OGH 13Os159/08v

OGH13Os159/08v22.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin K***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 20. August 2008, GZ 11 Hv 17/07s-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erwin K***** jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) sowie Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in der Zeit von „frühestens" dem Jahr 2002 bis zum 13. August 2006 in Sierning, Asten und Haag dadurch, dass er in mehreren Angriffen den am 5. April 1999 geborenen, von ihm im Einverständnis mit dessen Mutter beaufsichtigten Joel T***** für die Dauer von jedenfalls mehreren Sekunden über der Unterwäsche zielgerichtet im Geschlechtsbereich betastete,

(1) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen und

(2) mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 5, 5a, (richtig:) 9 lit a, 10 und 10a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehlt.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Feststellungen zum Beginn des Tatzeitraums als undeutlich (Z 5 erster Fall), in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) und unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) bezeichnet, unterlässt sie die gebotene Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen.

Unter dem Aspekt der Z 3 sind Unklarheiten über die Tatzeit nur dann beachtlich, wenn die Individualisierung der Tat davon betroffen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290), was hier - zu Recht - nicht einmal behauptet wird.

Der Einwand, die angeblich unrichtige zeitliche Eingrenzung der Taten habe mit Blick auf den Erschwerungsgrund des § 33 Z 1 StGB die Strafbemessung zum Nachteil des Beschwerdeführers beeinflusst (gemeint wohl Z 11 zweiter Fall), ist unverständlich, weil das Erstgericht den Umfang des Tatzeitraums nicht aggravierend gewertet hat (US 14).

Aus welchem Grund hier zur rechtsrichtigen Subsumtion die exakte zeitbezogene Zuordnung einzelner Tathandlungen erforderlich sein soll (Z 10), leitet die Rüge nicht aus dem Gesetz ab.

Entgegen der Beschwerde sind die Konstatierungen zum objektiven Tathergang mängelfrei begründet:

Das Erstgericht stützt sich dabei zentral auf die Angaben des Opfers Joel T***** (US 7), beurteilt dessen Aussageehrlichkeit anhand des - durch Vorführen der Bild- und Tonaufnahme über dessen kontradiktorische Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung (S 420) - gewonnenen persönlichen Eindrucks (US 7 f) und des diesbezüglich eingeholten psychologischen Sachverständigengutachtens (US 8 f), beleuchtet Aussagewidersprüche kritisch (US 9 bis 11) und geht auch auf alle weiteren, sachverhaltsrelevanten Beweismittel ein (US 11 bis 13).

Eine darüber hinausgehende, den vollständigen Inhalt aller Aussagen wie überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörternde Urteilsbegründung ist aus dem Blickwinkel der Z 5 zweiter Fall nicht erforderlich, sondern würde vielmehr dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zuwiderlaufen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich Joel T***** bei der Befragung durch die psychologische Sachverständige nach deren Befund nur mehr an die zwei jüngsten Tathandlungen erinnern konnte (S 180 f), nicht zutrifft. Die Tatrichter haben nämlich das auf der Basis dieses Befundes erstattete, diesen Umstand ausdrücklich behandelnde Gutachten, wonach die Gedächtnisinkonstanz aufgrund des zwischen der kontradiktorischen Vernehmung (ON 7) und der Befundung (ON 10) verstrichenen Zeitraums aus psychologischer Sicht nachvollziehbar sei und die (positive) Einschätzung der Aussageehrlichkeit sogar weiter unterstreiche (S 422), als schlüssig und demnach die Sachentscheidung (mit-)tragend angesehen (US 9).

Die vermisste Erörterung der Beweisergebnisse, auf die sich die Urteilsfeststellungen gründen, findet sich in den US 6 bis 13. Aus welchem Grund die Deposition Joel T*****s, er habe gegenüber dem Beschwerdeführer nach den inkriminierten Vorfällen „Wut" empfunden (S 183), eine Falschaussage indizieren soll, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.

Die Erklärung, das Vorbringen der Mängelrüge auch auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3 und 10a des § 281 Abs 1 StPO zu stützen, hat auf sich zu beruhen, weil sich die Beschwerde insoweit nicht nach den gesetzlichen Kriterien richtet.

Der Tatsachenrüge (Z 5a) zuwider begründet die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung eines Zeugen, der die Aussage berechtigt verweigert, nur dann Nichtigkeit (aus Z 3), wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 252 Abs 1 StPO vorliegt. In Bezug auf den Zeugen Joel T***** ist der Ausnahmetatbestand des § 252 Abs 1 Z 2a StPO gegeben. Die diesbezüglichen gesetzlichen Vorgaben wurden eingehalten, insbesonders wurde dem Beschwerdeführer - von der Beschwerde unbestritten - Gelegenheit zur Beteiligung an der gerichtlichen Vernehmung dieses Zeugen geboten (S 3). Im Übrigen erschöpft sich die Tatsachenrüge darin, selektiv einzelne Verfahrensergebnisse herauszugreifen und hieraus anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse zu entwickeln. Damit verlässt sie aber den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes, indem sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung wendet. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, welche über die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer den seiner Aufsicht unterstehenden, minderjährigen Joel T***** in einer Mehrzahl von Fällen jeweils mehrere Sekunden hindurch über der Unterbekleidung durch zielgerichtete Fingerbewegungen am Geschlechtsteil betastete (US 4), hinausgehenden Konstatierungen zum objektiven Tatgeschehen für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sein sollen. Der Einwand, die angefochtene Entscheidung treffe keine hinreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite, übergeht die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 5) und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Die in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur (§ 24 StPO) vorgenommene Ergänzung der Nichtigkeitsbeschwerde hat auf sich zu beruhen, weil das Gesetz nur eine einzige Ausführung der Beschwerdegründe zulässt (Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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