OGH 14Os156/08k

OGH14Os156/08k16.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trebuch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Selahattin K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 4. Juni 2008, GZ 20 Hv 33/08d-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Selahattin K***** der Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er Ende Juni 2005 in St. Pölten

I. die am 12. April 1992 geborenen Gamze Tanja Ö***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er den Oberkörper der Genannten im Zuge eines Handgemenges zurückdrückte, ihre Knie zwischen seinen beiden Beinen festklemmte, sie sohin fixierte, und ihren linken Arm nach hinten drückte, währenddessen er ihre Brust unterhalb ihres Büstenhalters streichelte, mit seiner Hand unterhalb der Kleidung ihre Scheide betastete und einen Finger in ihre Scheide einführte;

II. durch die unter I. beschriebene Handlung mit der genannten Unmündigen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen nominell aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Welche konkreten entscheidenden Tatsachen miteinander im Widerspruch stehen, also nach Denkgesetzen als unvereinbar zu bewerten sein sollen, wird mit dem - zudem teils auf urteilsfremder Interpretation der konstatierten Tatmodalitäten entwickelten - Einwand der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall), der festgestellte Geschehensablauf sei aufgrund der Positionen der Beteiligten „unmöglich" und „in sich widersprüchlich", nicht deutlich und bestimmt dargelegt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Die pauschal auf die „Tatsachenfeststellungen" auf US 5 bis 8 „mit Ausnahme der Feststellung über die Lage der Wohnung des Angeklagten" bezogene Behauptung unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) entzieht sich mangels Konkretisierung ebenso einer sachbezogenen Erwiderung.

Die entscheidungswesentlichen Konstatierungen haben die Tatrichter im Übrigen auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Tatopfers im Kontext mit den Aussagen der Zeugen Gülten Ö*****, Yusuf C***** und Ceren K***** gestützt und ausführlich begründet, weshalb sie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers für dadurch widerlegt und die Angaben seiner Ehefrau Gülbahar K***** und eine von dieser vorgelegte Kursbestätigung als nicht geeignet ansahen, ihn zu entlasten (US 10 ff), was aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.

Weder die - vom Erstgericht ungeklärt gebliebene (US 7, 13) - Frage, ob die dreijährigen Zwillinge des Angeklagten zum Tatzeitpunkt im Schlafzimmer schliefen oder gar nicht in der Wohnung (dem festgestellten Tatort) waren, noch ob der Angeklagte Gamze Ö***** von der Schule abholte oder sie alleine in die Wohnung kam, noch ob dessen Ehefrau, deren Anwesenheit am Tatort gar nicht behauptet wurde, zu diesem Zeitpunkt einen Fortbildungskurs besuchte, betrifft in Hinsicht auf die Feststellung entscheidender (also schuld- oder subsumtionsrelevanter) Tatsachen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 443) erhebliche Umstände. Dazu angestellte Erwägungen des Erstgerichts entziehen sich daher einer Anfechtung aus Z 5.

Davon abgesehen zielt das diesbezügliche Vorbringen der Mängelrüge mit dem Vortrag möglicher anderer Deutungen im Urteil ohnehin ausführlich erörterter Beweismittel (wie zum Beispiel einer - entgegen der Beschwerdeauffassung nicht inhaltlich unrichtig wiedergegebenen - Kursbestätigung), der in der Behauptung gipfelt, der Vorfall sei „sicher nicht in aller Stille abgelaufen", sodass „es praktisch auszuschließen" sei, „dass die Kinder nicht aufgewacht wären", in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung ab.

Weshalb die Aussage der Zeugin Ceren K*****, Gamzen Ö***** habe ihrer Erinnerung nach von einem weiteren - von der Anklage nicht umfassten - Vorfall erzählt, bei dem der Angeklagte „es noch einmal versucht hat" (ON 14 S 20), bloß deshalb erörterungsbedürftig iSd Z 5 zweiter Fall StPO gewesen sein sollte, weil das Tatopfer angab, es hätte nach dem verfahrensgegenständlichen Angriff keine weiteren derartigen Vorkommnisse gegeben, erklärt die Beschwerde nicht. Mit Hinweisen auf das Freundschaftsverhältnis zwischen dem Tatopfer und den Zeugen K***** und C***** und Spekulationen zu möglichen Absprachen der Genannten begibt sie sich ein weiters Mal auf die Ebene einer unzulässigen Schuldberufung.

Die als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisierte Urteilsannahme, wonach der Angeklagte mit dem Finger in die Vagina der Gamzen Ö***** eindrang, konnte das Erstgericht mängelfrei auf deren Angaben anlässlich der kontradiktorischen Einvernahme ableiten, wo die Zeugin ausdrücklich bestätigte, Gleiches auch schon der Kriminalpolizei geschildert zu haben, und die dort erfolgte Protokollierung einer bloßen Berührung im Genitalbereich unterhalb der Unterhose auf ein Missverständnis zurückführte (ON 2 S 27 iVm ON 7 S 98). Dass dem Beschwerdeführer diese Erklärung nicht plausibel erscheint, stellt den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund nicht her.

Der zur Überzeugung der Erkenntnisrichter von der Glaubwürdigkeit einer entscheidende Tatsachen bekundenden Beweisperson aufgrund des in der Hauptverhandlung (in Ansehung des Tatopfers hier durch Vorführung der Bild- und Tonaufnahme über die kontradiktorische Vernehmung, ON 14 S 23) gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist im Übrigen einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) unter weitgehender Wiederholung der Argumente der Mängelrüge erneut aus aufgenommenen Beweisen für den Angeklagten günstigere Schlüsse als die des Erstgerichts zieht, urteilsfremde Hypothesen aufstellt und Widersprüche in den Angaben der Belastungszeugen zum - nicht entscheidungswesentlichen - Begehungstag behauptet, um daraus eine „nicht wirklich geglückte" Absprache zwischen diesen und deren Unglaubwürdigkeit abzuleiten, erweckt sie bei gebotener Berücksichtigung der Gesamtheit der umfänglichen Beweiserwägungen (US 10 ff) keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Die (nominell verfehlt auch auf Z 9 lit a gestützte) Subsumtionsrüge (Z 10) strebt die Unterstellung des Sachverhalts unter §§ 202 Abs 1 und 207 Abs 1 StGB an. Indem die Beschwerde - zudem lückenhaft - auf angeblich uneinheitliche Judikatur und Literatur zur rechtlichen Einordnung digitaler Vaginalpenetration verweist, lässt sie den vom Gesetz verlangten Vergleich von festgestellten Tatsachen und darauf angewendetem Gesetz vermissen.

Weshalb die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte - unter Einsatz massiver Gewalt als Nötigungsmittel - mit deliktsspezifischem Vorsatz einen Finger in die Vagina des zum Tatzeitpunkt 13-jährigen Mädchens einführte und die Penetration erst aufgrund des Widerstands des Kindes endete, das sich losreißen und flüchten konnte (US 7), einzelfallbezogen nach der Summe der Auswirkungen und Begleiterscheinungen (welche vom Nichtigkeitswerber ignoriert werden) und unter Berücksichtigung des Alters des Opfers die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion nicht zu tragen vermögen (vgl RIS-Justiz RS0095004, dort vor allem T6 und T7) und hiefür Feststellungen „zum Umfang des Einführens des Fingers in die Scheide" erforderlich gewesen wären, wird im Rechtsmittel nicht aufgezeigt. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte