § 362 Rz 4; Fabrizy, StPO10 § 362 Rz 3). Aufgrund der von der Staatsanwaltschaft Innsbruck erst am 5. September 2008 dem Landesgericht Innsbruck nachgereichten Beschwerdeschrift samt Faxsendevermerk vom 26. Juni 2008, 19:31 Uhr (ON 37), bestehen nach auf besonderen Antrag der Generalprokuratur vorgenommener Prüfung der Akten gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO erhebliche Bedenken gegen die Beurteilungsgrundlage, von der das Oberlandesgericht Innsbruck bei seiner Zurückweisungsentscheidung ausgegangen ist.
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