OGH 11Os177/08a

OGH11Os177/08a16.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab und Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz B***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 13 U 1460/97v des Bezirksgerichts Fünfhaus, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 17. März 2008, AZ 132 Bl 16/08v, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Heinz B*****, AZ 13 U 1460/97v des Bezirksgerichts Fünfhaus, verletzt der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 17. März 2008, AZ 132 Bl 16/08v, § 57 Abs 3 StGB.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 9. November 2007 nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

In dem zunächst vom Strafbezirksgericht Wien zum AZ 10 U 2346/94 geführten Strafverfahren gegen Heinz B*****, früher H*****, wegen § 133 Abs 1 StGB wurde am 14. September 1994 ein Antrag auf Bestrafung (ON 6) eingebracht.

Am 27. Februar 1997 langte beim Strafbezirksgericht Wien zugleich mit der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. Jänner 1997, D 8103-S/96/Mag. Bo. (ON 39), der Antrag auf Bestrafung Heinz H*****s wegen des Vorwurfs des am 18. November 1996 begangenen Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB (ON 40) ein, wobei die Bezirksanwältin die Einbeziehung in das Verfahren beantragte (S 153). Am 22. August 1997 übermittelte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Strafakt zuständigkeitshalber dem Bezirksgericht Fünfhaus (S 3 e), das das Verfahren zum AZ 13 U 1460/97v weiterführte. Dieses Gericht ersuchte am 28. August 1997 das Polizeikommissariat Penzing um Prüfung der Ortsanwesenheit des seinerzeit vom Strafbezirksgericht Wien zur Aufenthaltsermittlung ausgeschriebenen Beschuldigten (S 3e verso). Nachdem das Kommissariat dem Gericht eine Wohnanschrift des Beschuldigten mitgeteilt hatte (ON 43, 44), verfügte das Bezirksgericht Fünfhaus am 1. Oktober 1997 den Widerruf der Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung und die Einholung einer Strafregisterauskunft (S 3e verso). Schließlich beraumte es am 20. November 1997 die Hauptverhandlung für den 10. Dezember 1997 an, wobei das Gericht verfügte, in der Ladung an den Beschuldigten auch den Vorfall vom 18. November 1996 als Verhandlungsthema anzuführen (S 3f).

Am 27. März 2007 schließlich fasste das Bezirksgericht Fünfhaus unter Hinzufügung des Klammerzitats „erfolgte bislang offensichtlich versehentlich nicht" den Beschluss auf Einbeziehung der Nachtragsanzeige ON 39 gemäß § 56 StPO aF (S 3j).

Am 30. Mai 2007 langten beim Bezirksgericht Fünfhaus die Anzeige des Stadtpolizeikommandos Schwechat vom 3. April 2007, 4 KR/347004/2006 (ON 68, anfangs als ON 65 einjournalisiert), sowie der Antrag auf Bestrafung des Beschuldigten (ON 69) wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB ein (S 3 j), wobei die Bezirksanwältin die Einbeziehung in das Verfahren AZ 13 U 1460/97v beantragte. Der Anzeige und dem Bestrafungsantrag zufolge soll Heinz B***** das inkriminierte Vergehen am 15. August 2006 begangen haben. Diese Nachtragsanzeige wurde erst am 12. Oktober 2007 gemäß § 56 StPO aF einbezogen (S 3j verso). Gerichtliche Verfolgungsmaßnahmen bis dahin oder in diese Verjährungsfrist fallende weitere Straftaten des Beschuldigten sind nicht aktenkundig.

Am 9. November 2007 fasste das Bezirksgericht Fünfhaus gemäß § 451 Abs 2 StPO den Beschluss auf Einstellung des Strafverfahrens gegen Heinz B*****, früher H*****, wegen § 127 StGB (ON 39) und § 134 Abs 1 StGB (ON 68; Teileinstellung) aus dem Grunde der Verjährung (S 3 k). Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 71) gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 17. März 2008, AZ 132 Bl 16/08v, Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Bezirksgericht Fünfhaus auf, das gegenständliche Strafverfahren gegen Heinz B***** fortzusetzen (ON 75).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 17. März 2008 verstößt - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - gegen das Gesetz in der Bestimmung des § 57 Abs 3 StGB.

1./ Die Verjährungsfrist für das zur Nachtragsanzeige ON 39 vorgeworfene Vergehen des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB betrug gemäß § 57 Abs 3 StGB ein Jahr. Diese Frist verstrich, ohne dass gegen den Beschuldigten wegen dieser Tat durch eine gerichtliche Verfolgungshandlung ein Strafverfahren bei Gericht eingeleitet wurde. Wohl hat das Bezirksgericht Fünfhaus im Verfahren 13 U 1460/97v innerhalb der Verjährungsfrist die Überprüfung der Ortsanwesenheit des Beschuldigten und die Einholung einer Strafregisterauskunft verfügt, doch können diese - an sich zur Hemmung der Verjährung geeigneten - Verfahrensschritte in Ermangelung einer Einbeziehung der Nachtragsanzeige gemäß § 56 StPO aF nicht als Verfolgungshandlungen auch wegen der nachträglich angezeigten Tat angesehen werden. Die Verfügungen des Gerichts enthalten nämlich keinen Hinweis, dass sich die Verfolgungsmaßnahmen auch auf die von der - bloß im Akt einliegenden - Nachtragsanzeige umfasste Tat beziehen. Ob die am 20. November 1997 vorgenommene Anberaumung der Hauptverhandlung - bei der die Bezugnahme auf die Nachtragsanzeige bloß in der Anordnung der Anführung des Vorfalls vom 18. November 1996 als Verhandlungsthema in der Beschuldigtenladung erfolgte - eine gerichtliche Verfolgungshandlung darstellte, mag dahingestellt bleiben, weil die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war.

2./ Die Verjährungsfrist für das zur Nachtragsanzeige ON 68 vorgeworfene Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB betrug gemäß § 57 Abs 3 StGB gleichfalls ein Jahr. Diese Frist verstrich, ohne dass gegen den Beschuldigten wegen dieser Tat durch eine gerichtliche Verfolgungshandlung ein Strafverfahren bei Gericht eingeleitet wurde.

3./ Entgegen der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde vertretenen Rechtsansicht hat das fristgerechte Einlangen der Anträge auf Bestrafung bei Gericht eine Hemmung der Verjährung im Sinne des § 58 Abs 3 Z 2 StGB aF nicht bewirkt, weil auch in den Fällen unmittelbarer Anträge auf Bestrafung Gerichtsanhängigkeit erst mit der ersten strafgerichtlichen Aktivität gegen einen bestimmten Täter eintritt (RIS-Justiz RS0092053; E. Fuchs in WK² § 58 [2007] Rz 15). Die Ansicht des Beschwerdegerichts, die Verjährung sei deshalb noch nicht eingetreten, weil auch die Tat vom 12. März 1994 (Antrag auf Bestrafung ON 6) noch nicht verjährt sei (S 383), ist gleichfalls verfehlt, weil eine Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 58 Abs 2 StGB nur dann eintritt, wenn der Täter während der Verjährungsfrist, also nach der Tat, neuerlich eine einschlägige Straftat verübt. Daher kann denklogisch eine vor der neuen Tat begangene strafbare Handlung nicht zur Verlängerung der Verjährungsfrist hinsichtlich der neuen Tat führen (vgl E. Fuchs in WK2 § 58 [2007] Rz 6).

Das Erstgericht hat somit das Verfahren hinsichtlich der Anzeigen ON 39 und ON 68 zu Recht aus dem Grunde der Verjährung eingestellt, der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 17. März 2008 (ON 75) steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen gereichen dem Angeklagten zum Nachteil (§ 292 letzter Satz StPO), sodass sich der Oberste Gerichtshof zur Aufhebung des genannten Beschlusses und zur Abweisung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft veranlasst sah.

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